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CSU-Politiker Weber bei Illner: Europa steht nackt im Sturm!

„Maybrit Illner: Streit statt Stärke – doch nicht gemeinsam gegen Putin?“ ZDF, Donnerstag, 9.Juni

Zeitenwende total! Deutschland schickt Waffen in den großen Krieg, Europa würgt den Verbrenner ab und Sparer ernten nach elf Jahren endlich mal wieder Zinsen. Maybrit Illner pickt sich das gefährlichste aus den aktuellen Themen heraus. Die Gäste:

Manfred Weber (49, CSU). Der Chef der größten Fraktion im Europaparlament wettert: „Putin ist ein Verbrecher und Mörder!“

Claudia Roth (67, Grüne). Die Kulturstaatsministerin ist aus dem bedrohten Odessa zurück und warnt, Putin wolle „die kulturelle Identität eines Landes, einer Gesellschaft zerstören.“

Ben Hodges (67). Der Ex-Oberkommandierende der US-Truppen in Europa wundert sich: „Deutschland versucht immer noch, seine Rolle in der Sicherheitspolitik herauszufinden.“

Gwendolyn Sasse (50). Für die Politologin ist klar, „dass Putin das Bisherige nicht als eindeutigen Sieg verkaufen kann“.

Deniz Yücel (48). Der Publizist (WELT) lästert: „Putin und Erdogan mögen ähnlich autoritäre Politiker sein. Aber der eine wurde beim KGB ausgebildet, der andere bei den Istanbuler Verkehrsbetrieben. Das ist der Unterschied.

Elmar Theveßen (55). Der ZDF-Studioleiter Washington erinnert an Putins Standpunkt vor 20 Jahren: „Die Aufnahme in die Nato ist eine Entscheidung zwischen der Nato und der Ukraine“. Lang ist’s her.

Erfahrene Meinungskrieger mit spannenden Stellungswechseln an ganz neuen Fronten!

Start mit Standortbestimmung

Yücel bohrt gleich in die tiefste Wunde: „Die deutsche Russland-Politik ist gescheitert, war ein Fehler“, stellt er ohne Narkose fest. „Dann kann es doch nicht die Lehre aus dem Ukraine-Krieg sein, einen Erdogan aufzuwerten. Autokraten sind keine verlässlichen

Partner!“

Auch Weber macht keine Gefangenen: „Was Erdogan jetzt aufführt, ist brandgefährlich!“, warnt der CSU-Mann mit der Ukraine-Schleife am Revers. „Er hat ja mit den Flüchtlingen genauso versucht, Europa zu erpressen!“

Deutlichster Wink mit dem Zaunpfahl

„Es hilft da nur Entschiedenheit und Stärke“, mahnt der Politiker. „Stärke heißt auch, zu zeigen – sie haben enorme ökonomische Probleme in der Türkei -, dass mit der Europäischen Union nicht zu spaßen ist.“

Denn, so Webers politischer Gegenstoß: „Die Machtmittel, die sie hat, zum Beispiel Zugang zum Binnenmarkt, die werden wir auch nutzen!“

Konstruktivste Perspektive

Über die besonders in Osteuropa umstrittenen Telefonate in den Kreml urteilt Politologin Sasse: „Generell ist es natürlich richtig, dass man austestet, wann der Moment für Diplomatie kommt. Allerdings gehen die Signale aus Berlin und Paris darüber hinaus.“

Ihre Analyse: „Im Moment ist deutlich zu sehen, dass es keinen Verhandlungsspielraum gibt. Aber diese Telefonate sind auch dazu da, zu sehen, ob sich irgendetwas verändert.“

Schamlosestes Basargeschacher

„In Washington ist man natürlich sehr genervt von Erdogan“, meldet Theveßen. „Manche sagen sogar, die Kriterien, die jetzt Finnland und Schweden erfüllen müssen, um Mitglied der Nato zu werden, würde Erdogans Türkei heute gar nicht mehr erfüllen. Man würde ihm die Aufnahme verweigern!

Die nüchterne Einschätzung des ZDF-Korrespondenten: „Man glaubt hier, dass es eine Frage des Preises ist. Erdogan will etwas: F-16-Kampfflugzeuge und möglicherweise ein Dreiecksgeschäft mit den USA und Saudi-Arabien. Aber man hat hier schon das Gefühl, dass Erdogan ein hoffnungsloser Fall ist.“ Rumms!

Über Berlins Reaktion auf Putins Aufmarsch sagt Theveßen: „Da sind CIA-Informationen bis zum Abwinken weitergegeben worden, und es wurde nicht geglaubt.“ Versöhnlichster Ansatz

„Er hat sich verzockt!“, urteilt Weber knapp und klar.

„Er überreizt sein Blatt“, sekundiert der US-General, aber: „Wir in den Vereinigten Staaten müssen auch unsere Beziehungen zur Türkei reparieren. Auch wir haben Fehler gemacht.“

Bitterste Bilanz

Dann startet der General eine Charme-Offensive: „Deutschland ist ganz sicher unser wichtigster Verbündeter“, lobt er. „Ich glaube, dass der größte Teil Europas dem folgen wird, was Deutschland tut. Das ist die Chance für Kanzler Scholz, zu sagen: Wir werden alles tun, dass die Ukraine ihre Gebiete zurückgewinnt!

Doch Yücel gießt Wasser in den Wein: „Was Deutschland verspricht, kommt in der Ukraine nicht an“, klagt er. „Ende Juni, zwei Monate nach dem Bundestagsbeschluss, sollen sieben Panzerhaubitzen ankommen. Polen hat 18 vergleichbare Waffen geliefert, Norwegen 22.“

Politischste Garderobe

Seit Claudia Roth Kulturstaatsministerin ist, lässt sie die bunten Zirkusklamotten im Schrank. Heute ist ihr Blazer grüner als ihre Ansichten: „Ich bin dafür, dass Rüstungsgüter geliefert werden“, bekennt sie umstandslos, „und dass wir die Versprechen, die wir gemacht haben, einhalten.“ Heidewitzka!

Aber dann melden sich wieder die alten Reflexe: „Mich stört die Reduzierung der Debatte auf Waffen“, mosert die Ministerin und hält mit einem Seitenhieb zweifelnde Anhänger auf Zug: „Da finde ich manchmal auch eine Argumentation von der Opposition zu schlicht!“, schimpft sie. Vordermann und Seitenrichtung!

Schönster Schwurbelanfall

Die Ampel-Beschlüsse preist Roth in einer feurigen Verteidigungsrede: „Eine Milliarde Budgethilfe für die Ukraine. Unglaubliche Hilfe bei der Minenräumung, bei der Forensik“, zählt sie an den Fingern ab. „Unterstützung beim Wiederaufbau. Humanitäre Hilfe. Gegen Putins Propaganda Aufbau einer Exilmedienstrategieinfrastruktur.“ Ächz!

Als die Talkmasterin die Frage des polnischen Präsidenten einspielt, wer sich eigentlich um einen Gesichtsverlust Hitlers gesorgt habe, kommt der Redefluss kurz ins Stocken: „Gegen ein Telefonat ist doch nichts einzusetzen, einzuführen, wenn es klare Worte sind, wenn es eine klare Haltung ist. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass es nicht eine klare Haltung ist.“ Puh!

Ungewöhnlichste Namenswahl

„Deutschland ist doch keine Hippie-Kommune!“, erbost sich Yücel. „Deutschland hat eine große Rüstungsindustrie. Deutschland beliefert Länder wie Saudi-Arabien oder Ägypten. Nur an die Ukraine wollte man nicht liefern. Um Putin nicht zu verärgern!“

Besonders sauer ist der WELT-Mann, weil ausgerechnet Erdogan Scholz locker abhängt: „Die Türkei hat die Bayraktar-Kampfdrohnen geliefert, die Großes für die Verteidigung der Ukraine geleistet haben“, ärgert sich Yücel, „sodass heute ukrainischen Kindern, die in der Zeit geboren wurden, der Namen ‚Bayraktar‘ gegeben wurde!“

Größte Gefahr

„Es besteht das Risiko eines historischen Scheiterns Deutschlands“, warnt Weber. „Wenn heute Kiew fallen würde, dann würde europaweit, vielleicht sogar weltweit der Eindruck entstehen: Deutschland ist schuld daran.“

Seine Sorge: „In zwei Wochen werden sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel treffen. Da geht es um die Frage, ob die Ukraine einen Kandidatenstatus bekommt. Alle sagen mir: Wir kriegen kein Signal aus dem Kanzleramt. Auch nicht aus dem Élysée-Palast. Die zwei großen Länder die die Aufgabe haben, Europa zu führen, führen derzeit nicht!“

Eindringlichste Ermahnung

„Das ist das Problem, das wir haben“, wettert Weber weiter, „und das ist das Versagen auch dieser Regierung, wo ich zwar anerkenne, dass es bei den Grünen durchaus Akzente gibt, aber die Durchsetzungsfähigkeit ist offensichtlich nicht da, dass das im Kanzleramt ankommt.“

Seine drastische Warnung: „Wir Europäer sind nackt in einer Welt von Stürmen. Wir sind nicht verteidigungsfähig, und wir sind diplomatisch mit der Einstimmigkeit nicht in der Lage, uns politisch zu positionieren, wenn es wirklich notwendig ist.“ Uff!

Wichtigste Forderung

Dann haut der EU-Politiker energisch die geballten Fäuste ins Vakuum: „Die zweite Aufgabe, die Berlin und Paris jetzt hätten – aber auch da kommt keine Initiative -, ist, dass wir jetzt einen neuen Vertrag für Europa gestalten!“

Denn, so Weber weiter: „Wir brauchen neue Machtstrukturen in dieser Europäischen Union, weil wir sonst nicht fähig sind, uns auf die Stürme von morgen vorzubereiten!

Dann springt das Zoff-o-Meter an

Roth bringt ihre Fehleinschätzungen hinter beliebten Parteifreunden in Deckung: Auch Robert Habeck und Annalena Baerbock hätten lange Zeit darauf bestanden, nicht auf Waffen, sondern auf Diplomatie zu setzen.

Doch Weber lässt sie damit nicht durchkommen und zitiert Stimmen aus der Ukraine: „Wenn sich in Deutschland ein Politiker entschuldigt, geht man zum nächsten Thema über. Wir aber bezahlen dafür, dass Fehler gemacht werden!“

Ehrlichste Selbstkritik

„Natürlich haben sich die Osteuropäer als Europäer zweiter Klasse gefühlt“, gibt Weber unumwunden zu. „Natürlich haben wir sie oberlehrerhaft behandelt.“

Jetzt aber, so der CSU-Mann weiter, „erleben wir ein Zusammenrücken, weil die Menschen schockiert sind von der russischen Brutalität.“

Optimistischste Prognose

„Wir wollen der Ukraine helfen, zu gewinnen“, verspricht der US-General, „wenn es darum geht, das Territorium der Ukraine vollständig zurückzugewinnen, einschließlich der Krim und des Donbass.“

Seine Erwartung sei, „dass gegen Ende des Jahres, wenn das gesamte Material geliefert ist, sich die Dinge wenden werden.“

Denn, so Hodges: „Wir sehen schon, das die russischen Streitkräfte erschöpft sind und das nicht aufhalten können. Gegen Ende des Jahres werden die ukrainischen Streitkräfte die russischen Streitkräfte bis auf die Linien vom Februar zurückschieben können. Auf der Krim und im Donbass wird das aber viel länger dauern und vielleicht das Ergebnis einer Einigung sein.“

Erschütterndster Größenwahn

Der ZDF-Korrespondent weist auf die erschreckenden Parallelen hin, die Putin wenige Stunden zuvor zum erfolgreichsten aller russischen Zaren zog: In einem Interview behauptete der Kremlchef allen Ernstes, wie einst Peter der Große müsse nun auch er „russische Erde“ heimholen.

Zugleich liefen „Teile der russischen Flotte in die Ostsee aus“, berichtet Theveßen weiter, „bis am Abend der finnische Präsident und das schwedische Königspaar Jubiläumsfeierlichkeiten auf der neutralen Insel Aland holterdiepolter verlassen haben, weil sie sich bedroht fühlten.“

Sehnlichste Erwartung

„Ein wichtiger Moment wird sein, ob die Ukraine im Juni den Kandidatenstatus bekommen kann“, hofft die Politologin zum Schluss. „Das wird die EU verändern, aber da gibt es in der jetzigen Situation eigentlich kein Zurück und kein Zaudern.“ Und hoffentlich auch kein weiteres Scholzen!

 

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