Teletäglich

Corona-Talk in „Hart aber Fair“: Soziologe erklärt den alles überragenden Wert des Lebens zum Luxus für Reiche!

„Hart aber Fair: Das Virus und wir: Wie erleben Menschen unser Land in der Corona-Krise?“ ARD, Montag, 27.April 2020, 22.00 Uhr.

Der Soziologieprofessor Martin Schröder hat in der ARD-Talkshow „Hart aber Fair“ am Montag die Ansicht des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble unterstützt, dass in der Corona-Krise nicht alles allein dem Wert des menschlichen Lebens untergeordnet werden dürfe.

Wörtlich sagte der Wissenschaftler: „Es ist relativ neu, dass Gesellschaften sagen: Wir sehen das menschliche Leben so hoch an. Das war nicht immer so. Diese absolute Sorge, dass Menschen sterben könnten, ist überhaupt nicht normal!“

Im Ersten Weltkrieg, so führte Schröder aus, habe man Schlachten berechnet, indem man etwa sagte: Na gut, ein Kilometer mehr von den Franzosen, dann sterben 500.000 Menschen, das kann man ja mal machen.

Einleuchtendste These

„Da leben wir jetzt in einer völlig veränderten Kultur“, meinte der Professor. „Es ist nicht historische Realität, dass dem menschlichen Leben dieser unbedingte Wert gegeben wird. Sondern das ist etwas, was nur sehr reiche, sehr hoch entwickelte Gesellschaften machen können. Das ist ein Luxus, den sich extrem reiche Gesellschaften leisten können, aber eben auch nur die!“

Nach dem wilden Zoff-Talk der Politiker am Sonntag bei Anne Will war am Montag das Volk an der Reihe. In „Hart aber Fair“ fragt Talkmaster Frank Plasberg auch mal eine Kassiererin, einen Polizisten und einen Kneipenwirt. Die Gäste:

Der Musiker Wolfgang Niedecken (BAP) komponierte für die „Engel des Corona-Alltags“ eine Hymne: „Huh die Jläser, Huh die Tasse“.

Schröder schrieb zuletzt ein Buch über Zufriedenheit und glaubt: „Das Gefühl, dass alle an etwas gemeinsam arbeiten, tut vielen Menschen gut!“

Die Infektiologin Prof. Susanne Herold riet Mitte März: „Achtsamkeit ja, Alarmismus nein!“

Die Kassiererin Jolanta Schlippes arbeitet bei Edeka in Krefeld.

Der Polizeioberkommissar Martin Feldmann fährt mit der Brennpunkt- und Präsenzeinheit (BPE) Berlin in die härtesten Zonen: Alexanderplatz, Görlitzer Park, Kottbusser Tor…

Der Diplomvolkswirt Helmut Köhnlein betreibt in Köln zwei Kneipen.

Lehrbuch- und Lebenswissen ganz ohne Politisierei und Ideologie! Die schlichte Eingangsfrage des Talkmasters lautet: „Wie geht es Ihnen?“

Persönlichste Statements

„Wir mussten alle Pläne ändern“, klagte Niedecken. „Ich werde am 30.März 2021 siebzig, da wollten wir loslegen mit einer langen Tournee. Ich nehme an, das wird holprig!“

Kassiererin Schlippes war vom Maskenzwang schon etwas mitgenommen: „Die Kunden sind sehr, sehr diszipliniert“, sagte sie. „Aber ich habe mich trotzdem unwohl gefühlt. Wie in einem Science-Fiction-Film!“

Unerfreulichste Beobachtung

„Vor allem ältere Menschen sind verwirrt“, berichtete Schlippes weiter. „Eine ältere Dame kam beim Toilettenpapier immer zu spät. Da habe ich ihr meine Packung gegeben.“ Dabei habe sie ihr eingeschärft, ihren Einkaufswagen fortan nicht mehr aus den Augen zu lassen, denn: „Teilweise werden die Sachen daraus geklaut!“

Pessimistischste Prognose

„Ich denke, dass es noch härter wird“, sagte Niedecken voraus. „Der Ton wird aggressiver. Die Politiker sind sich nicht mehr so einig wie am Anfang.“

„So langsam versuchen sich die Leute doch immer mehr rauszunehmen“, berichtete Polizist Feldmann aus den Parks in Berlin. „Es gibt mehr Unruhe, die wir auch zu spüren bekommen. Mittlerweile wird viel mehr diskutiert.“

Aufschlussreichstes Beispiel

Plasberg zitierte eine Meldung aus dem Berliner Polizeibericht: „Wenn ein Mädchen mit 31 Gästen in den 16.Geburtstag reinfeiert und die Mutter für diesen Zweck eine 2,5-Zimmer-Wohnung in Mitte angemietet hat, kommen wir leider nicht nur zum Gratulieren vorbei!“

„Der Schock verliert jetzt ein bisschen an Wirkung“, stellte Soziologe Schröder fest. „Wenn Menschen ihre Freunde seltener sehen, werden sie unzufrieden.“

Doch, so Schröder: Die Einschränkungen „stärken das Gemeinschaftsgefühl, denn es gibt einen gemeinsamen Feind, das Virus.“

Ermutigendster Ausblick

„Im Sommer geht die Verbreitung ein Stück weit zurück“, hoffte Prof. Herold. „Sonne und Licht sind gut für das Immunsystem, aber schlecht für das Virus!

Weil in den Krankenhäusern sehr viele Betten frei blieben, erwartete die Infektiologin, „dass wir jetzt ein Stück weit in die Normalität kommen.“

Energischste Forderung

„Die Altenpfleger bewundere ich seit ewigen Zeiten, seit ich Zivildienst gemacht habe“, sagte Niedecken. Gleiches gelte auch für Busfahrer, Apotheker, Krankenpfleger. „Wenn die ganze Geschichte vorbei ist, sollte man sich darum kümmern, dass die ordentlich bezahlt werden!“

Schönstes Zwischenspiel

Plasberg spielte die Hymne der Corona-Helden gleich mal vor: „Hoch die Gläser, hoch die Tassen, auf die Leut‘, die in kein Schema passen. Ihr seid die Coolsten im ganzen Land. Gottseidank!“

Anschließend machte Plasberg die Probe aufs Exempel: „Finden Sie sich angemessen bezahlt?“ fragte er die Kassiererin. Doch die beklagte sich jetzt nicht etwa, sondern sagte schlicht und einfach „Ja!“ Hm – Sozialkritik geht anders!

Emotionalste Berichte

Die Kassiererin erzählte über sich und ihren 25-jährigen Sohn: „Wir wohnen fast im gleichen Haus, aber wir halten Abstand. Wir sehen uns, aber wir drücken uns nicht, wir geben uns nicht die Hand, was sehr schlimm ist.

Niedeckens schwangere Tochter wiederum ist mit ihrem Ehemann aus Berlin angereist, damit der Enkel in Köln zur Welt kommt. Jetzt wohnen alle unter einem Dach, und grillen im Garten, an zwei Tischen mit drei Metern Abstand.

Klügste Erklärungen

„Wir sehen uns alle vor“, berichtete der Musiker, nach einem Schlaganfall als Risikopatient eingestuft. „Ich gehe jeden Tag nur eine Stunde raus, mit dem Hund. Meine Frau geht einkaufen. Wir sind in einer guten Situation. Das sind nicht alle!“

Der Polizist dagegen vermisst seine dreijährige Tochter, die jetzt mit ihrer Mutter in Thüringen ist: Die Polizeiarbeit „vornehmlich in kriminalitätsbelasteten Zonen, im Drogen- und Trinkermilieu“ sei trotz Handschuhen und Schutzmaske einfach zu gefährlich für familiäre Kontakte.

Realistischste Einschätzung

„Ich habe überhaupt keine Sorge vor Ansteckung, auch weil in meinem Alter die Sterberate extrem niedrig ist, sowas wie 0,4 Prozent“, sagte der Soziologe.

Und etwas ketzerisch fügt der Professor hinzu: „Ich kann auch morgen auf die Straße gehen und überfahren werden. Ein gewisses Risiko gibt es immer!“

Positivste und negativste Erfahrung

„Das birgt auch eine gewisse Gefahr“, sagte Prof.Herold über die Beratung von Politikern, Schlimmstes Beispiel: Die irren Morddrohungen gegen den Virologen Prof. Christian Drosten.

Sie selbst habe „positiv erfahren, dass die Politik sich sehr genau von der Wissenschaft beraten lässt und auch Dinge umsetzt“, fügt die Infektiologin hinzu.

Auf der anderen Seite, so Prof.Herold, würden Wissenschaftler manchmal für Entscheidungen von Politikern in die Haftung genommen, etwa mit dem Vorwurf „Ihr habt unsere Schulen geschlossen!“

Beste Erklärung

Plasberg erinnerte an die harte Kritik seines Ministerpräsidenten: „Armin Laschet hat gestern bei Anne Will gesagt, die Virologen würden sich ständig widersprechen. Geraten Sie als Wissenschaftlerin ins Mahlwerk der Politik?

„Nein“, antwortete die Professorin. „Manchmal ändern sich einfach die Fakten. Das war zum Beispiel beim Thema ‚Schulschließungen‘ so. Da gab es neue Einsichten, und dann eben auch eine Änderung.“

Beklemmendste Perspektive

Kneipier Köhnlein erzählte von seinem Corona-Pech: Zwei Lokale, beide zu, Umsatz null, Kreditrückzahlung ausgesetzt, Einkommen zu zwei Dritteln weg, drei Kinder, Antrag auf Grundsicherung.

Immerhin sammelten Gäste für ihn, schickten sogar Geld auf Afrika. Über Corona sagte der Wirt: „Es ist völlig ausgeschlossen, dass sich jemand mit Mundschutz in die Kneipe setzt. Auch an Abstandsregeln ist nicht zu denken!

Dann spielte Plasberg die unbequeme Ansage des Bundestagspräsidenten ein, es sei nicht richtig, dass vor dem Schutz von Leben alles andere zurückzutreten habe. Niedecken nutzt das Schäuble-Wort sofort zu einem Bashing des US-Präsidenten: „Ich habe Trump in Verdacht, dass er die Alten sterben lässt! Ein sehr darwinistisches Verhalten! Widerlich!“ Worauf er seine Annahme stützt, sagte Niedecken allerdings nicht.

Zum guten Schluss sagte Feldmann: „Ich darf mich bei der Berliner Bevölkerung im Namen der Polizei bedanken für dieses Mitmachen!“

Fazit: Gut gemeintes Experiment, aber viel Suppe und wenig Salz. Das war eine Talkshow der Abteilung „Ehrenwert“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert