„Hart aber fair: Frieren im Winter, bangen um Jobs: Was kommt, wenn uns das Gas ausgeht?“ ARD, Montag, 15.8.2022, 21.45 Uhr.
In der Schwüle droht die Kühle: Mitten in der Sommerhitze zittern viele Deutsche vor der Heizkosten mit ihren eiskalten Konsequenzen. In „Hart aber fair“ sorgt sich auch Frank Plasberg. Seine Gäste:
Saskia Esken (60, SPD). Die Parteichefin verspricht: „Die Entlastungen werden kommen. Privathaushalte und systemrelevante Einrichtungen müssen in einer Gasmangellage ganz klar Priorität haben!“
Jens Spahn (42, CDU). Der Parteivize schimpft volles Rohr: „Wenn es um Belastungen geht, ist sich die Ampel schnell einig, aber bei den Entlastungen wird gestritten statt entschieden!“
Verena Bentele (40). Die VdK-Präsidentin warnt: „Wenn an den Privathaushalten gespart wird, sind wir mitten in einer sozialen Krise!“
Christian Kullmann (53). Der Chemie-Boss („Evonik“) fürchtet einen „Herzinfarkt der deutschen Wirtschaft„: „Die Industrie ist wichtiger als die vollständige Versorgung von Privathaushalten!“
Klaus Müller (51, Grüne). Der Chef der Bundesnetzagentur hofft: „Wenn alle genug einsparen, kommt Deutschland ohne größere Schäden durch diesen Winter.“ Viel Glück!
Talk-Profis aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Das Zoff-o-Meter misst Realitätssinn und Aggressionsdichte.
Mutigstes Versprechen
„Seit heute wissen wir, was auf den steigenden Gaspreis noch oben drauf kommt, als Gas-Umlage“, meldet der Talkmaster und witzelt: „Sozusagen ein saures Sahnehäubchen!“
Die SPD-Chefin hat sich in schwarz-weißen Giraffen-Print gewagt und gibt gleich mal eine Runde Süßstoff aus: „Die Regierung hat schon im Februar/März Entlastungen von 30 Milliarden Euro beschlossen“, lobt sie ihre Truppe, „und wir hoffen doch, dass wir mit weiteren Entlastungen alle unterstützen können, die sich nicht selbst helfen können.“ Frohlocket!
Berechtigtster Vorwürfe
Spahn gießt eifrig Wasser in den Sozialwein: „Ich finde es in der aktuellen Lage fast zynisch, dass der Staat auf eine Umlage, die er selbst erhebt, noch 19 Prozent Mehrwertsteuer draufschlägt!“, wettert er.
Dann bohrt er den Finger in die Wunde: „Beim Entlasten hält uns der Kanzler seit Wochen hin“, beschwert er sich. „Jeden Tag ein Vorschlag, aber nichts wird entschieden! Keine Führung! Der Wirtschaftsminister und der Finanzminister sind jeden Tag im Streit!“
Süffigster Vergleich
Chemie-Kullmann outet sich als sozialismusresistent: „Wir können nicht nach dem Kinderschüttelreim agieren: Erst essen wir alle deins, und dann isst jeder seins“, mahnt der Manager. „Soziale Marktwirtschaft bedeutet: Wir alle sind jetzt aufgerufen, Lasten zu tragen!“
„Für die chemische Industrie läuft es gut, weil wir Gas haben“, fügt der Evonik-Chef hinzu. „Wenn wir kein Gas mehr haben, läuft es schlecht. Diese Umlage fühlt sich für uns an wie eine Flasche Lebertran, die wir auf Ex trinken. Aber wir stehen dazu!“
Hitzigste Beifalls-Battle
„Die chemische Industrie und andere hat in den letzten Jahren irre Gewinne ausgeschüttet“, murrt die VdK-Präsidentin, „und jetzt muss ich meinen Mitgliedern sagen: Du musst leider die Gas-Umlage bezahlen, damit die Industrie weiter Gewinne ausschütten kann!“ Dafür kräftiger Beifall.
„Was soll ich meinen Mitgliedern sagen?“, fragt sie den Konzernchef. „Können Sie mir einen Briefentwurf diktieren?“ Kullmann kann: „Die Volkswirtschaft muss Geld verdienen“, erklärt er umstandslos. „Die Arbeitnehmer brauchen gute Jobs, damit sie Steuern zahlen und der Sozialstaat finanziert werden kann.“ Auch dafür dicker Applaus. Das geht ja gut ab!
Schmeichelhafteste Vorstellung
Den Bundesnetzagenten stellt Plasberg launig als „den wichtigsten Mann überhaupt vor“, denn „er ist im Moment so etwas wie der Mister Gas.“ Horrido!
Müller nutzt seine neue Wichtigkeit gleich mal zu einem Rache-Tritt gegen den CDU-Vize: „Gesetze, die schnell gestrickt werden, haben manchmal Kinderkrankheiten“, grient er in Richtung des Ex-Gesundheitsministers. „Ich bin sicher, Herr Spahn hat da viel Verständnis für, aus seiner Erfahrung…“ Hoho! Beifälliges Gelächter im Saal.
Verbindlichster Dank
Kullmann war vorher Kommunikationschef seines Konzerns und das merkt man: „Ich bin dem Herrn Müller und auch dem Herrn Minister Habeck sehr dankbar“, lächelt der Manager im schönsten Diplomatensound, „weil sie sagen: Weil wir keine sozialistische Krake sind, setzen wir uns gemeinsam mit der Industrie hin und überlegen, was geht.“ Alter Schwede!
Und gleich noch mal: „Für diesen Austausch hinter verschlossener Tür“, treibt der Manager die Charme-Offensive weiter voran, „sind wir dem Herrn Habeck und dem Herrn Müller einfach eines: sehr dankbar!“ Müller nickt, das Publikum klatscht, nur Spahn hat Mecker, aber das geht im Beifall unter.
Innigstes Ablästern
Auch die VdK-Präsidentin will bei dem Grünen punkten: „Herr Müller will ja gar keine Macht hier beanspruchen“, kontert sie den Talkmaster. „Der arme Mann hat immer geseufzt neben mir.“ Heiterkeit im Publikum! Zufrieden gönnt sich der Agenturchef einen entspannten Schluck aus dem Wasserglas.
Plasberg sucht das Haar in der Suppe: „Herr Habeck hat mal gefragt, absoluter Vorrang für Privathaushalte vor der Industrie, ist das wirklich so richtig?“, zitiert er den Wirtschaftsminister und schiebt eine kleine Bosheit hinterher: „Herr Habeck denkt ja immer viel nach…“
„Aber so ganz einfach kann man diesen Vorrang auch mit philosophischer Kompetenz von Herrn Habeck nicht über Bord werfen“, spottet die VdK-Präsidentin. Uff!
Kernigste Frage
Dem konfliktfrohen Talkrottenführer wird es nun doch zu gemütlich, und er quirlt Schärfe in die Soße: „Herr Kullmann ist nicht darauf aus, den Beliebtheitspreis des Abends mit nach Hause zu nehmen“, hofft er.
Plasbergs Auftrag an den Konzernchef: „Wir haben Sie damit vorgestellt, dass Sie diesen absoluten Vorrang der Privathaushalte vor der Industrie in Frage stellen. Trauen Sie sich, das zu begründen?“
Sportlichste Mahnung
Aber hallo! „Arbeit ist nicht nur dazu da, um Geld zu verdienen“, doziert der Manager aus dem Lameng, „sondern Arbeit ist auch sozialer, soziologischer Kitt der Gesellschaft!“
Kullmanns Credo: „Nur wenn wir Unternehmen haben, die wachsen, die gute Löhne zahlen, die investieren und über Innovationen Zukunft schaffen, sind wir auch ein starkes Land und in der Lage, diesen Sozialstaat aufrecht zu erhalten.“
Peinlichste Stille
Zum Schluss holt Plasberg die SPD-Chefin noch mal in die Diskussion: „Frau Esken, 19 Grad in öffentlichen Gebäuden, gilt das eigentlich auch für Schulen?“, will er wissen.
Schweigen im Walde! Nach langen Sekunden druckst die Parteichefin ein „Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht“
heraus. Müller hilft ihr mit einem knappen „Nein“ aus der Patsche. Eskens erleichterter Kommentar: „O.k., Schule ist dann demnach auch eine soziale Einrichtung.“ Kannst du dir nicht ausdenken…
Zitat des Abends
„Jetzt ist keine Zeit für Wasserballett, jetzt ist es Zeit für Brustschwimmen, und da muss der Kopf über Wasser gehalten werden.“ Christian Kullmann
Fazit
Durchhaltefähige Gäste mit eckigen Sprüchen, doch das Zoff-o-Meter war chancenlos, und wie in der Bundesliga gab es nach der langen Sommerpause selbst für harmloses Ballgeschiebe Beifall wie nie zuvor. Das war eine Rede-Show der Kategorie „9-Euro-Talk“.