„Maybrit Illner: Energie, Geld, Jobs – keine Strategie in der Mega-Krise?“ ZDF, Donnerstag, 17.November2022, 22.15 Uhr.
Das Billig-Gas von Putins Gnaden ist futsch, China macht Scherereien, die Inflation voll im Galopp und Maybrit Illner wundert sich. Die Gäste:
Robert Habeck (53, Grüne). Der Wirtschaftsminister kämpft mit seiner eigenen Ideologie, der zähen Bürokratie und einer unorganisierten Ampelhierarchie. Seine Gas- und Strompreisbremsen schaffen es diesen Freitag nicht mal mehr ins Kabinett. Uff!
Christian Sewing (52). Der Deutsche-Bank-Chef mahnt: „Bezahlbare Energie ist essenziell für die Menschen und die Wirtschaft in Deutschland. Deshalb ist es wichtig, Haushalte und Unternehmen kurzfristig bei Gas- und Strompreisen zu entlasten.“ Und kurzfristig heißt kurzfristig!
Zwei sind mehr als vier, denn bei solchen Schwergewichten im Talk-Ring wären weitere Kombattanten nur Komparsen.
Vorsichtigstes Eigenlob
Die Talkmasterin eiert nicht herum, sondern stellt gleich zu Beginn die Frage aller Fragen: „Glauben Sie, dass die Bürger dieses Landes Ihnen noch vertrauen?“
Hören wir da ein Ja? Nicht von Habeck: Er hat schon manche Klippe zu spät erkannt. „Wir sind wirklich in einer Sondersituation“, antwortet der Minister vorsichtig, „und ich finde, trotzdem hat dieses Land sich außerordentlich bewährt.“
Erst auf Nachfrage lässt sich der Grüne ein bisschen Leine: „Die Frage ist, mache ich meinen Job für das Land, und ich tue das!“ Daraus lässt sich auch mit bösem Willen kein Strick drehen. Anerkennendes Nicken vom krisenerprobten Banker!
Gereizteste Antwort
Doch schon bei der nächsten Frage blättert Farbe ab: Stolz zählt Habeck die Groß- und Wohltaten der Ampel auf, doch für die Talkmasterin ist das alles schon wieder Geschichte: „Das erinnern die Leute gegebenenfalls nicht mehr“, lästert sie mit gleich zwei erhobenen Zeigefingern.
Da ist der Bock aber fett! „Das kann sein, dass sie es nicht erinnern, aber trotzdem wurde gehandelt!“, erbost sich der Minister. „Auch wenn man es vergisst, gab es ja eine Handlung! Das ist ja nicht wegzudiskutieren, dass es eine Handlung gab!“ Uiuiui…
Ungnädigste Auskunft
Bankchef Sewing streichelt Balsam auf die dünne Haut: „Ich glaube, die Bundesregierung hat insgesamt sehr ordentlich agiert, hat schnell reagiert“, tröstet er den Minister, hat dann aber auch gleich eine Forderung: „Wir müssen jetzt unbedingt die unmittelbare Krise im Sinne der Inflationsbekämpfung angehen!“
Die Talkmasterin greift zum Wahrheitsserum: „Die Menschen stehen davor, ihre Rechnungen bezahlen zu müssen“, piekst sie Habeck an. „Wann kommt dieser Dezember-Abschlag?“
„Na, im Dezember!“, knurrt der Minister. „Deswegen heißt er ja Dezember-Abschlag.“ Heidewitzka!
Wichtigstes Versprechen
„Wir haben Mitte November“, bohrt Illner weiter.
„Deswegen kommt er ja im Dezember“, klärt Habeck sie auf. „Der Abschlag wird nicht erhoben, das heißt, er kommt nicht, sondern er wird nicht kassiert.“ Deshalb müssten die Stadtwerke der Regierung jetzt schnellstens die Ausfälle melden. Sonst, so Habeck ungeduldig, „kann ich nicht garantieren, dass am 1.Dezember das Geld da ist.“
Mutigste Ansage
„Es ist lange geplant, jetzt muss es funktionierten“, fügt der Minister hinzu. Aber: „Wir müssen vielleicht auch mal ein bisschen großzügiger mit den Abschlägen sein, beziehungsweise den Mut zur Lücke haben.“
Denn, so Habeck weiter: „Wir werden in dieser Krise nie agieren können, wenn wir immer hundertprozentig auf die Kommastelle hinaus sicher sein wollen, dass alles genau ausgerechnet ist. Deswegen würde ich den Stadtwerken sagen: Grobe Peilung reicht schon, und dann rechnen wir im Januar oder Februar spitz ab. Wichtig ist, dass das Geld jetzt schnell fließt.“ Halleluja!
Deutlichster Warnhinweis
Habecks strenge Mahnung: „Man kann das alles kritisieren, aber dann muss man auch wissen, dass dann in der Konsequenz gar nichts passiert.“ Rumms!
„Es könnte auch anders gehen“, wagt der Bankchef vorsichtig einzuwenden. „Aber es geht um Schnelligkeit. Es geht darum, dass wir jetzt gerade den Ärmeren in unserer Gesellschaft und insbesondere den kleineren Unternehmen (helfen). Es gibt kein Textbuch für diese Krise.“
Mildeste Kritik
„Ich frage nach der Zeit, die wir verschenkt haben, als wir im Sommer über eine Gasumlage geredet haben“, rügt die Talkmasterin. „Wie sehr ist Zeit vergeudet werden?“
„Tja“, gibt Sewing mit einem tiefen Seufzer zu, „im Nachhinein kann man sagen, dass man vielleicht einen oder zwei Monate schneller hätte sein müssen.“
Harmonischstes Duett
Mehr noch: „Diese Krisenbewältigung hätte man drei Monate vorziehen können“, kritisiert der Bankchef dann noch etwas mutiger, „vielleicht auch noch mit einem stringenteren und klareren Weg.“
Habeck legt den Kopf schief, verzieht aber keine Miene. Die Herren kennen sich gut, zuletzt flogen sie gemeinsam zum Wirtschaftsgipfel nach Singapur.
Ärgerlichste Reaktion
Illner hackt weiter auf der Gasumlage herum. „Dafür sind Sie sehr kritisiert worden“, hält sie dem Minister vor, „auch hier in dieser Sendung. Manche haben gefordert, Olaf Scholz solle Sie entlassen. Darauf haben Sie sehr emotional reagiert.“
Habeck verzieht das Gesicht. „Ich will hier keine Sendekritik machen, aber das ist mir ein bisschen viel Vergangenheitsbewältigung“, murrt er. „Die Gasumlage ist jetzt Geschichte.“ Dann fängt er aber wie zum Trotz an, alles noch einmal destailliert aufzudröseln.
Gelungenste Revanche
Illner merkt, dass sie ein Eigentor provoziert hat, und spielt rasch einen Rückpass: „Sie erklären jetzt nicht die Gasumlage!“ bremst sie.
Doch Habeck ist so sauer, dass er sich jetzt nicht mehr stoppen lässt. „Das Gas ist nicht mehr gekommen, also musste es eingekauft werden“, doziert er los, und dann kommt er minutenlang vom Hölzchen aufs Stöckchen. Stöhn!
Härteste Blutgrätsche
Zum Schluss tritt der Minister auch noch nach: „Und wenn sich niemand daran erinnert“, schließt er seinen historischen Rundschlag mit kaum verhohlener Süffisanz, „ich erinnere mich daran.“ Bäm! Nimm das, Illner, du alte Nervensäge!
Danach will er der Talkmasterin auch noch den eigenen Titel um die Ohren hauen: „Wenn ich auf das Thema der Sendung kommen darf: Wie geht es Deutschland, oder Wo stehen wir in Deutschland?“, ätzt er frei von der Leber weg. Ups! Der Titel heißt doch ganz anders!
Verblüffendstes Lob
Die Talkmasterin lässt sich nicht einschüchtern. Als nächstes meißelt sie den Konflikt zwischen Wirtschafts-und Finanzminister heraus: „Haben Sie die Gasumlage erfunden, weil der Christian Lindner nicht die Verstaatlichung (des Gasversorgers Uniper) wollte? Das ist doch eine ganz einfache Frage!“
Von wegen! „Die Gasumlage war die einzige umsetzbare Option, und jetzt haben wir etwas spät eine andere gefunden“, berichtet Habeck missmutig. „Das tut dann ein bisschen weh, es rumpelt ein bisschen, aber es wird immer wieder passieren, dass wir Wege korrigieren müssen.“
Sein Credo: „Wir können doch in dieser Krise nicht anders handeln, als zu handeln!“
Realistischstes Lagebild
Sogar ein Kompliment für die Union ist noch drin: „Da hat auch die Opposition gute Arbeit geleistet“, fügt der Minister im Stil des fairen Sportsmanns hinzu. „Sie hat den Finger in die Wunde gelegt.“
Der Banker setzt lieber auf Zahlen: Für 2023 erwarte er eine Rezession mit 7,5 Prozent Inflation, 2024 müsse man unter fünf Prozent bleiben. Das sei jetzt die vordringlichste Aufgabe.
Gretchenfrage des Abends
Für die Kernkraftwerke fordert Sewing glatt: „In der Situation, in der wir jetzt sind, sollten wir keine Alternative ausschlagen. Sicherlich bin ich da etwas anderer Meinung als der Bundeswirtschaftsminister.“
„Waren Sie und Christian Lindner froh, als der Kanzler eine Lösung fand?“ erkundigt sich Illner keck.
Oha! „Alle waren froh, dass die Debatte im Mai zu Ende ist“, murrt Habeck. „Wir wollen doch alle, dass wir einen Kanzler haben, der von seinen Möglichkeiten Gebrauch macht!“
Optimistischste Prognose
Über Lindners Deal-Angebot „Tempolimit gegen Laufzeitverlängerung“ spottet Illner: „Sie werden das Thema einfach nicht los, Herr Habeck!“
„Doch!“, grollt der Minister.
Die Talkmasterin grillt ungerührt weiter: „Sind Sie ganz sicher?“
„Naja, Sie machen ja Ihre Sendungen weiter, Sie können ja selber entscheiden, wie das Thema weiter läuft“, räumt Habeck ein. Aber: „Wir werden nächstes Jahr weitere Gaskapazitäten dazubekommen, sodass ein Großteil des russischen Gases ersetzt werden kann. Das wird zu einer sicheren Versorgungssituation auch im süddeutschen Raum führen.“ Amen!
Persönlichstes Bekenntnis
„Ich verstehe jeden, der gerne schnell nach Hause kommt und gerne schnell fährt“, gesteht der Minister dazu. „Das tue ich übrigens auch. Ich habe auch keine Lust, länger auf der Autobahn zu sein.“
Sein ungewöhnlicher Vergleich: „Aber ich warte auch nicht gern in der Supermarktschlange und schubse trotzdem nicht alle anderen weg. Wir haben uns in der Koalition nicht auf ein Tempolimit geeinigt, aber das ist nichts, was ernsthaft diskutiert wird.“
Letzte Mahnung
„Die Atomdebatte ist für diese Koalition mit der Ansage von Olaf Scholz erledigt“, verkündet Habeck zum Schluss, „und wenn man die Autorität des Kanzlers nicht beschädigen will, hält man sich an das, was entschieden wurde.“
„O.k.“, sagt Illner, und das heißt: Du wirst dich noch wundern…
Zitat des Abends
„Wenn man sich selbst die Latte zu hoch legt, wird man am Ende nur unter ihr durchlaufen können.“ Robert Habeck über Außenpolitik und Menschenrechte
Fazit
Fragen ohne Kompromisse, Antworten ohne hohle Durchhalteparolen oder gesteigerten Erhabenheitsdrang: Das war eine Talkshow der Kategorie „Krisengestöber“.