„Anne Will: Die SPD wählt linke Spitze – zerbricht jetzt die GroKo?“ ARD, Sonntag, 2.Dezember 2019, 21.45 Uhr.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag die neue SPD-Spitze heftig attackiert.
Wörtlich sagte der Politiker, der seinerseits als möglicher Merkel-Nachfolger gehandelt wird: „Wir können nicht jedes Mal, wenn der Vorsitzende wechselt, den Koalitionsvertrag neu verhandeln! Sie reden Ihre eigenen Erfolge klein!“
Besonders scharf kritisierte Laschet den designierten Co-Chef Norbert Walter-Borjans für dessen Arbeit als Finanzminister in NRW (2010-2017): „In Ihrem ersten Haushalt haben Sie die Verschuldung so exorbitant hochgetrieben, dass das Verfassungsgericht dem Landtag untersagt hat, so viele Schulden aufzunehmen!“ donnert er den SPD-Mann an. Schluss mit Höflich!
Noch härter ging der Journalist Christoph Schwennicke, Chefredakteur der Politikzeitschrift „Cicero“, mit dem neuen Führungsduo ins Gericht: „Dieser Neuanfang könnte zu einem weiteren Abstieg der SPD führen“, sagte er voraus und nahm die beiden SPD-Führungsfiguren massiv auf die Hörner: „Sie haben nicht genügend Führungserfahrung! Ich stelle Ihre Eignung klar in Frage!“
„Wir haben den Landeselternbeirat Baden-Württemberg demokratisiert!“ wehrt sich die Bundestags-Hinterbänklerin Saskia Esken etwas unglücklich. „Der war mit der SPD als zerstrittener Laden vergleichbar!“
Erste Duftmarken
Bei ihrer Premiere im sonntäglichen Hochamt der deutschen Talkgemeinde war Esken zunächst mit einem vergorenen Kompliment gestartet: „Ich hoffe sehr, dass wir auf die wertvolle Arbeit von Herrn Scholz nicht verzichten müssen!“ sagte sie und verzog dabei keine Miene.
Walter-Borjans faltete sogar die Hände über dem Knie: Die Wahlbeteiligung von knapp über 50 Prozent der SPD-Mitglieder sei „absolut ausreichend“ und habe das Verfahren „eindrucksvoll bestätigt“. Hm.
Beunruhigendste Prognose
Die Politologin Ursula Münch goss prompt Wasser in den Wein: „Jetzt wird das Gezerre weitergehen“, sagte sie voraus. Ob die Neuen die Kluft zwischen Partei und Fraktion wieder schließen können, sei „zweifelhaft“.
Kann Scholz Finanzminister bleiben? will Will wissen.
„Ja!“ antwortete Walter-Borjans rasch, schränkte aber gleich ein: „Es kommt jetzt darauf an, wie sich beide Seiten (Union und SPD) verhalten.“
Coolster Kommentar
Die Talkmasterin saß zwar im friedensstiftenden Goldsamtblazer Model Weihnachtsengel zwischen den streitenden Parteien, war aber mit den bisherigen Antworten deutlich unzufrieden. Jetzt forschte sie bei Laschet nach, wie der Finanzminister auf die Schlappe reagieren werde: „Würden Sie denn weitermachen?“
Der Ministerpräsident zuckte die Achseln: „Er ist ein sehr pflichtbewusster Mensch“, lobte er Scholz. Höflichkeit unter Kollegen!
Klarste Absage
Und wenn er nicht weitermacht? bohrte Will.
„Dann wird die SPD einen neuen Finanzminister benennen“, sagte Laschet kühl und feixt sich eins.
„Sie?“ fragt Will und guckte Walter-Borjans an, einst Finanzminister im größten Bundesland.
„Nein!“ kam die Antwort, und sie klang sehr bestimmt.
Härteste Kritik
Laschet wollte mit Diplomatie punkten: „Jeder Koalitionspartner bestimmt seine Führung selbst…“
Walter-Borjans versuchte Licht auf seine Fähigkeiten lenken: Er habe seinen Landeshaushalt ins Plus…“
„Stimmt das, Herr Laschet?“ fragte Will.
„Die GroKo ist fertig!“ freute sich die Linke-Chefin Katja Kipping.
Klarste Kante
Auch Esken bekam noch ihr Fett weg. „Es gibt offensichtlich eine unterschiedliche Interpretation zwischen Ihnen und Ihrer Fraktion“, hielt Politologin Münch der SPD-Hinterbänklerin vor.
„Auf das, was wir erreicht haben, können wir stolz sein!“ rief Walter-Borjans trotzig.
Deutlichste Warnung
Schwarze Null, Mindestlohn, Klimapaket: „Sie legen es auf Themen an, mit denen Sie es knallen lassen können!“ machte Schwennicke dem SPD-Politiker an. „Aber mit Neuwahlen können Sie im Moment keinen Blumentopf gewinnen!“
Kernfrage des Abends
Laschet setzte den beiden SPD-Politikern die Koalitions-Pistole auf die Brust: „Wollen Sie drinbleiben oder wollen Sie raus?“
Esken wand sich: „Es geht um die Sache!“
Politologin Münch wies noch mal auf die „offene Dissonanz zwischen Partei und Fraktion“ der SPD hin: „Wer entscheidet das?“ fragte sie.
Damit lockte sie endlich eine substantielle Aussage hervor: „Ein Koalitionsvertrag wird zwischen Parteien geschlossen, nicht zwischen Fraktionen!“ antwortete Esken. Rumms!
Strengster Verweis
Die Linke-Chefin wollte auch noch was sagen, aber die Talkmasterin bügelte sie brutal ab: „Das ist nicht Ihre Sendung, Frau Kipping, sondern meine!“
Dann aber bekam die Linke-Chefin doch noch ein bisschen Redezeit, für die romantischsten Idee des Abends: „Wir wollen einen Öko-Bonus nach dem Robin-Hood-Prinzip!“ sagte sie und meint damit eine verbriefte Rückzahlung an die Kleinen.
Denn: „Kein Bürger glaubt, dass, wenn ihm erst mal die Öko-Steuer abgenommen worden ist, er davon was wiederkriegt!“ Tja – wo sie Recht hat…
Schlappstes Zugeständnis
Walter-Borjans bliebt bis zum Schluss on der Rolle des freundlichen Opas und damit auch in der Defensive: „Nicht alles, was die GroKo gemacht hat, ist falsch“, meinte er lahm.
Schwennicke drehte die Moralboxen voll auf: „Ich hielte es für ein Gebot des politischen Anstands, dass Olaf Scholz zurücktritt!“ orgelte er.
Fairste Mitleidsbekundung
„Sie verlangen, dass sich Ihr Finanzminister bei der Schwarzen Null über seine eigene Haltung hinwegsetzt!“ hielt Will den Scholz-Gegnern vor.
Und Esken setzte ein ironisches Schlusswort drauf: „Ich bin in der Lage, in diese Aufgabe hier hineinzuwachsen“ versprach sie und konstatierte: „Ich finde, wir vertragen uns eigentlich bestens!“ Tri-tra-trallala…
Wildes Durcheinanderreden mit unterkomplexer Klimapropaganda und populistischer Problemklempnerei, an und zu auch eine Bauchlandung in der Gimpelfalle – dieser Talk war ein deutliches „GroZofft is!“.