„maischberger. die woche“. ARD, Mittwoch, 9.Juni 2021, 22.50 Uhr.
Politiker der Großen Koalition haben sich in der ARD-Talkshow „maischberger. die woche“ am Mittwoch einen harten Schlagabtausch geliefert. Dabei schossen CSU-Chef Markus Söder gegen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Der Nachtexpress des deutschen Prime-Talks startete mit Top-Personal zur Fahrt in die Sommerpause: Söder und Scholz mussten auch die Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt erklären. Dazu Kicken und Corona: Das Bordprogramm passte! Die Gäste:
Söder stellte auf „Freie Schiene voraus“: Die Wahl in Sachsen-Anhalt sei ein „wichtiges Signal“ für die Union.
Scholz spielte am bösen Wahlabend zu Hause in Potsdam Mäuschen, setzte jetzt aber die SPD-Lok wieder unter Dampf.
Der Virologe Prof. Hendrik Streeck (43). mahnt zur Vorsicht: Kinder erst impfen, wenn alle Studien vorliegen!
Der ehemalige ARD-Sportmoderator Gerhard Delling schrieb ein bewegendes Buch über seine Oma, die nach dem Krieg am Nord-Ostseekanal einen Schrottplatz managte.
Die Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld (WELT) schwingt für Grün die rote Kelle: „Annalena Baerbock hat schwer enttäuscht. Und jetzt kommt auch noch ihr Lebenslauf…“
Die Chefredakteurin Melanie Amann („Spiegel“) steht nach der üblen Kampagne gegen Gesundheitsminister Jens Spahn nun selber am Pranger.
Zwei Meinungspanzerzüge auf Kollisionskurs. Wie laut wurde der Knall?
Zum Start ging es allerdings nicht um Kanzlerkandidaten, sondern um König Fußball: ARD-Delling hatte als Gewinner der Woche die U21-Europameister auf dem Zettel.
Spannendste Statements
Die WELT-Chefin machte mit einer Anekdote Stimmung: 2002 malte sich FDP-Chef Guido Westerwelle als Kanzlerkandidat die erhoffte Prozentzahl „18“ auf die Sohle. Prompt spottete SPD-Generalsekretär Franz Müntefering: „Mit einer 18 sitzt du bei uns auf der Reservebank!“
Rosenfelds Pointe: „Olaf Scholz ist jetzt Sturm auf dem Feld mit 14 Prozent!“
„Spiegel“-Amann hielt dagegen: „Es gibt zum Beispiel das Szenario, dass es für Frau Baerbock dermaßen schlecht läuft, dass die Grünen noch mal richtig abschmieren und hinter der SPD landen. Dann kann vielleicht Herr Scholz noch durchstarten!“
Aufschlussreichste Signale
Söder ließ sich aus München zuschalten. Hinter ihm prangte nicht wie sonst die stolze Nürnberger Burg, sondern Natur pur in Gestalt von grünem Blattwerk.
Weil die Teetassen des CSU-Chefs oft Filmmotive zeigen, hoffte die WELT-Journalistin auf Erhellendes: „Ich warte darauf, dass er den ‚Highlander‘ mitbringt“ und zitiert: „Es kann nur einen geben!“
Passendste Figur
Die Talkmasterin wurde neugierig: „Würden Sie bitte mal Ihre Tasse hochhalten?“ fragte sie Söder. „Alle Menschen denken, die Tassen sind Botschaften!“
Der CSU-Chef tat ihr den Gefallen. „Spiderman!“ staunte Maischberger. „Was sollen wir über Spiderman denken?“
„Spiderman ist cool“, klärte Söder sie auf. „Mir hat er immer gut gefallen, und deswegen dachte ich mir, angemessen für diese Runde! Etwas, was mir gut gefällt!“
Passt! Das bekannteste Zitat aus dem Superhelden-Film lautet: „Aus großer Macht folgt große Verantwortung!“
Zufriedenste Feststellung
Die Talkmasterin piekste den CSU-Chef mit der Frage an, ob die CDU in Sachsen-Anhalt noch mehr Prozente geholt hätte, wenn er der Kanzlerkandidat wäre.
„Nein“, antwortete Söder. „Es ist tatsächlich so, dass Reiner Haseloff diese Wahl gewonnen hat, mit einem sehr klaren Kurs. Er ist ja vor einem knappen halben Jahr ein sehr großes Risiko eingegangen, indem er klar Schiff gemacht hat, in seiner Regierung, in seinem Landesverband, um eine Brandmauer gegen die AfD zu formulieren.“
Deutlichste Loyalitätsbekundung
Über seine kurze Kanzler-Ambition sagte der CSU-Chef: „Ich habe das für mich übrigens auch völlig reinen Herzens entschieden. Es war ein Angebot, das ich gemacht habe. Es ist auch nicht in die Wiege gelegt, dass CSUler eine gemeinsame Kanzlerkandidatur machen.“
Und noch mal: „Ich habe ein Angebot gemacht. Es gab sehr viele, die fanden das gut. Am Ende ist anders entschieden worden, und das ist völlig o.k. Deshalb volle Rückendeckung für Armin Laschet!“
Spannendste Nachfrage
Maischberger spitzte die Aussage zu: „Also ist Armin Laschet jetzt der Kandidat der Herzen, auch für die Bayern?“
Söder zuckte nicht mit der Wimper: „Auf jeden Fall!“ bestätigt er. „Wieso zweifeln Sie daran?“
Der Talkmasterin schnappt nach Luft: „Mhb! Also! Man konnte Zweifel haben aus den Äußerungen, die der Generalsekretär der CSU gemacht hat. Aber wenn das jetzt vorbei ist…“
Klarste Begründung
„Am Ende gab es zwei gute Kandidaten“, schilderte Söder seine Sicht. „Wir haben das ja erlebt, in den Landesverbänden. Aber am Ende gab es eine Abwägung. Für mich war eines ganz klar: Es macht nur dann einen Sinn, für den Vorsitzenden der kleineren Partei, wenn es eine nahezu hundertprozentige Aufforderung und Akzeptanz gibt.“
Ungewohnteste Selbstbeschreibung
„Die Union muss sich modern in die Zukunft präsentieren“, forderte Söder dann. Zum Wahlprogramm wolle er jetzt aber nichts sagen, sonst heiße es: „Schon wieder prescht Markus Söder vor und setzt Armin Laschet unter Druck!“
„Und das will ich als treuer und braver gemeinsamer Wahlkämpfer nicht tun“, stellte der CSU-Chef klar.
Heiterkeit am Tresen. „Wie wir Sie ja kennen!“ spottete die Talkmasterin.
Klarste Kampfansage
„Wenn die Grünen vor der Union liegen, wäre das ein klares Signal eines grundlegenden politischen Wechsels“, machte Söder deutlich. „Deswegen kämpfen wir dafür, dass das anders ist.“ Aber: „Es wird knapper, als manche glauben.“
Immerhin, so der CSU-Chef: „Natürlich haben die Grünen jetzt auch eine Delle, weil sie erkennbarer Weise mit Ansprüchen, die sie an andere richten, sich selber schwerer tun. Was mir grundlegend fehlt, ist neben intellektueller Bearbeitung der Politik auch klare Angebote für viele Menschen zu machen, die sich all die großen Fragen nicht leisten können.“ Aua!
Härteste Retourklatsche
Über den Maskenstreit um den Bundesgesundheitsminister sagte Söder: „Sollten die Vorwürfe nicht stimmen, sollte also die SPD etwas gefordert und Hubertus Heil etwas gesagt haben, was möglicherweise nicht die Wahrheit ist, dann stellt sich die umgekehrt Frage. Dann müsste diskutiert werden, ob Hubertus Heil noch im Amt bleiben kann!“
Sein Zorn: „Ich wundere mich, was die SPD da macht! Drei Monate vor der Wahl in einer solchen Art innerhalb der Regierung zu agieren, das ist schon eine harte Nummer. Ich bin echt wirklich enttäuscht von der SPD. Das ist übrigens auch für die Zusammenarbeit nach der Wahl eine ziemliche Hypothek!“
Vergeblichste Liebesmüh
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das der Stil von Olaf Scholz ist“, fügte Söder noch hinzu. „Denn Olaf Scholz kenne ich als jemanden, der einen anderen Stil pflegt.“
Kurz darauf saß der Finanzminister im Studio und dachte überhaupt nicht daran, Söder irgendwie Recht zu geben. Im Gegenteil.
„Schließen Sie sich der Forderung an, Jens Spahn solle zurücktreten?“ fragte Maischberger. „Ja oder Nein?“
Doch Scholz versteckte sich lieber hinter seiner Vorsitzenden: Saskia Esken sei „wirklich sehr empört“ und „persönlich sehr berührt“, schwurbelte der Minister. „Das ist ein Punkt, wo man ganz genau sich äußern muss. Jedes Detail!“
Seine Hoffnung: „Ich bin ganz sicher, dass die Journalisten noch lange nachfragen werden!“
Dann ging der Zoff los
Die Talkmasterin wurde langsam ungeduldig: „Sie (Esken) hat gesagt, wenn das ein SPD-Minister wäre, wüsste sie, was zu tun ist!“
Doch der Pudding ließ sich nicht an die Wand nageln: „Das ist ein Thema, mit dem man sich jetzt sehr auseinandersetzen muss“, dozierte Scholz. „Und deshalb will ich noch mal dazu sagen, ist das eine Frage, die sich jetzt sich auch alle Beteiligten gut vorlegen müssen, wo sie sich prüfen müssen, indem sie die Frage beantworten.“ Uff!
„Warum wollen Sie denn keine Antwort geben?“ wunderte sich die Talkmasterin.
„Ich sage, dass es jetzt Fragen zu beantworten gibt“, wand sich Scholz, „und ich habe meinen eigenen Stil, und der hat damit zu tun, dass ich mich in dieser Frage immer sehr so verhalte, wie das viele Bürgerinnen und Bürger von mir kennen und sagen, hier ist Aufklärung notwendig, und das ist der Punkt, an dem wir uns jetzt befinden.“ Halleluja!
Belastbarster Blitzableiter
Auf den Vorwurf mangelhafter Aufsicht beim Wirecard-Betrug reagierte der Finanzminister mit schadstoffabweisender Empörung in Teflon-Qualität: „Ein ganz schlimmes Verbrechen! Großes Problem, dass die Wirtschaftsprüfer nichts entdeckt haben! Und natürlich ist es auch so, dass die Institutionen nicht vorbereitet waren auf eine solche Situation.“
Aber, so sein unverhülltes Eigenlob: „Deshalb habe ich in ganz kurzer Zeit alle die Probleme aufschreiben lassen und Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht, die jetzt fertig geworden sind, was ohne dieses forsche Vorgehen nicht gelungen wäre.“ Heidewitzka, Herr Kapitän!
„Mit anderen Worten: Sie haben alles richtig gemacht“, stichelte die Talkmasterin.
Da drückte Scholz die Brust raus wie einst Martin Schulz. „Ich habe das Richtige getan!“ erwiderte er etwas ungnädig. „Und ja, das ist eine ganz entschiedene Leistung, weil, die meisten anderen hätten sich damit beschäftigt zu sagen, lass uns mal abwarten.…Ich habe von Anfang an mit aller Kraft und mit großer Kraft dafür gesorgt … Auf diese Reform bin ich sehr stolz.“ Amen!
Fazit
Die Polit-Profis im Alpha-Modus, die Talkmasterin voll auf Zwick, Bohr und Nerv, die Fragen punktgenau, die Antworten unfreiwillig erhellend: Das war eine Talkshow der Kategorie „Verhör dritten Grades“.