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Corona-Zoff bei Maybrit Illner: Jan Josef Liefers erklärt sein umstrittenes Video für die Aktion #allesdichtmachen

„Maybrit Illner: Freiheit, Solidarität, Widerspruch – spaltet Corona das Land?“ ZDF, Donnerstag, 29.April 2021, 22.15 Uhr.

Der Schauspieler Jan Josef Liefers hat in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ die Gründe für seine Beteiligung an der umstrittenen Video-Aktion #allesdichtmachen geschildert.

Wörtlich sagte der TV-Star, der besonders seit seiner Rolle als Pathologe im ARD-„Tatort“ aus Münster populär ist: „Ich hatte einfach irgendwann diesen Overkill. Ich habe nachts nicht mehr geschlafen. Das erstem, was ich morgens sah, waren Coronazahlen. Das Letzte, was man abends sah, waren die Corona-Nachrichten. Mich hat das verfolgt, und ich wurde immer kirrer im Kopf!“

Wer wird zuerst geimpft, und was darf er dann eher als andere? Geht Gleichheit vor Freiheit? Entscheidet darüber die Regierung oder doch die Justiz? Maybrit Illners Gäste

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). hält an der Ausgangssperre eisern fest.

Der Bundestags- und Parteivize Wolfgang Kubicki (FDP). wetterte gegen Merkel & Co.: „Diese Bundesregierung tritt unsere Verfassung mit Füßen!“

Tübingens Überbürgermeister Boris Palmer (Grüne) fetzte sich mit Tschentscher schon tags zuvor bei Markus Lanz.

Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim („maiLab“) nennt Verschwörungstheoretiker umstandslos „Knalltüten“.

Liefers geriet durch die Aktion #allesdichtmachen erheblich unter Druck, denn: „Unsere Aktion hat einen neuralgischen Punkt berührt!“

 

Politik, Wissenschaft, Medien. Zum Auftakt ein schriller Grundton

Die Talkmasterin schlug gleich den Aggro-Akkord des Abends an: „Empörungen, Beschuldigungen, Beschimpfungen!“ kritisierte sie die teils wüsten Reaktionen auf das umstrittene Corona-Video der Schauspieler um Meret Becker und Jan Josef Liefers.

Illners besorgte Frage: „Hat Corona inzwischen auch unsere Debattenkultur infiziert und vergiftet?“

Wichtigste Diskussionsgrundlage

Ein ZDF-Einspieler zitiert, was Liefers in dem umstrittenen Video sagte: „Nur Spezialisten wissen, was wirklich gut für uns ist. In letzter Zeit habe ich aber das Gefühl, dass einige Zeitungen damit beginnen, alte, überwunden geglaubte Vorstellungen von kritischem Journalismus wieder aufleben zu lassen. Dagegen müssen wir uns wehren. Verzweifeln Sie ruhig, aber zweifeln Sie nicht!“

Interessanteste Hintergrundstory

„Satire oder Tabubruch?“ fragte der ZDF-Film. Liefers selbst erklärte sich jetzt so: „Es war eine Einmischung in die eigenen Angelegenheiten.“

„Ich war komplett angeknipst“, schildert der Schauspieler seine ersten Tage mit der Pandemie. „Dann habe ich mich immer weiter eingelesen. Ich war ein Riesen-Fanboy von (Virologe Christian) Drostens Podcast!“

Aber, so Liefers weiter: „Dann kamen so viele Dinge, die sich mir überhaupt nicht mehr erschlossen haben.“

Ungewöhnlichste Selbstanalyse

Seine Entschuldigung für die Attacke auf die Medien: „Mir ist total klar, dass das ungerecht und auch falsch zu verstehen ist. Aber das liegt auch an der kurzen, ironischen oder satirischen Form. Da kann man nicht differenzieren.“

Klarste Absage

„Irgendwann habe ich gesagt: Stopp!“ erzählte Liefers dann. „Ich habe alle Zeitungen abbestellt, alle News Feeds abbestellt, keine Nachrichten mehr geguckt…“

 

Unerwünschten Beifall für sein Corona-Video wies Liefers scharf zurück: „Wenn ich sage, 2+2 ist 4, dann ist das richtig, aber ich sage es nicht, weil ein AfD-Mann möglicherweise zu der selben Aussage käme!“

Denn: „Wir können doch nicht das, was wir sagen und wie wir darüber sprechen, definieren lassen von denen, mit denen wir nichts zu tun haben wollen!“

Wichtigstes Bekenntnis

„Die Freiheit der Presse ist mir so wichtig, dass ich sie verteidigen würde, auch wenn sie sich gegen mich richtet“, fügte Liefers hinzu.

Aber: „Ich träume davon, dass der Presse die Freiheit der Kunst auch so wichtig ist, dass sie sie verteidigen würde, auch wenn sie sich gegen sie richtet.“ Bämm!

Ungewöhnlichste Bewertung

„Ich habe die Aktion #allesdichtmachen nicht so stark verfolgt“, gab die Wissenschaftsjournalistin anschließend zu. „Auch nicht die Diskussion danach im Detail, und zwar bewusst, weil ich nicht denke, dass jede Diskussion automatisch eine gute ist.“

Denn: „Es gibt destruktive Diskussionen, die von Empörung getrieben sind, von Aufregung, von Spaltung“, erläuterte sie. „Aber was mich viel mehr nervt, ist, dass wir jetzt immer noch über diese Aktion sprechen!“ Hm. Geht das etwa gegen Illner?

Verspätetstes Nachtreten

Kubicki, aus Kiel zugeschaltet, gab erst mal dem SPD-Kanzlerkandidaten einen mit: „Wir müssen aufpassen, dass bei der Corona-Debatte nicht alle die, die nicht die Maßnahmen der Regierung sofort mit ganzem Herzen mittragen, zu denjenigen gemacht werden, die schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle wollen!“ mahnte der Liberale.

Sein Beispiel: „Ich kann mich erinnern, Frau Illner, dass Herr Scholz vor einigen Wochen bei Ihnen saß, gemeinsam mit meinem Bundesvorsitzenden Christian Lindner, und erklärt hat, die FDP wolle im parlamentarischen Verfahren etwas verzögern, und wir seien dann verantwortlich für Tote.“ Rumms!

Eleganteste Retourkutsche

Tschentscher nahm seinen Parteigenossen in Schutz:  „Herr Kubicki sagt, jede Meinung ist o.k., man muss alles sagen dürfen, und dann kritisiert er Herrn Scholz, für das, was Herr Scholz gesagt hat!“ monierte er.

Dann aber holzte der Bürgermeister nicht etwa plump zurück, sondern legte sich hanseatisch in die Kurve: „Das ist, muss man sagen, ja nun sinnvoll. Das ist unsere demokratische Öffentlichkeit, die so funktioniert.“ Hummel, Hummel!

Mutigste Kampfansage

„Ich kenne die Mechanismen“, erklärte Palmer in Tübingen, „und ich werde nicht anfangen, leiser, stiller oder mit der Schere im Kopf zu argumentieren!“

Denn, so der grüne Stadtchef aus Schwaben: „Was wir hier erleben, sind eingeübte Rituale: die Empörung, die Cancel culture!“

Berechtigtste Kritik

„Dass so viele (der Liefers-Mitstreiter) ihre Videos jetzt gelöscht haben, ist die klassische Reaktion!“ erboste sich Palmer. „Man wird so lange unter Druck gesetzt, bis man nicht mehr zu dem steht, was man gesagt hat. Wurde mit mir oft versucht!“

Zur Sache sagt der Oberbürgermeister: „Es ist eben nicht so, dass die Lockdown-Maßnahmen die einzige Möglichkeit sind, eine Pandemie zu bekämpfen. Wer eine Lockdown-Maßnahme kritisiert, ist deswegen niemand, der es billigen würde, dass Menschen auf die Intensivstationen kommen. Danke, Herr Liefers, für diese Aktion!“

Härteste Attacke

Als Urheber des Shitstorms hat Palmer ausgemacht, „was Sahra Wagenknecht die selbstgerechten Lifestyle-Linken nennt, Menschen, die nicht mehr argumentieren, sondern ausgrenzen wollen. Die gibt’s immer mehr.“

Die andere Ursache seien, so der Grüne, „die Mechanismen der asozialen Medien, wo immer die lauteste Stimme die meiste Aufmerksamkeit und die Clicks bekommt. Das macht unsere demokratische Kultur immer schlechter!“

Und wieder Zoff

Tschentscher lobte Palmers Tübinger Modell: „Das war wirklich ein gut vorbereitetes wissenschaftliches Experiment!“ Mehr noch pries der Bürgermeister allerdings die segensreichen Wirklungen seiner Ausgangsperre in Hamburg.

„Wir haben in Schleswig-Holstein keine Ausgangssperren, und gleichwohl sinken bei uns die Inzidenzen genauso wie in Hamburg!“ ätzte Kubicki. „Mit dem Virus verhandelt man nicht. Aber man verhandelt auch nicht mit der Verfassung!“

Heftigster Widerspruch

„Das ist jetzt sehr irreführend, was Herr Kubicki sagt“, wetterte der Hanseat in ungewohnter Schärfe.

Besonders störten Tschentscher die raschen Schlussfolgerungen des Liberalen: „Es ist sehr problematisch, dass er das in einer Lage, in der wir auf Akzeptanz angewiesen sind, in dieser kursorischen Art so herstellt!“

Ärgerlichstes Beispiel

„Sie wissen, dass Sie auf den Inseln und an der Nordsee viel leichtere Bedingungen haben!“ hielt der SPD-Bürgermeister dem FDP-Vize vor.

Kubickis Konter: „Warum jetzt in Helgoland, wo wir überhaupt keinen Covid-Fall haben, Inzidenzwert Null, die Leute eine Ausgangssperre ab 20 Uhr über sich ergehen lassen müssen, können Sie niemandem mehr erklären!

Wichtigste Botschaft

Illner guckte auf ein Papier mit aktuellen Vorhersagen der Corona-Experten Viola Priesemann und Jürgen Vogel: „Es gab eine interessante Meldung heute um 19 Uhr, dass wir schon in den nächsten Wochen sinkende Inzidenzen erwarten können“, berichtete die Talkmasterin.

Tschentscher ärgerte sich immer noch über Kubicki: „Niemand hat behauptet, dass man in Helgoland bei einer Inzidenz von Null eine Ausgangssperre haben muss!“ grollte er. „Ich gehe davon aus, dass Ihr Bundesland das auch so regelt!“

Und noch mal Zoff

„Das können Sie gar nicht ändern!“ knurrte Kubicki zurück. „Das steht im Bundesgesetz. Helgoland gehört zum Kreis Pinneberg, das sollten Sie wissen! Und dort liegt die Inzidenz über 100.“ Uff!

„Das ist eine extreme Spezialität, dass eine Insel in einem so weit entfernten Landkreis ist“, entgegnete Tschentscher sauer. „Was Sie tun, ist irreführend und in dieser Lage nicht verantwortungsvoll!“

„Hören Sie doch mit solchen Sachen auf!“ donnerte Kubicki von seinem Monitor herab. Puh!

Hoffnungsvollstes Finale

„Sobald die Inzidenz stabil ist, wird die Ausgangssperre als erstes wieder aufgehoben“, versprach Tschentscher zum Schluss.

Denn: „Ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen in eine entspanntere Situation kommen, weil die Impfquote steigt, weil wir günstigere Temperaturen haben und weil wir viel testen und damit immer wieder Infektionsketten unterbrechen.“

Sein Appell: „Jetzt gilt es noch mal: Nerven behalten. zusammenhalten und diese letzten Wochen überstehen.“ Amen!

Fazit: Streit wie unter Kesselflickern, beleidigte Leberwürste und extrem viel Mimimi. Bissige Parteihengste trampelten auf zarten Konsenspflänzchen herum: Das war ein Talk der Kategorie „verschärfter Coronakater“.

 

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