„Hart aber fair: Es geht wieder los. Wie hart werden die Wochen mit Omikron?“ ARD, Montag, 10.Januar 2022, 21 Uhr.
Neue Tage, alte Plage! Frank Plasberg fängt das neue Jahr dort an, wo er das alte beendet hat. Die Gäste:
Prof. Karl Lauterbach (58, SPD). Der altgediente Viren-Warner klettert heute zum ersten Mal als Minister in den Talk-Ring. Sein Credo: „Die Impfpflicht ist der Schlüssel! Mit ihr können wir diesen Spuk weitgehend beenden.“
Thorsten Frei (48, CDU). Der Unionspolitiker wettert: „Beim Thema Impfpflicht herrscht Uneinigkeit in der Regierung. Das ist Führungsversagen in einer der größten Krisen unserer Zeit!“
Anke Richter-Scheer (59). Die Hausärztin klagt: „Die meisten Politiker werben vehement für das Impfen, aber das bringt nichts, wenn kein Impfstoff da ist!“
Claudia Kade (49). Die Journalistin (WELT) macht klar: „Eine Impfpflicht muss absolut rechtssicher sein. Der Staat darf sich nicht blamieren!“
Antonie Rietzschel (35). Die Journalistin (SZ) ist wegen der Corona-Demos in Sorge: „Dort erleben wir gerade, wie sich ganz normale Menschen radikalisieren.“
Corona-Guru Lauterbach mit kritischen Geistern aus Politik, Medizin und Medien. Das Zoff-o-Meter lauscht auch die leisen Zwischentöne ab!
Quietschendster Start
Lauterbach kramt ein Trostpflaster aus dem Erste-Argumente-Kasten: „Wir haben die Welle gedämpft“, erklärt er forsch. Die Fallzahlen würden zwar weiter steigen, aber „wir lassen es nicht durchlaufen.“
Danach holt der Talkmaster die WELT-Journalistin in die Debatte: „Frau Kade, Sie beobachten in Berlin die Politik aus nächster Ehe.“ Hm – Versprecher gibt‘s immer mal, aber wo genau ist Plasberg jetzt mit seinen Gedanken?“
Gröbstes Foul
Der Minister versucht gleich noch mal, Wasser auf seine Mühlen zu leiten: „Man muss vorsichtig sein, dass man nicht übertreibt, aber es entspricht der Wahrheit, dass die Boosterimpfungskampagne, die wir derzeit in Deutschland haben, in der Europäischen Union sonst…“
Weiter kommt er nicht, denn der Talkmaster grätscht ihn gnadenlos ab, „bevor wir hier eine Feierstunde machen“. Rumms!
Klarste Ansage
Auch Hausärztin Richter-Scheer findet das Boostern einen Erfolg, nicht aber die Verteilung: Sie bekomme pro Woche nur Impfstoff für sieben Patienten.
Ihr nächstes Problem: Der Moderna-Impfstoff sei zwar super, gelte aber bei vielen als Impfstoff zweiter Klasse. Als Ärztin sage sie solchen Patienten: „Sie haben ein sehr hohes Anspruchsdenken! Wir sind in keinem Wunschkonzert!“ Für sie sind solche Forderungen „despektierlich der gesamten Menschheit gegenüber“. Uff!
Dringendster Appell
„Wir haben eine große Menge Moderna einkaufen können, die so groß ist, dass wir damit die gesamte boosterfähige Bevölkerung abdecken können“, freut sich der Minister. Und dass Biontech ein besserer Impfstoff sei als Moderna, sei „nicht der Fall“.
Der Biontech-Impfstoff solle für die unter 30-jährigen genutzt werden, für die er von der Ständigen Impfkommission ja auch empfohlen sei, fügt Lauterbach hinzu. Aber „für die Boosterimpfung wirkt Moderna genau so gut wie Biontech.“ Basta!
Peinlichster Wirrwarr
Zu den neuen Quarantäneregeln nimmt der Talkmaster nicht etwa den Minister, sondern den CDU-Politiker ins Gebet: „Da kommt Unmut auf! Ab wann gelten die Regeln?“
„Die Verordnungen treten jetzt in Kraft“, antwortet Frei.
„Diese Verordnung geht am Freitag durch den Bundesrat“, korrigiert ihn der Minister.
„Ich möchte Sie hier nicht blamieren, nicht vorführen“, sagt Plasberg daraufhin jovial zu Frei. „Es ist kompliziert…“
„Ich bin ja auch kein Vertreter der Regierung“, wehrt sich der CDU-Mann. „Deswegen brauchen Sie mich ja auch nicht zu fragen!“
Und Lauterbach genießt die Pleite des Kollegen: „Ich wollte Herrn Frei ja auch nur helfen“, behauptet er. Heiterkeit im Saal!
Schärfster Vorwurf
Der nächste Einspieler zeigt die Corona-Lage in England aus ARD-Sicht: Alle besoffen, alle ohne Maske, niemand auf Abstand. „Durchlaufen lassen“, vermutet Plasberg als Strategie der Briten, doch: Durchseuchung sei „vielleicht eine bewusste Entscheidung, vielleicht aber auch nur eine Ohnmacht, sich den Fakten zu beugen.“
Lauterbach haut volle Klinge in die Kerbe: „Es ist eine Wette, und aus meiner Sicht eine unethische Wette“, sagt er über den Verdacht, die Engländer könnten womöglich ganz bewusst auf Herdenimmunität setzen. „Bei uns wäre ein solches Experiment überhaupt nicht tragbar!“
Bedenklichste Prognose
Die SZ-Journalistin zählt Gründe für die Demos gegen Corona-Maßnahmen auf: in Sachsen und Thüringen etwa sei es „diese DDR-Erfahrung“ und ein „sehr interessantes Demokratieverständnis: Wenn der Staat nicht tut, was ich erwarte, dann gehe ich auf die Straße, dann gehe ich in den Widerstand!“
„Ich bin ein hoffnungsloses West-Gewächs!“, meint Plasberg dazu staunend.
Rational sei da nichts zu machen, erklärt Rietzschel, denn: „Dazu muss ich erst mal anerkennen, dass es Corona überhaupt gibt.“ Und: „Das ist nicht vorbei. Es wird in Sachsen immer eine Gesellschaft geben, die neu mobilisierbar ist, durch eine AfD, durch rechtsextreme Gruppierungen.“
Frechste Frotzelei
„Wie sehr beschäftigen Sie sich mit dem, was auf den Straßen vor sich geht, wenn Sie Entscheidungen zu treffen haben?“ will Plasberg von dem Minister wissen. „Wenn Herr Lauterbach das Wort ‚Studie‘ in den Mund nimmt, wer hört dann zu?“
„Wir verändern unsere Beschlusslage nicht, weil eine kleine Gruppe hier Druck macht“, kontert der Gesundheitsminister sauer. „Das ist einfach ausgeschlossen. Wir lassen uns nicht erpressen!“
Beklemmendste Info
Über die vielen Morddrohungen sagt Lauterbach: „Das wird bei mir sehr systematisch recherchiert, und zum Teil auch erfolgreich. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele auch mit Nennung des Klarnamens Mordaufrufe und Drohungen artikulieren.“
Konsequenz, so der Minister: „Dann setzt natürlich die Verfolgung ein, und dann kommt es auch zu Ermittlungen und Bestrafungen. Mir machen die Kommunalpolitiker viel mehr Sorgen, weil sie der gleichen Bedrohung ausgesetzt sind, aber bei weitem nicht das gleiche Schutzniveau haben wie ich.“
Emotionalste Erzählung
„Arztpraxen haben mittlerweile Polizeischutz“, fügt die WELT-Journalistin hinzu. „Krankenschwestern werden bedroht, wenn sie sich in der Klinik fürs Impfen aussprechen. Lehrer, die mit den Schülern über das Impfen sprechen – alle kriegen da richtig Druck!“
„Ein Kollege, der jünger ist als ich, ist über Weihnachten, zwei Mal geimpft, an Corona erkrankt und vorletzte Woche verstorben“, schildert die Hausärztin sichtlich mitgenommen. „Das geht nahe, wenn man sieht, dass man das Ganze vermeiden könnte, wenn einfach jeder geimpft wäre.“
Wichtigste Ankündigung
Lauterbach baut bereits an der nächsten Brandmauer: „In Israel hat man jetzt eine vierte Impfung versucht“, berichtet er. „Man macht sie drei bis vier Monate nach der dritten Impfung, aber es könnte sein, dass der optimale Abstand sechs Monate beträgt. Sobald wir sicher sind, wird es eine Empfehlung geben.“
Dann geht das Zoff-o-Meter doch noch los
Zu Thema Impfpflicht prasseln Fragen auf den Minister ein: Wann, was, wer, wie? „Es wird Gruppenanträge geben“, kündigt Lauterbach in ungewohnter Kürze an. Das soll es dann auch schon gewesen sein.
Der Runde reicht das natürlich in keinster Weise. „Sie beteiligen sich doch auch als Abgeordneter an einem Antrag“, macht Plasberg ihn an. „Ist das Feigheit? Von Herrn Scholz stammt der Satz ‚Wer Führung bestellt, bekommt sie‘. Wo ist sie?“
Härteste Attacke
Lauterbach will sich wie sein Chef durchscholzen: „Es wird mehrere Anträge geben“, wiegelt er ab, „und die Anträge müssen natürlich auf alle Fragen eine befriedigende Antwort geben…“
„Der Bundeskanzler sagte im November, er möchte, dass spätestens im März eine Impfpflicht umgesetzt werden kann“, setzt Frei nach, „und die Bundesregierung legt keinen Vorschlag vor, wie so etwas rechtssicher umgesetzt werden kann. Dass sie weder einen Vorschlag macht, noch diese Fragen dem Parlament beantwortet, ist nicht akzeptabel!“
Sarkastischstes Schlusswort
„Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet in den zwei Jahren!“, keilt der Minister zurück. Ich warne davor, anlässlich des Themas Impfpflicht, was auch so ein Sprengpotential in der Bevölkerung hat, dass wir da Parteipolitik machen!“
Dann geht der Talk endgültig den Lauterbach runter: „Wir werden, wenn die Gruppenanträge kommen, zuarbeiten“, verspricht der bedrängte Minister in erkennbarer Erklärungsnot. „Ich werde mit meinem Haus helfen, selbst wenn das Anträge sind, die mir persönlich noch nicht mal gut gefallen.“ Die gewünschten Auskünfte aber gibt er nicht.
„Herr Lauterbach“, stoppt der Talkmaster schließlich das Geschwurbel, „das klingt wirklich nach Champions League der Demokratie.“ Amen!
Fazit
Rhetorischen Dehnübungen, klingelnde Beschwichtigungslyrik und trotzdem hoher Renitenzfaktor: Das war ein Talk der Kategorie „Schlappstart“.