„Maischberger“. ARD, Dienstag, 17.Mai 2022, 22.50 Uhr.
Schweden und Finnland drängen energisch in die NATO, ohne Putins Gas droht uns ein Zitter-Klapper-Winter, und in NRW erlebt die Ampel ein Wahl-Waterloo: Schwer was los in Sandra Maischbergers neuem Dienstagstalk! Die Gäste:
Wolfgang Ischinger (76). Der Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz fordert: „Russland muss seine Truppen hinter die Grenze zurückziehen!“
Igor Wolobujow. Der frühere Vize-Chef der Gazprom-Bank floh in die Ukraine und fürchtet: „Putins Leute finden mich überall.“
Klaus Müller (51, Grüne). Der Chef der Bundesnetzagentur beruhigt: „Summe der Gasflüsse nach Deutschland nahezu unverändert, Gasspeicher sind höher gefüllt als 2021.“
Günther Jauch (65). Der Quizmaster sieht Europas Zukunft am „seidenen Faden“.
Tina Hassel (58). Die ARD-Journalistin wettert über die Politik: „Wie die Junkies an der Spritze haben sie an billiger Energie aus Russland gehangen!“
Helene Bubrowski (40). Die Journalistin („FAZ“) warnt: „Die Grünen wissen, welches Risiko Höhenflüge mit sich bringen.“
Stimmiges Team! Stimmt auch das Teamwork? Das Zoff-o-Meter sieht lieber gelungene Kombinationen als aufgeheizte Klopperei!
Zum Start ein Absage-Rätsel
Ganz kurz vor Sendebeginn erfährt die erstaunte Talkmasterin: Wolobujow wird nicht dabei sein. Schade!
Einleuchtendste Analysen
Bei der NRW-Wahl hat der Kanzler nun aber mal gar nicht gezogen. Das sieht auch Günther Jauch so. Mit Sakko und Einstecktuch sitzt der Quizmaster rechts außen und bilanziert: „Olaf Scholz hat sich weit aus dem Fenster gelehnt. Er war gefühlt auf jedem zweiten Wahlplakat, also er kann sich da jetzt keinen schlanken Fuß machen.“
„Nur ein Drittel der SPD-Anhänger hat gesagt, der Kanzler war wirklich ein Zugpferd“, assistiert ARD-Hassel. „Das ist schon bitter.“
Maischberger zitiert eine alte Fußballerweisheit: „Erst hast du kein Glück, dann kommt auch noch Pech hinzu!“ Den Autor lässt sie allerdings unerwähnt: Ex-Bayern-Star Jürgen „Kobra“ Wegmann. Jauch macht es besser: „Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß. Andreas Brehme!“
Militärischste Attacke
Zum Ampel-Debakels in NRW öffnet Hassel das Sündenregister der Verteidigungsministerin: „Der Hubschrauber-Flug war maximaler Gegenwind“, wettert sie. „Keinerlei Gespür! Eine Frau, die sich nicht für die Truppe interessiert! Die Weihnachten nicht zu den Soldaten gereist ist, ganz anders als ihr Vorgängerin…“
Die Talkmasterin stößt sich vor allem an Christine Lambrechts patziger Antwort auf eine Frage nach den Bundeswehr-Dienstgraden. In Kriegszeiten komme es nicht darauf an, „in einer Quizshow zu bestehen“, motzte die
Ministerin. Maischberger prompt zu Jauch: „Wäre das eher eine 500-Euro-Frage oder eine 16.000-Euro-Frage?“
Humorloseste Antwort
Doch der Quizmaster macht fremde Scherze nur ungern mit: „Vermutlich dazwischen“, antwortet er lahm, „und man kann ja auch fragen, wer die tatsächlich genau auseinanderhalten können muss. Ich bin ein Ungedienter und würde das wahrscheinlich auch nur partiell hinbekommen.“
Aber als Jauch die Enttäuschung im Publikum bemerkt, fällt ihm doch noch was ein: „Sie ist Verteidigungsministerin. Inzwischen ist sie zur Selbstverteidigungsministerin geworden“, witzelt er.
Kleiner Nachschlag: Lambrecht, so der Quizmaster, danke ihren Job dem Proporzdenken, und „dieses Proporzdenken soll übrigens auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gelegentlich…“ Mehr muss er gar nicht sagen.
Knalligstes Minister-Bashing
FAZ-Bubrowski buddelt sich durch Lambrechts Leichenkeller: „Sie war ja vorher Justizministerin, und da ist sie schon aufgefallen, weil sie eine Meisterin darin war, SPD-Genossen mit hohen Posten zu versorgen“, erinnert die Journalistin. „Als sie auch noch Familienministerin wurde, hat sie diesen Doppelhut dazu genutzt, um ganz geschickt Leute unterzubringen.“ Uff!
Die anderen knöpfen sich Karl Lauterbach vor: „Der Gesundheitsminister der Herzen, der jetzt überhaupt keine Herzen mehr entfacht und dafür relativ viel Chaos in seinem Ministerium verunstaltet!“, lästert Hassel.
Ehrlichstes Eingeständnis
„Lauterbach läuft in erster Linie auf dem eigenen Ticket und ist nicht ganz vorne dabei, wenn es darum geht, ein Ministerium vernünftig zu organisieren“, assistiert Jauch.
Maischberger will ihren Gast auch auf dessen Fachgebiet verhören: „Haben Sie den ganzen ESC geguckt?“, fragt sie. Antwort Jauch: „Nein, dafür bin ich inzwischen zu alt. Mir fallen schon Sendungen schwer, die ich selber mache und die dann drei, vier, fünf Stunden dauern…“
Politischstes Statement
Besser liegt dem Quizmaster das Thema Demokratie: „Ich habe bei der NRW-Wahl Bitterkeit verspürt“, gesteht er. „45 Prozent der Wahlberechtigten sind nicht zur Wahl gegangen. In der Ukraine lechzen die Leute nach Demokratie. Die setzen dafür ihr Leben ein! Und bei uns bleiben die Leute zu Hause und hauen dieses demokratische Grundrecht in die Tonne.“
„Da ist mir aufgefallen, welche Kraft die Freiheit, die Demokratie, die Zugehörigkeit zu Europa für andere Länder hat“, wettert Jauch weiter, „während das bei uns in dieser satten Selbstgefälligkeit einfach als selbstverständlich genommen wird und die Leute sich gar nicht mehr groß drum scheren. Das finde ich sehr, sehr schade!“ Dafür gibt’s den ersten Beifall.
Zweispältigste Prognose
Ischinger sichert der Show auch mit seinem Diplomatenlook ein gehobenes Format. „Ich teile den Optimismus, dass die Ukraine im nächsten Jahr besteht“, verrät er, aber: „Ich teile die Skepsis, ob dieser Krieg frühzeitig zu Ende gebracht werden kann.“
Seine Analyse: „Die Prognosen gehen eher in die Richtung, dass das länger dauert. Präsident Selenskyj hat aber in wenigen Wochen den Infokrieg gegen Russland 10:0 gewonnen. Das finde ich toll!“
Kompetentester Lagebericht
„Russland hat seine ursprünglichen Kriegsziele nicht verwirklichen können“, stellt Ischinger dann fest. „Es geht jetzt um einen sich entwickelnden Stellungskrieg, einen Abnutzungskrieg, und das ist der Grund, warum viele Fachleute davon ausgehen, dass das dauert.“
Die Chance auf Frieden, so der Experte, sei erst dann da, „wenn beide Seiten zu der Überzeugung gekommen sind, dass sie den Krieg auf dem Schlachtfeld nicht mehr gewinnen können. Von dem Punkt sind wir weit entfernt.“
Klarste Kante
Über den Nato-Beitritt der zwei Nordländer urteilt Ischinger: „Die Aufgabe der 200jährgen Neutralität ist ein Erdbeben für die Schweden, aber auch für die europäische Sicherheitslandschaft. Das ist eine gute Nachricht für die Sicherheit Europas. Die Lage wird eher stabilisiert als destabilisiert.“
Seine energische Forderung: „Nach dem, was sich die Russen geleistet haben, müssten wir sagen: Jetzt holen wir die Ukraine erst recht in die Nato hinein!“
Dann kommt das Zoff-o-Meter auf Touren
Den Offenen Brief von Alice Schwarzer & Co. an den Bundeskanzler sieht Ischinger deutlich verärgert als „defätistische Absage an das Existenzrecht der Ukraine“ und „moralisch-politische Verdrehung zwischen Täter und Opfer.“ Rumms!
Emotionalste Erinnerung
Auch Jauch wurde von Schwarzer gefragt, ob er den Brief unterschreiben wolle. „Zwei Onkel von mir liegen als Gefallene in russischer Erde“, berichtet er sichtlich bewegt. „Ein weiterer ist in Stalingrad eingekesselt worden und erst Anfang der 50er Jahre aus Sibirien nach Hause gekommen.“
Weitere Gründe für seine intensive Beschäftigung mit dem Thema: „Meine Frau und ich haben aus Sibirien zwei Kinder adoptiert. Ich habe mich mal mit Gorbatschow darüber austauschen können, und er hat mir dann seine Geschichten erzählt. Also ich mache mir da wirklich Gedanken.“
Deutlichste Absage
„Aber ich fand es dann tatsächlich daneben, was dieser Brief wollte“, erklärt Jauch dann. „Er wollte im Grunde die Kapitulation der Ukraine. Er ging auch historisch von völlig falschen Voraussetzungen aus, nach dem Motto: Also gegen eine Atommacht bitte gar nicht erst antreten!“ Dabei hebt der Quizmaster in gespielter Panik die Hände.
Doch, so Jauch weiter: „Die Amerikaner haben den Vietnamkrieg nicht gewonnen. Im ersten Afghanistankrieg hat die Sowjetunion nichts auf die Reihe gekriegt, und am Ende waren es drei Atommächte, die rausgegangen sind und Afghanistan den Taliban überlassen haben!“
Ärgerlichstes Schröder-Lob
Der letzte Einspieler zeigt Putin elf Tage vor Kriegsbeginn mit der dreisten Forderung: „Die Deutschen sollten ihr Portemonnaie aufmachen und sich fragen, ob sie bereit sind, das Drei, Vier- oder Fünffache für Gas, Strom und Heizung zu bezahlen. Wenn nicht, sollten sie Herrn Schröder danken, denn dies ist sein Erfolg, das Ergebnis seiner Arbeit!“
Interessanteste Info dazu: Nach ARD-Hassel „meint man jetzt einen Kniff gefunden zu haben“, von Schröders staatlich-stattlicher Altbundeskanzler-Ausstattung wenigstens „alles, was nicht benutzt wird, einzukassieren.“ Halleluja!
Eindringlichste Warnung
Hassel will noch eine Schuldzuweisung an die Politik loswerden: „Wie die Junkies an der Spritze haben sie an billiger Energie aus Russland gehangen!“
Jauch gruselt sich vor der Stunde der Wahrheit: „Die Nebenkostenabrechnungen kommen im Frühjahr 2023“, orakelt er, „und dann wird ein Heulen und Zähneklappern losgehen!“
Krasseste Kehrtwende
Zum Schluss schlägt Bundesnetzagenturchef Müller locker die Beine übereinander, lächelt die Talkmasterin fröhlich an und teilt mit der ganz großen Info-Kelle Riesenportionen Zuversicht aus: „Das Gas fließt, die Notfallversorgung ist gesichert!“
Allerdings: „Die Speicher sind jetzt bei 42 Prozent, aber gut und beruhigend ist das noch nicht“, schränkt Müller danach gleich ein. „Wenn man sich vorbereiten möchte auf den Herbst, dann muss man jetzt sparen. Das kann man in der Industrie, aber auch bei den Verbrauchern. Die meisten Menschen wissen, wo der Benzinpreis steht. Die wenigsten Menschen wissen, wo der Gaspreis steht.“ Puh!
Sein letzter Satz: „Wenn Sie mit einer Gasheizung ausgestatten sind, dann wird Ihre Heizkostenrechnung immens teuer werden.“ Und damit eine gute Nacht…
Fazit
Geldwerte Infos und knackige Kommentare, die Moderatorin steuerte ohne Bremse durch alle Schikanen: Das war eine Talkshow der Kategorie „Vollgas“.