Teletäglich

Der Ukraine-Krieg bei Maischberger. Merz lobt Baerbock: Chapeau!

„maischberger“. ARD, Mittwoch, 11.Mai 2022, 22.50 Uhr.

Der Oppositionschef war schon in Kiew, die Außenministerin ebenfalls, wo bleiben Scholz? Außerdem geht es um zwei wichtige Landtagswahlen. Viel Holz für Sandra Maischbergers Lagerfeuer! Die Gäste:

Friedrich Merz (66, CDU). Der Oppositionschef twittert: „Die Dankbarkeit, die ich in der Ukraine erfahren habe, hat mich überwältigt.“

Ricarda Lang (28, Grüne). Die Parteichefin findet „Waffenlieferungen für die Ukraine gerade wegen grüner Prinzipien geboten“.

Klaus von Dohnanyi (93, SPD). Der Oldie der deutschen Sozialdemokratie wettert seit 50 Jahren gegen die USA.

Bernhard Hoëcker (52). Der Komiker löst im Kai-Pflaume-Quiz „Wer weiß denn sowas?“ juxige Rätselfragen.

Sabine Rennefanz (47). Die Kolumnistin („Tagesspiegel“) findet nicht, „dass man Russland isolieren kann wie so einen Atomreaktor.“

Robin Alexander (46). Der WELT-Vizechef bestaunt, wie nachhaltig der Kanzler den Ausdruck „schwere Waffen“ vermeidet.

Spannende Polit-Duelle in bedrohlichen Zeiten. Gibt es mehr Konsens oder mehr Konfrontation!

Ouvertüre mit Anti-Scholziaden

Für Hoecker wäre Baerbock die bessere Kanzlerin, weil „ich das Gefühl habe, zu wissen, was sie denkt und was sie sagt. Das habe ich bei der aktuellen Kanzlerbesetzung nicht immer. Sehr viele Worte, und man muss sich sehr viel Mühe geben, um zu wissen, was er eigentlich gemeint hat.“

Ich würde auf jeden Fall sagen, dass Olaf Scholz eine kommunikative Lücke lässt“, sekundiert Kolumnistin Rennefanz.

Kritischster Kommentar

Der WELT-Vize erinnert an Befürchtungen in Osteuropa über neue schlimme Deals zwischen Deutschland und Russland: „Ich war am Anfang bei diesem Reisen skeptisch, ich bin aber nicht mehr meiner Meinung“, gesteht er.

Alexanders Eindruck von der ukrainischen Reaktion auf den Besuch aus Berlin: „Wenn da jemand kommt wie Frau Baerbock und zeigt, ich leide mit, ich sehe, was euch passiert, dann wissen die Menschen: Wir werden hier nicht wieder unter den historischen Tisch gekehrt.“ Dafür gibt‘s den ersten Beifall.

Missgünstigster Kommentar

Ein ARD-Einspieler zitiert den Altgrünen Jürgen Trittin: „Der Krieg in der Ukraine sollte nicht als Bühne für Landtagswahlkämpfe genutzt werden. Friedrich Merz‘ Reise nach Kiew ist ein Zeichen der staatspolitischen Unzuverlässigkeit von CDU/CSU.“

Hammer! Doch der Oppositionschef lässt den Vorwurf locker abperlen. Sein Zeuge ist Grüne-Star Robert Habeck, der gesagt habe: „An Stelle von Friedrich Merz wäre ich auch gereist.“

Zwiespältigste Zustimmung

„Ich auch!“, ruft die Grüne-Chefin freudig. „Wenn die Menschen in der Ukraine sagen, wir wollen, dass jemand kommt, dann sollten wir das respektieren!“

Aber, so viel Kritik muss sein: „Ich würde mir trotzdem wünschen, dass die ganze Debatte rund um Besuche weniger von deutschen Befindlichkeiten und Wahlkampfgeplänkel geprägt ist. Es geht nicht um uns, sondern um die Menschen in der Ukraine.“

Staatsmännischstes Statement

Auf den Vorwurf der Symbolpolitik entgegnet Merz: „In der Politik ist vieles symbolisch. Gerade aus Deutschland heraus einmal zu zeigen, dass wir auch als Opposition zu diesem Land stehen, war mir wichtig. Und dazu stehe ich auch.“

Ihm gehe es darum, so der Oppositionschef klipp und klar, „dass es hier nicht irgendwelche Gründe gibt, zu vermuten, dass Deutschland wieder mit Russland auf dem Rücken anderer Länder Politik macht!“ Wieder Beifall.

Vor der Außenministerin zieht Merz sogar den Hut: Chapeau!“ Über seine Oppositionsarbeit sagt er: „„Wir sind jetzt in der verrückten Situation, dass wir verteidigen, was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat.“

Dann fängt der Zoff an

„Wir reden darüber, dass wir aus den Fossilen aussteigen, weil die Fossilen immer auch die Tendenz zum Monopol haben“, wettert Lang plötzlich los. „Wenn aus Russland irgendwann mal kein Gas mehr fließt, was wir in den nächsten zwei Jahren hinbekommen wollen, dann sollte aus Russland tatsächlich nie wieder Gas fließen.“

Widerspruch! „Gas ist nicht nur ein Energieträger, sondern Gas ist Rohstoff und wird für sehr viele Industrien gebraucht“, belehrt Merz die verdutzte Kollegin. „Auf Gas als Rohstoff komplett zu verzichten, das werden wir hoffentlich nie tun, denn das wäre für Hunderttausende von Arbeitsplätzen das Ende.“

Gretchenfrage des Abends

Ob eine Renaissance der Atomkraft wirklich undenkbar sei? möchte Maischberger als nächstes wissen.

Klares Rot von Grün! „Das wurde im Wirtschaftsministerium geprüft, das wurde im Umweltministerium geprüft“, bremst Lang, „und da hat sich herausgestellt: Das ist technisch unglaublich schwierig, es ist eine unglaublich teure Energie und wir haben Fragen, die immer noch nicht gelöst sind, z.B. die Endlagersuche.“

Ältester Trick

Dann pumpt die Grüne neue Luft ins alte Denken ihrer Partei. Ihre verblüffende Einleitung: „Es gab nie wirklich billiges russisches Gas!“ Wie bitte? Merz schüttelt sich kurz und zieht die Augenbrauen hoch.

Dann rattert das grüne Maschinengewehr los: „Russisches Gas war immer teuer, den Preis hat nur wer anders gezahlt, jetzt zahlt ihn die Ukraine! Und wenn wir jetzt auf Atomkraft setzen, haben wir vielleicht für jetzt eine funktionierende Lösung, aber den Preis zahlen dann die nächsten Generationen. Bis zu 40.000 Generationen.“ Heidewitzka!

Vernünftigste Widerrede

Merz runzelt die Stirn und faltet wie betend die Hände. „Große Teile der europäischen Mitgliedsstaaten setzen auf Atomenergie“, stellt er fest. „Frankreich baut neue, England wahrscheinlich auch, die Niederlande und viele andere planen es.“

Allerdings gibt der Oppositionschef gleich zu: „Ich glaube nicht, dass das für Deutschland zurzeit eine Option ist.“ Die Grüne-Chefin lächelt zufrieden, doch Merz hat noch was in Reserve: Die Klimaschutzbehörde IPCC sieht die Atomenergie positiv. „Im Ziel sind wir uns einig“, urteilt Merz deshalb, aber „den Weg werden wir noch mal diskutieren müssen.“

Cleverster Konter

Lang möchte das glimmende Hoffnungsfünkchen gleich wieder austrampeln und startet eine neue Attacke: „Warum hat Ihre Partei in vielen Ländern den Ausbau der erneuerbaren Energien blockiert?“, poltert sie.

Doch Merz bremst sie noch einmal aus: „Ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg hat gerade des Ausbauziel von tausend neuen Windrädern auf 500 halbiert“, grient er, „und die Regierung in Brandenburg, an der Sie beteiligt sind, beschließt in dieser Woche Abstandsregeln.“ Uff!

Sportlichste Entscheidung

Mehr Einigkeit weckt Maischbergers nächste Frage: „Sollte die Fußball-WM im Katar diplomatisch blockiert werden, Herr Merz?“, fragt sie.

„Ja“, antwortet der Oppositionschef so kurz wie knapp.  Ich fahre jedenfalls nicht hin.“ Die Grüne schließt sich an: „Ich auch nicht!“

Abgehobenste Helikoptermutti

Die Diskussion über die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verblasst gegen den nicht illegalen, aber instinktlosen Hubschrauberflug der Verteidigungsministerin mit Filius in Richtung Osterurlaub auf Sylt.

„Wenn man bedenkt, was gerade in der Ukraine los ist“,  murrt der WELT-Mann, „dass eine Menge deutscher Soldaten ins Baltikum geschickt werden, dass die Ministerin anders als der Kanzler Weihnachts- und Osterurlaub macht, dann noch der Sohn im Bundeswehr-Helikopter Instagram-Fotos macht – ob das politisch die richtige Botschaft ist…“    

Und wieder Zoff

„Ich verstehe Frau Lambrecht nicht“, gesteht Alexander. „Eigentlich hätte ich gedacht, dass sie dieses Amt so annimmt, dass sie zeigt, ich kümmere mich um die Soldaten.“

Das ist doch eine frauenfeindliche Kampagne, die da läuft!“ schäumt die „Tagesspiegel“-Kollegin. „Helikopter-Mutter, also ich bitte Sie! Das wird jetzt überall von BILD bis taz benutzt. Das sagt für mich ganz viel aus, wie mit Frauen umgegangen wird.“ Puh!

Schlimmste Irrtümer

Der nächste Einspieler zeigt ein Maischberger-Interview mit Helmut Schmidt aus dem Jahr 2015. Über Putin kam da aus dicken Zigarettenqualmwolken: „Ein Kriegstreiber, das ist er nicht.“

Schmidts Parteigenosse von Dohnanyi wiederum hatte kurz vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor einer „Dämonisierung Putins“ gewarnt. Jetzt nimmt er seine Denkfehler ziemlich leicht: „Natürlich hab ich mich geirrt“, wiegelt er ab.

Bedenklichste Plauderei

„Ich habe eine Nato-Übung in Vertretung von Helmut Schmidt gemacht“ erinnert sich von Dohnanyi dann. „Ich war der Chef im Bunker. Die Übung hat dazu geführt, dass die Amerikaner, ohne mit uns darüber zu reden, auf deutschem Gebiet taktische Nuklearwaffen abgeworfen haben. Das war 1979.“

Dagegen habe er, so der damalige Minister für Bildung und Wissenschaft weiter, beim Bundeskanzler protestiert: „Das ist doch ein ganz unmögliches Verfahren!“ Schmidt habe geantwortet: „Wenn eine Gefahr von Krieg entsteht, werde ich Deutschland für neutral erklären.“ Darauf von Dohnanyi: „Helmut, dann ist es zu spät.“

Sturste Schuldzuweisung

Den jetzigen Krieg habe es gegeben, so von Dohnanyi zum Schluss, „weil der Westen nicht bereit war, über die einzig wichtige Frage für Russland und für Putin, nämlich die Frage der Zugehörigkeit der Ukraine zur Nato, auch nur zu verhandeln.“

„Da waren Forderungen dabei, die unerfüllbar waren“, funkt ihm Maischberger dazwischen, „zum Beispiel, dass die Amerikaner dem Atomschirm aus Europa abziehen sollen.“

Tut nichts, der SPD-Politiker macht trotzdem weiter: „Putin und Russland wollen einfach nicht, dass amerikanische Soldaten an der Grenze Russlands patrouillieren können.“ Tschüs, Völkerrecht!

Fazit

Frische Infos und offene Visiere bei Vollgas-Tempo, aber auch uferlose Redeströme, grottige Argumente, langbärtige Lügen und miese Tricks: Das war eine Talkshow der Kategorie „Realpolitück“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert