„Maischberger“. ARD, Dienstag, 23.November 2022, 23.35 Uhr.
Enttäuschung über die schlappen Erträge beim Klima-Gipfel in Ägypten, Ernüchterung über den geringen Einfluss von Klima-Primus Deutschland in der Welt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will heute bei Maischberger neue Kräfte wecken. Beim Bürgergeld punktet die Opposition. Die Gäste:
Cem Özdemir (56). Der Landwirtschaftsminister schimpft: „Wenn man Gründe möchte, warum wir nicht mehr für den Klimaschutz tun, werden wir sie immer finden!“
Nora Seitz (38). Die Inhaberin einer Traditionsfleischerei in Chemnitz klagt: „Das Bürgergeld bestraft jene, die schuften. Wir entfernen uns so weit vom Fördern und Fordern wie ein Veganer vom Gulasch!“
Susanna Hansen (64). Die Hartz-IV-Bezieherin vom Hashtag IchBinArmutsbetroffen ärgert sich: „Ich brauche keine Spartipps von Politikern. Da fühle ich mich verhöhnt!“
Anna Schneider (32). Die „Chefreporterin Freiheit“ (WELT) lästerte beim Bürgergeld-Plan: „Deutschland will sich also de facto ein sechsmonatiges bedingungsloses Grundeinkommen gönnen!“
Hajo Schumacher (58). Der Journalist (Funke) spottet über die geplante Bargeld-Grenze von 10.000 Euro ironisch: „Das Bürgergeld ist noch nicht mal durch, da lässt’s der arbeitsscheue Pöbel schon krachen!“
Gerhard Delling (63). Der Ex-ARD-Sportjournalist lobt das Energiesparen: „Ich war schon immer der, der dafür sorgt, dass das Licht aus ist!“
Politik und Praxis mit Medienprofis und Publikum. Gibt’s Klarheit und Wahrheit!
Präzisestes Positionsspiel
Gleich nach Anpfiff holt Maischberger Statements zum Schnappatmungsthema Katar ab. Das erste vom Sportsfreund Delling, der Peter Fonda immer ähnlicher wird. „Kann das mit rechten Dingen zugehen?“, rätselt der Ex-Moderator über die Wahl des WM-Wüstenzwerglands.
Dann zählt Delling die Eigentore auf, die der Weltverband schoss: „Es gibt kein Wetter dafür, keinen Markt, die Zeit passt nicht. Also liegt die Vermutung nahe, dass es einen anderen Grund haben muss!“ Stimmt. Sogar 1,7 Milliarden Gründe: So hoch schätzt die Fifa ihren Gewinn in Euro.
Überlegteste Blutgrätschen
Kollege Schumacher hebt anklagend die Hände: „Diese WM ist wichtig, weil sie den Gipfel des Irrsinns sehr gut markiert!“, spottet er.
WELT-Schneider wundert sich über das widerstandslose Einknicken des DFB nach dem Verbot seiner vorher so begeistert gepriesenen „One Love“-Armbinde: „Seit ich den Start dieser WM erlebt habe, glaube ich wirklich, wir leben in einer Simulation!“, ätzt sie. „Wenn man den Fußball politisiert, sollte man auch die Konsequenzen im Kopf haben!“
Strengste Regelauslegung
„Entweder durchziehen oder nicht!“, schlägt die Journalistin als Lösung vor. So „grenzt es an Lächerlichkeit!“
„Wenn man schon ein Zeichen setzen will, darf man nicht darüber nachdenken, was das für Sanktionen nach sich ziehen könnte“, assistiert Delling, „sondern dann muss man für das Thema stehen.“ Uff!
Hoffnungsvollste Befreiungsschläge
„Wir haben jetzt wieder den gleichen Effekt!“, murrt Schumacher. „Es wird viel mehr darüber geredet, dass diese Regenbogenbinde nicht getragen wird! Aber es wird in Katar auch kein koscheres Essen für Menschen jüdischen Glaubens serviert. Ich fand es toll, dass die Fußballkommentatorin Claudia Neumann so ein T-Shirt und so eine Binde hatte.“
Schneider findet den DFB „genauso peinlich wie die, die überall ‚Diversity‘ und ‚unsere westlichen Werte‘ schreien, und wenn’s dann darum geht, ist das Rückgrat einfach weg.“ Rumms!
Überraschendste Idee
„Ich habe heute den Vorschlag gehört, und den finde ich genial: Die Spieler laufen alle mit Haarfarbe, also als Regenbogen gefärbten Haaren auf“, berichtet Delling in sichtlicher Vorfreude. „Das wäre sehr lustig! Ich glaube, dass sie jetzt schwerstens darüber diskutieren!“
„Es gibt ja immer diese Unterhemden, wo irgendwelche Fotos oder Sprüche drauf waren“, vermutet Schumacher. „Geht alles, wenn man möchte. Mal gucken. Obwohl, bei dieser Hitze…“
Überfälligster Freispruch
Die Journalistin nervt die „Doppelmoral vor allem in öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, denn „da werden für Millionenbeträge die Rechte gekauft, und dann werden ganz viele Sendungen gezeigt, wie böse dieses Land ist und dass man vielleicht doch lieber nicht zuschauen sollte!“
„Das finde ich ganz schlimm!“, ärgert sie sich. „Warum zahle ich das dann mit meinen Gebühren? Niemand ist ein böser Mensch, weil er sich Fußball anschaut! Ich werde schauen, und ich finde daran nichts verwerflich.“
Erhellendste Episode
Landwirtschaftsminister Özdemir hat eine Tochter bei „Fridays For Future“, eine Wärmepumpe im Probelauf und zwei Varianten für seinen Anrufbeantworter. In der schwäbischen forderte er, so der Minister jetzt zu Maischberger, landesüblich nach dem „Grüß Gottle“ dazu auf, „aufs Band zu schwätze“.
Doch als türkische Freunde es „furchtbar“ fanden, dass er Dialekt sprach, ändere der Grüne die Ansage. Jetzt lautet sie: „Wir nicht sein zu Hause. Du können sprechen Nachricht. Du warten, bis kommen Signalton. Du sprechen jetzt.“ Bäm!
Verblüffendste Antwort
„Es ist ein sehr großes Rad, das ich da drehe“, berichtet der Minister zu seiner geplanten Tierhaltungskennzeichnung. „Alle Vorgänger sind daran gescheitert. Es geht nur, wenn die Verbraucher Druck machen.“
Die Talkmasterin stellt sofort die Gretchenfrage; „Wieviel teurer wird das Fleisch?“
„Erst mal gar nicht, denn Sie entscheiden als Verbraucher, für welche Nutztierart Sie sich entscheiden“, behauptet Özdemir und formt mit den Zeigefingern einen Bildschirm: „Ich informierte Sie ja nur.“ Echt jetzt?
Hoffnungsvollstes Beispiel
Damit ist Maischberger aber nicht zufrieden: „Schade!“, seufzt sie. „Eigentlich wollen Sie ja, dass die Haltung besser wird. Sie können das aber nicht bestimmen, sondern nur kennzeichnen.“
„Der Staat darf nicht werten“, doziert der Minister. „Ich darf als Staat nicht sagen, das ist B, und das ist super, sondern ich muss eine neutrale Information zur Verfügung stellen. Wie bei den Eiern: Da haben sich die Verbraucher klar für höhere Haltungsformen entschieden.“
Beim Fleisch werde das genauso sein, glaubt Özdemir, das würden alle Umfragen zeigen. Sein wenig überraschendes Problem: Was die Verbraucher sagen und was sie machen, unterscheide sich manchmal.
Persönlichste Planung
„Wir schaffen es nicht, dass in Deutschland in jeder Schule vollwertiges Essen für jedes Kind zur Verfügung steht!“, wettert der Minister dann und haut erbost die Handkante durch die Studioluft. Dafür gibt‘s Beifall und einen Schluck aus dem Wasserglas.
„Sie können uns ja mal sagen, was Sie an Weihnachten essen, als Vegetarier“, grient die Talkmasterin dazu.
„Ich weiß es noch nicht“, antwortet Özdemir. „Ich bin so sehr im Workload, das ich mir noch keine Gedanken gemacht habe. Pfffft – wahrscheinlich Pasta. Ich bin ein großer Fan von Pasta. Pasta, schöner Rotwein…“ Prost und Halleluja!
Unliebsamste Erinnerung
Die Katar-Frage bringt den Minister kurz aus dem Takt: „Wenn man schon über Fußball redet: Wie ist eigentlich das Wintermärchen nach Deutschland gekommen?“, grollt er über den Sommer 2006. „Darüber reden wir in Deutschland auch nicht. Stichwort Korruption. Das wäre auch mal ein spannendes Thema. Da ist gerade viel Heuchelei dabei!“
Fröhlichste Zusage
Danach wünscht sich Maischberger einen Kommentar dazu, „dass der Anbau von Cannabis eine ganz schlechte CO2-Bilanz hat“. Heiterkeit im Studio! Alle haben sofort Özdemirs verräterische Ice-Bucket-Fotos vor Augen, vor den entlarvenden Hanfpflanzen auf seinem Balkon.
„Das muss nicht sein, wenn der Anbau mit LED-Leuchte und erneuerbarem Strom ist“, fachsimpelt der Minister lustig drauflos. „Das Gesetz kommt hoffentlich in dieser Legislaturperiode. Ich werde meinen Beitrag dazu leisten. Versprochen ist versprochen.“
„Da spricht der Kenner“, ulkt die Talkmasterin. „Man kann auch ohne Konsument (zu sein) sich für Dinge einsetzen“, amüsiert sich Özdemir, „mit LED-Leuchten habe ich Erfahrung.“ Alter Schlingel! Ob das auch die Suchtprävention so lustig findet?
Emotionalstes Bekenntis
Dann wird Özedmir aber gleich wieder ernst. „Mir ist es nicht an der Wiege gesungen worden, dass ich mal im Kabinett sitzen würde“, erzählt er und zuppelt sich mit beiden Händen den Schlips zurecht: „Deshalb ziehe ich das hier an, weil mir mein Vater gesagt hat: Du vertrittst dieses Land, benimmt dich anständig!“
Sein Credo: „Ich versuche immer, das, was ich mache, möglichst gut zu machen. Das hat auch was mit Dankbarkeit zu tun. Es ist eine Ehre, diesem Land dienen zu dürfen!“ Dafür gibt’s besonders viel Applaus.
Typischste Beispiele
In der Fleischerei von Nora Seitz (vierte Generation seit 1932) arbeiten die ganze Familie einschließlich Oma und sieben Angestellter, alles Frauen. „Jetzt ist es existenzbedrohend“, schildert sie ihre Probleme und zählt auf: „Energie, Preissteigerungen, Konkurrenz der Fleischindustrie…
Hartz-IV-Empfängerin Susanne Hansen ist freie Journalistin, geschieden, hat mit ihrem Sohn zusammen 102 Euro pro Woche, Ex-Ehemann insolvent. Ihre Probleme: Steigende Stromkosten, Kleidung für Teenager könne man nicht second hand kaufen, da müssten Freunde helfen, dazu die fehlende Wertschätzung der Leistungsgesellschaft. Uff!
Schwerwiegendste Anklagen
„Die Politik ist im Moment darauf aus, Arme gegen Ärmste auszuspielen!“, beschwert sich Hansen. „Viele Arbeitnehmende haben es sehr schwer, aber es darf nicht sein, dass das auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen wird, die wirklich ums Überleben kämpfen. Viele sind psychisch krank und haben Angst.“
„Wir werden im Moment gegen die Industrie ausgespielt“, klagt Seitz. „Wir treiben das Handwerk immer weiter an den Rand der Bedeutungslosigkeit.“
Ihr Vorwurf: „Wir Unternehmer werden sofort sanktioniert. Einen Tag zu spät mit der Krankenkasse, schon bekommen wir den ersten Mahnbescheid, dann wird das Konto gesperrt.“ Sie hoffe aber trotzdem, dass ihre Firma auch noch die 100 schafft. Viel Glück!
Zitat des Abends
„Im echten Leben würde die FDP auf der Seite der Union stehen, was Leistungsorientierung angeht.“ Anna Schneider über das Bürgergeld
Fazit
Spannende Themen, wichtige Fragen, interessante Infos, aber bei den politischen Antworten sehr viel Sowohl-als–auch und Einerseits-andererseits: Das war eine Talkshow der Kategorie „Ausbaufähig“.