Geschichte

Das Kriegsende in Bremen: „Fast schon tot, keilt der Deutsche eben immer noch aus!“

Vor 75 Jahren, am 16.April 1945, beginnt der Kampf um Bremen an. Weite Teile der Stadt liegen in Trümmern, doch noch immer leisten deutsche Truppen erbitterten Widerstand.

Stuhr, 18.April 1945. Eine Feuerwalze aus Geschützen, Panzerkanonen und Flammenwerfern rollt auf Bremens letzte Verteidigungsstellung im Südwesten zu. Doch die haushoch überlegenen Angreifer stoßen auf erbitterten Widerstand: Reste des 18.SS-Panzergrenadier-Ersatz-und-Ausbildungsbataillons, U-Boot-Soldaten und 14- bis 15jährige Hitlerjungen wehren sich mit MG und Panzerfaust.

Als die Briten dennoch immer weiter vordringen, befiehlt der fanatische SS-Obersturmbannführer Johannes Hoblik den Gegenstoß. Er stürmt seinen Soldaten voran, doch der Angriff bricht im feindlichen Feuer zusammen. 53 Männer und Jungen verlieren ihr Leben.

Die erschütternde Episode aus den Tagen des Vormarschs auf Bremen zeigt die grausame Härte des Kampfes: „Die Führung hatte gelernt, dass die Deutschen während ihres Rückzugs ständig in Bewegung gehalten werden mussten“, schildert der britische Militärhistoriker George Blake. „Gab man ihnen nur eine Atempause von drei Stunden, würden sie sich mit Sicherheit wieder eingegraben haben oder zu einem Gegenangriff angetreten sein.“

Hinter Stuhr bleiben die Briten stecken: Die Verteidiger haben die Niederung der Ochtum unter Wasser gesetzt. Enttäuscht sagt Feldmarschall Montgomery zu einem General: „Harrocks, I am not happy about Bremen!“ Der Sieger über Rommel in Afrika will möglichst rasch nach Hamburg und Lübeck, um den Russen den Weg nach Dänemark zu verlegen, und die bis zum letzten kämpfende Stadt an der Weser stört seine Pläne sehr.

Als erste soll nun die schottische 52.(Lowland)-Division in Bremen eindringen – nicht durch das Überschwemmungsgebiet, sondern auf dem rechten Weserufer. Die Divisionsgeschichte nennt den Vormarsch „ein kleines Meisterstück schneller, ökonomischer Stabsarbeit“: die Brigaden, Bataillone und Nachschubeinheiten werden „wie ein mehrzylindrischer Rammbock eingesetzt“, jede Einheit schiebt und überholt ihren Nachbarn „mit der Präzision einer gut geölten Maschine.“

Die Kräfteverhältnisse sind ungleich genug: Die Angreifer haben zehn Mal mehr Soldaten, dazu Hunderte Panzer, Artillerie, Jagdbomber – auf deutscher Seite kämpft ein letztes Aufgebot fast ohne schwere Waffen. Doch die Moral der Deutschen ist trotz allem ungebrochen: viele verehren noch immer unerschütterlich den „Führer“, glauben wider alle Vernunft an „Endsieg“ und „Wunderwaffen“.

Gefährlichste Gegner der Briten im Wesertal sind Marineeinheiten und die im Erdkampf eingesetzten Flakgeschütze mit ihrer hohen Feuergeschwindigkeit. Der Kampf um das Dorf Langwedel dauert fast den ganzen 18.April. Am 19.April stoßen die Angreifer in Daverden auf ein Bataillon aus Bremer Polizisten, ein ungarisches Artillerieregiment und ein „Magenkranken-Bataillon“ frisch aus dem Lazarett. „Fest steht jedoch, dass diese zusammengewürfelten Einheiten gut kämpften“, schreibt Blake. In verbissenen Gefechten bahnen sich die Briten einen Weg an den Ortsrand von Etelsen – ein Geländegewinn von kaum vier Kilometern.

Am 20.April erobern die „King’s Own Scottish Borders“, aus der Hüfte feuernd und mit dem Bajonett, unter schweren Verlusten das Dorf Holtenbüttel. Einen Tag später geraten die „Cameronians“ in den Wäldern hinter Etelsen ins Feuer der Flakgeschütze, und die „Highland Light Infantry“ muss in den Wäldern nördostlich von Baden einen nächtlichen Gegenangriff zurückschlagen. „Fast schon tot, keilt der Deutsche eben immer noch aus!“ vermerkt die Divisionsgeschichte respektvoll. Am Morgen überrennen die Schotten das Hindernis: es sind zwei Flakstellungen auf einem Hügel.

Am 22.April leiten rote Rauchsignale die schweren Bomber der RAF nach Achim, und über die kleine Stadt bricht das Inferno herein. Erst jetzt sind in den deutschen Linien Zeichen der Auflösung zu sehen. 600 Verteidiger ergeben sich. Besonders groß ist die Angst vor den Flammenwerfern.

Am Bahnhof finden die Briten das Streckentelefon nach Bremen. Mit Hilfe des Stationsvorstehers nehmen sie Kontakt mit dem Kommandeur der Bremer Garnison auf, doch Generalmajor Werner Siber weigert sich, die Stadt kampflos zu übergeben. Noch bevor alle Argumente ausgetauscht sind, dröhnen Bomber durch den Himmel, und nach den Abwürfen ist die Leitung tot.

Auch im acht Kilometer entfernten Mahndorf rufen die Briten an, und der dortige deutsche Offizier vom Dienst scheint geneigt, zu verhandeln. Doch plötzlich kommt es zu Missverständnissen, und wütende Worte fliegen her. „Immerhin haben die britischen Unterhändler so die ungefähre Position des deutsche Hauptquartiers festgestellt“, berichtet Blake. „von nun an schoss eine 7,2-cm-Haubitze vier Salven jede Stunde und eine weitere jede Viertelstunde auf die vermutete Stellung.“

Auf dem Westufer der Weser erreichen britische Einheiten bei Kirchhuchting den Rand des Überschwemmungsgebiets und beginnen, Bremen sturmreif zu schießen. Der SS-Obersturmbannführer Hoblik erhält später das Eiserne Kreuz: sein Gegenangriff habe dazu beigetragen, den Ausbau einer neuen Hauptkampflinie zu ermöglichen. Unter den Toten des Tages ist der 16jährige SS-Grenadier Erich Beitlich. Was er bei sich trug, wird seinen Eltern übergeben: „1 Soldbuch Nr.1014 SS-Pz.Gren.Ausb.Btl.18, 1 Zigarettenetui ohne Inhalt, 1 Brustbeutel, 1 Tabakspfeife, 1 Kamm.“

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