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Corona-Zoff bei Anne Will: Laschet kritisiert die Regierungs-App wegen zu viel Ideologie

„Anne Will: Lockdown vor Weihnachten – schafft Deutschland so die Pandemie-Wende?“ ARD, Sonntag, 13.Dezember 2020, 21 Uhr.

Der nordrhein-westfälische Regierungschef und CDU-Vorsitzkandidat Armin Laschet hat in der ARD-Talkshow „Hart aber Fair“ die Corona-Warnapp der Bundesregierung heftig kritisiert.

Wörtlich sagte der Ministerpräsident: „Dieses Thema ist eins, das man aus dem ideologischen Streit herausholen muss. Wir haben jetzt die Chance, da, wo Datenschutzbedenken übertrieben werden, zu Lösungen zu kommen!

Kanzlerin und Länderchefs knallen uns zum Fest die Brutalstbremsung vor den Latz: Stillgestanden! Anne Wills Gäste:

Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, macht vieles, aber nicht alles mit.

Laschet wollte lange nicht mitmachen, jetzt hat er keine Wahl.

Prof. Uwe Janssens, Präsident der deutschen Intensivmediziner kriegt, was er schon lange wollte: endlich einen effektiven Antiviruskampf.

Prof. Julian Nida-Rümelin, Ex-Kulturstaatsekretär versorgt Entscheider mit Ethik.

Die Journalistin Kristina Dunz („Rheinische Post“) war selbst an Corona erkrankt.

Ein Fakt, viele Facetten: Ist der Weihnachtsfriede schon nah oder noch weit? Gleich zu Beginn blendete die ARD den SOS-Ruf des bayerischen Ministerpräsidenten ein. Dem Chefarzt war das aber noch lange nicht genug: „Herr Söder hat gesagt: Es ist fünf vor zwölf“, grollte er. „Wir von der Intensivmedizin sagen: Es ist fünf NACH Zwölf!“

„Die Reißleine ist jetzt gezogen worden“, gab der Mediziner immerhin zu. Seine Forderung: „Trotz Lockdown light sind wir auf extrem hohen Zahlen. Wir brauchen ein Absinken, um Leben zu retten, und um die Intensivstationen zu entlasten, die am Rande ihrer Belastungsfähigkeit kämpfen!“

Und schon gab es Zoff

Die Talkmasterin wollte Laschet einen Strick daraus drehen, dass er zuletzt mehrfach andere Zeiten und Maßnahmen nannte: „Kommen Sie bei Ihrem eigenen Durcheinander eigentlich noch mit?“ fragte sie spöttisch.

„Ja!“ sagte Laschet auf seinem Monitor mit Überzeugung. Damit erntete er bei Will allerdings nur ein ungläubiges Auflachen.

Doch der Ministerpräsident glaubt gute Gründe für seine Politik zu haben, „weil sich das Geschehen immer nach dem richten muss, wie die Entwicklung ist“. Die Zahlen seien plötzlich dramatisch gestiegen, erklärte er, „und dann muss Politik auch schnell entscheiden.“

Überzeugendstes Gegenargument

„Wenn man den Lockdown so dringend brauchte, dann hätte man ihn doch gleich morgen machen müssen, oder?“ fragte Will nach Schwerin.

Doch auch Schwesig hatte gute Argumente: „Ich denke, dass wir die Parlamente mehr mitnehmen müssen“, erwiderte sie. Das kostet allerdings Zeit, und damit der Ernst der Lage jedem klar wird, sagt die Ministerpräsidentin dabei auch nicht nur „Lockdown“, sondern „Shutdown“.

Energischster Ansatz

Laschet bliebt in der Defensive: Erst habe er vor Gedränge in den Fußgängerzonen gewarnt, aber jetzt schließe er die Geschäfte erst am Mittwoch, hielt Will ihm vor.

„Das ist exakt die Abwägung, die man da immer wieder machen muss“, verteidigte sich der Ministerpräsident. „Natürlich wäre es das einfachste, morgen zu schließen. Wenn aber zwei, drei andere erst das Parlament beteiligen wollen, hilft es nichts, wenn wieder einige ausbrechen!“

Deshalb habe ihn „die letzten 48 Stunden“ der Wunsch getragen: „Wir müssen schnell entscheiden!“ sagte er im Power-Stakkato. „Nicht wieder lange diskutieren! Es muss gut vorbereitet sein! Es muss eine klare Botschaft an die Bevölkerung gehen! Und es muss in ganz Deutschland gleich sein!“ Das klingt schon ziemlich Bundeskanzler-like.

Deutlichste Warnung

Nida-Rümelin räumte Hoffnungen ab: „Ich bin Familienmensch, habe ein paar Kinder im schulpflichtigen Alter, und ohne Großeltern macht das alles ja eigentlich keinen Spaß“, gestand er.

Sein großes Aber: „Diesmal wird Weihnachten anders. Leider. Diese schönen Mehr-Generationen-Zusammenkünfte sind in diesem Jahr nicht zu empfehlen!

Erschütterndste Prognose

Der Chefarzt schreckte die Runde auf: „Wenn wir eine Infektionsrate von 20.000 pro Tag haben, dann haben wir in einer Woche 40.000!“ rechnete er vor. „Und wir wissen, dass ein Prozent von denen auf der Intensivstation landen!“

„16 Ärzte, die einen Patienten behandeln, das funktioniert nicht“, sagt Janssens über die Ministerpräsidenten. „Es sind zu viele Meinungen durchs Dorf getragen worden. Das hat die Leute hochgradig verunsichert!“

Vernünftigste Forderung

„Man muss ab dem 10. Januar Konzepte vorlegen, die jetzt schon formuliert werden müssen, damit nachher die Diskussion nicht wieder von vorne anfängt“, fügte der Mediziner hinzu.

Seine ernüchternde Erkenntnis: „Wir wissen doch gar nicht, wo die Leute sich infiziert haben! Das ist alles nur spekulativ!“

Leidenschaftlichstes Plädoyer

Wir werden die ersten drei, vier, fünf Monate weiter mit erheblichen Einschränkungen leben müssen“, prophezeite der Chefarzt. „Diese ehrliche Botschaft braucht jetzt die Bevölkerung!“

Denn, so Janssens: „Dann machen die auch mit. Die folgen uns, wenn wir mit einer Stimme sagen: Dahin wollen wir, damit wir Mitte 2021, mit der Impfung Ende 2021 nicht nur Licht am Horizont haben, sondern die Sonne ist aufgegangen!“

Emotionalste Frage

„Was machen wir eigentlich, wenn Familien an Heiligabend sagen: Die Oma soll zu uns kommen, aus dem Pflegeheim, und am Abend geht sie wieder zurück?“ wollte Schwesig von der Runde wissen.

„Wahrscheinlich wird jetzt jeder Virologe sagen: Das geht gar nicht, Leute, das ist viel zu gefährlich“, vermutete die Ministerpräsidentin. „Aber sollen wir tatsächlich den älteren Menschen sagen: Ihr müsst an Heiligabend im Pflegeheim bleiben, ihr dürft nicht zu euren Familien?

Besserwisserischste Kritik

Danach gab es Verwirrung: Wie viele Familienmitglieder dürfen sich denn nun zu Weihnachten treffen, und welche? Laschet machte es der Runde klar: „Ein Hausstand plus 4!“

Das können, so der Ministerpräsident, Ehepartner, Lebensgefährten oder auch nichteheliche Lebenspartner sein.

„Wahnsinnig kompliziert!“ meckerte die Talkmasterin. „Es wäre vielleicht einfacher gewesen, zu sagen: Es dürfen nur die zusammen feiern, die auch zusammen wohnen.“

Ehrlichste Erkenntnis

„Dann hätten keine Kinder kommen können“, widersprach Laschet. „Ich glaube nicht, dass das die Lebenswirklichkeit in Deutschland trifft. Das Populäre war immer das Verbieten, aber man muss auch abwägen!

Laschets Gegenfrage: „Was machen wir hier? Politik kann sich auch nicht übernehmen! 80 Millionen Menschen an Weihnachten vorschreiben, wie das zu gehen hat – wie soll das denn gehen?“

Interessanteste Argumente

„Wir können Verordnungen schreiben, wie wir wollen“, erklärte Laschet, „wenn die Menschen das nicht akzeptieren, dann werden wir das nicht schaffen. Die Botschaft ist: Es ist ernst! Es wird ein anderes Weihnachten sein müssen als in den ganzen anderen Jahrzehnten!“

„Weihnachten ist ein Fest der Liebe“, entgegnete der Chefarzt, „und wenn man das jetzt mal überhöht: Ein Fest der Liebe bedeutet den Schutz des anderen.“

Schlimmstes Beispiel

Trotzdem könne ein Fest mit Hochbetagten klappen, wenn es etwa, so Janssens, „gelingt, mit Maske zu feiern, auch wenn man darüber jetzt lacht.“ Puh!

Doch: „Weg von dem Ich auf das Du und das Wir!“ forderte der Mediziner. „Die Schwestern und die Ärzte am Heiligen Abend, die drehen 26 oder 28 Intensivpatienten die ganze Nacht auf den Bauch und wieder zurück. Die kämpfen um das Leben von Menschen!“

Bedrückendste Info

Auch Nida-Rümelin hatte noch sehr Ernstes zu sagen:  „Wir haben Shutdown-Nebenwirkungen, die gruselig sind“, erklärte er. „Die Welthungerhilfe erwartet 30 Millionen Todesfälle weltweit als Ergebnis der Shutdown-Maßnahmen!

Denn, so der Ethiker: „Die Lieferketten sind unterbrochen, die Leute können nicht in den Städten bleiben, in Indien gibt es eine Flucht aufs Land…“

Schonungsloseste Abrechnung

„Wir brauchen eine Tracking-App!“ sagte der Ex-Staatsminister klipp und klar. „Südkorea, Taiwan, Japan! Wir müssen die Gesundheitsämter in den Stand versetzen, Infektionsketten nachzuvollziehen, und das geht nur so!“

Nida-Rümelins Anklage: „Denkt doch mal nach! Wir haben massive Einschränkungen. Menschen verlieren ihr Leben, ihre wirtschaftliche Existenz, ihren Job. Und da setzen wir ein Grundrecht, die informationelle Selbstbestimmung, absolut, da darf sich keine Einschränkung ergeben!“

Wichtigste Forderung

„Das ist nicht verhältnismäßig, weil wir dann mit den Lockdown-Maßnahmen andere Grundrechte viel massiver einschränken als es nötig wäre“, sagte er zum Schluss. Doch dafür gibt es leider noch immer keine mutige Mehrheit.

Fazit: Adventliche Konfliktvermeidung der Politiker über die Parteigrenzen hinweg, aber heftige Interventionen seitens der Wissenschaft. Die Talkmasterin in der Rolle der knallharten Verhörspezialistin blieb leider nur eine Karikatur. Das war ein Talk der Kategorie „kein Friede, keine Freude und auch kein Eierkuchen“.

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