„hart aber fair: Tod im Mittelmeer, Elend im Lager – ist uns das Flüchtlingsleid egal?“. ARD, Montag, 14.Juni 2021, 21.15 Uhr.
Der Fraktionschef der Christdemokraten (EVP) im Europaparlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, hat in der ARD-Talkshow „hart aber fair“ am Montag einen deutlich konsequenteren Umgang mit Wirtschaftsflüchtlingen gefordert.
Wörtlich sagte der Politiker: „Man muss klarstellen, dass wir uns da nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Das gehört zur Wahrheit dazu: die Entschiedenheit und die Härte. Anders wird es nicht funktionieren!“
Corona bleibt gefährlich, die Bundestagswahl rückt näher, die Klimakrise nimmt weiter Fahrt auf, doch ARD-Talkmaster Frank Plasberg sucht sich ein ganz anderes Thema aus: die wieder wachsenden Flüchtlingszahlen. Seine Gäste:
Weber klagte: „Eine Lösung mit Herz und Verstand scheitert nicht an Europa, sondern am Egoismus einzelner Länder.“
Ex-Parteichef Cem Özdemir (Grüne) beschwerte sich: „Viele deutsche Städte wollen mehr Geflüchtete aufnehmen, aber der Bund bremst!“
Petra Bosse-Huber. Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche, wetterte: „Wo bleiben da die europäischen Werte?“
Die ARD-Moderatorin Isabel Schayani („Weltspiegel“) war gerade in einem Flüchtlingslager auf Lesbos.
Der Kolumnist Nikolaus Blome („Spiegel“) glaubt nicht, „dass wir mit Moralisieren einer Lösung näher kommen“.
Stimmen aus Politik, Kirche und Medien mit viel Erfahrung und klaren Prinzipien!
Realistischster Lagebericht
Plasbergs Gäste saßen erstmals wieder in Abständen wie vor Corona. Zur Einstimmung auf das schwierige Thema erzählte ARD-Moderatorin Schayani die Geschichte einer syrischen Familie mit drei Kindern aus einem Flüchtlingslager auf Lesbos: Damit sie aufs Festland weiterziehen können, ist die Mutter sogar wieder schwanger geworden.
„Ich merke den Kinder die Härte des Lagerlebens an“, schilderte Schayani sichtlich bewegt. „Sie sind ungestüm, schnell frustriert. Ihnen fehlt Struktur.“
Objektivste Kommentare
„Es ist keine humanitäre Notsituation mehr“, erklärte dazu Beate Gminder, Leiterin der EU-Taskforce Migrationsmanagement, in einem ARD-Einspieler. „Es gibt alles, was der Mensch braucht!“
„Wir haben jetzt ein besseres Leben“, freute sich eine griechische Restaurantbesitzerin, nachdem die Zahl der Flüchtlinge zuletzt deutlich zurückgegangen ist.
Klarster Standpunkt
„Die Flüchtlingspolitik seit 2015 ist ein großes Scheitern Europas“, schimpfte Weber. „Es ist, politisch betrachtet, eine der ganz großen offenen Wunden dieses Kontinents!“
Aber: „In den letzten Jahren wurden durchaus auch Fortschritte erreicht. Wir haben auf Lesbos heute weniger Menschen als vor zwei Jahren. Es gibt Sozialprogramme. Anerkannte Flüchtlinge werden unterstützt.“
Die noch offenen Fälle sollen, so der CSU-Politiker, bis Ende des Jahres abgearbeitet sein.
Stärkste Argumente
Özdemir, der solche Diskussionen immer schnell an seine grüne Moralbatterie klemmt, ist auf Anhieb empört: „Das ist gewollte Politik!“ wetterte er über die Lesbos-Lager. „Der Zustand ist nicht erträglich! Das spricht gegen europäische Werte!“
„Die eigentliche Veränderung seit 2015 ist, dass an der griechisch-türkischen Grenze ein Zaun gebaut worden ist“, klärte ihn Weber auf. „Wir Europäer lassen uns an der Außengrenze von Erdogan und sonst jemandem nicht erpressen!“
Lautester Alarmruf
„Recht wird umgesetzt in der Europäischen Union“, berichtete der CSU-Politiker. „Illegale Zuwanderung wird unterbunden, Schlepperbanden wird das Handwerk gelegt!“
Aber: „Wenn es uns nicht gelingt, dass wir bestehendes Recht, Gesetze der EU, die wir als Mitgliedsstaaten miteinander vereinbart haben, umzusetzen“, warnte der Fraktionschef, „dann erzeugen wir echtes Chaos und auch viel Leid auf dieser Welt!“
Vernünftigster Vorschlag
„Erdogan kriegt Milliarden dafür, dass er einen Teil des Flüchtlingsproblems mit verwaltet“, erinnerte Blome, „aber er macht nicht mehr das, was er unterschrieben hat. Vielleicht müsste man da die Schraube ansetzen.“
Niederschmetterndste Zahl
„Wenn man Menschen parkt, in Hoffnungslosigkeit, auch in der Türkei, ist das kein Mehrwert an Humanität!“ klagte die Bischöfin. „Wir haben im vergangenen Jahr in diesem Lager 50 Suizide von Kindern gehabt! Achtjährige, Neunjährige, Zehnjährige! Kleinkinder, die sich schwer verletzen!“
Positivster Kommentar
„Wenn wir über die emotionale Seite reden, sind wir uns alle einig in der Betroffenheit“, konterte Weber. „Aber wir hatten letztes Jahr 12.000 Menschen in dem Lager, und jetzt sind es noch 5500. Es werden weniger.“
Und: „Die Fälle werden abgearbeitet. Mit einer Anerkennungsquote von 70 Prozent! Die bekommen eine Perspektive in der Europäischen Union. Es gibt auch Punkte, wo wir vorankommen. Da darf Europa auch stolz drauf sein, dass wir helfen!“
„Sie werden die Unterstützung der Bürger Europas nicht gewinnen“, mahnte der CSU-Politiker, „wenn sie nicht wissen, dass das Recht, das wir in den Parlamenten beschließen, an der Außengrenze umgesetzt wird!“
Ungewöhnlichstes Beispiel
ARD-Schayani erzählte von einem Ehepaar, das nach 21 Monaten im Lager Reisedokumente für Flüchtlinge bekam, nach Athen fuhr und von dort nach Düsseldorf flog.
„Warum Deutschland?“ wollte Plasberg wissen.
Schayani: „Die Antwort ist: Man könne sich hier integrieren, es gebe Arbeit, sie hätten Informationen gesammelt. Dann haben sie noch gefragt: Kann man bei euch zum Arzt gehen? Und ich habe gesagt: Na klar!“ In Düsseldorf sollen die beiden sich nun einem neuen Asylverfahren stellen.
„Warum?“ wunderte sich Blome. „Wenn sie anerkannt sind, haben sie doch eine gewisse Bewegungsfreiheit!“
Dafür gab’s gleich einen Tritt vors Schienbein. „O.k., kleiner Wikipedia-Eintrag“, wollte ihn die ARD-Journalistin abkanzeln. „Wenn man anerkannt ist, darf man für 90 Tage nach Deutschland kommen. Aber die wollen natürlich Fuß fassen. Deshalb stellen 17.000 Flüchtlinge hier wieder Asylanträge.“
Davon ließ sich Blome aber nicht beirren: „Danke für den Wikipedia-Eintrag“, konterte er, „den habe ich auch gelesen. Aber warum kann man ein zweites Verfahren beantragen?“
Hm – das wusste Schayani nun leider nicht, auch nicht aus Wikipedia. „Da ist die Bundesregierung im Moment unsicher, was sie damit macht“, murmelte sie. „Da sind wir im Dilemma der Wirklichkeit angekommen.“ Aua!
Und gleich noch mal Zoff
„Es gibt für jemanden, der vor einem Bürgerkrieg flieht, kein Recht, in der Europäischen Union sich den Ort seiner Wahl auszusuchen!“ machte Weber klar.
Das schmeckte Özdemir nun aber gar nicht: Griechenland habe doch wohl die Verpflichtung, murrt er, das Geld von der EU so einzusetzen, dass die Menschen…
Doch Weber wollte auf etwas ganz anders hinaus: „Nehmen Sie mal so schwache Länder wie Bulgarien und Rumänien“ meinte er. „Nehmen Sie mal den Durchschnittslohn dort! Oder die Gesundheitsversorgung! Da kann der Flüchtling nicht sagen: Ich gehe nicht nach Rumänien, weil es mir da nicht gefällt. Nicht alle dürfen nach Deutschland!“
Klarste Ansage
„Das ist ein schwieriges Thema“, fügte der CSU-Politiker hinzu, „weil wir nach der Eurokrise auch viele Griechen haben, die keinen Zugang mehr zum Gesundheitssystem haben. Wir haben auch in Griechenland viele Menschen, die obdachlos sind. Deswegen müssen wir ganz vorsichtig sein bei dieser Diskussion!“
Ungeheuerlichster Vorwurf
Plasberg spielte ein Zitat des luxemburgischen Integrationsminister Jean Asselborn ein: „Wenn ich mit den Innenministern am Tisch sitze, bin ich mir heute nicht mehr sicher, ob alle noch wollen, dass Menschen, die am Ertrinken sind, gerettet werden!“ hatte er gewettert.
„Das ist ein Hammersatz!“ sagte Plasberg zu Weber. „Aber hat er nicht Recht?“
„Ich würde Herrn Asselborn bitten: Butter bei die Fisch!“ antwortete der CSU-Politiker. „Dann muss er auch den Namen benennen, wem er das vorwirft!“
Plasberg hatte keine solchen Skrupel: „Er wollte vielleicht Ungarn nicht nennen, weil es schon so bekannt ist“, vermutete er leichthin.
Doch Weber macht da nicht mit: „So bringt uns die Diskussion nicht weiter“, wies er den Talkmaster zurecht. „Ich kenne solche Politiker nicht, in der Europäischen Union, die sagen: Ich will, dass gestorben wird im Mittelmeer!“
Strengste Forderung
Özdemir kam auf die Idee einer Art Marshall-Plan für arme afrikanische Länder wie Eritrea oder Somalia zurück, mit Wirtschaftshilfen und geregelter Zuwanderung.
Alles gut, fand auch Weber, aber: „Wir werden das Problem nur lösen, wenn wir auch Härte zeigen, sowohl an der Grenze als auch gegenüber diesen Staaten!“
Und das heiße, so der CSU-Mann: „Wenn ein Staat in Afrika nicht bereit ist, seine abgelehnten Bürger zurückzunehmen, die nach einem rechtsstaatlichen Verfahren kein Bleiberecht haben, dann müssen wir darüber diskutieren, die Entwicklungshilfe zu kürzen, und auch den Zugang zu den europäischen Märkten.“ Rumms!
Passendste Parteikritik
Dann nahm er sich Özdemir zur Brust: „Europa darf sich nie erpressen lassen! Und wenn ich das so sagen darf: Von Grünen und von Sozialdemokraten, aus dem linken Spektrum, höre ich immer nur das Positive, das Nettsein, das Solidarische, das Humanitäre. Aber die Härte, die nötig ist, um das Problem zu lösen, von der hört man da viel zu wenig.“
Wichtigste Info
Zu dem neuen Gesetz im sozialdemokratisch regierten Dänemark, nach dem Asylsuchende für die Dauer ihrer Verfahren in Ländern außerhalb der Europäischen Union untergebracht werden können, sagte Weber: „Ich war sehr überrascht. Das muss jetzt geprüft werden.“
Und zum möglichen Aufleben populistischer Parteien durch neue Flüchtlingsströme meinte der CSU-Politiker: „Das beste Rezept gegen die AfD ist, wenn wir den Leuten sagen: 2015 wird sich in der Form nicht wiederholen. Und die Union wird das auch sicherstellen, dass sich 2015 ohne Kontrolle nicht mehr wiederholen wird.“ Amen!
Fazit
Massives Moralhopping mit vorgefärbter Meinungsware von der Stange. Über die eifernden Versuche, Jesus irgendwie für die eigenen politischen Vorstellungen zu instrumentalisieren, sei der Mantel der christlichen Nächstenliebe gebreitet. Das war eine Talk-Show der Kategorie „Anspruch und Wirklichkeit“.