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Corona-Talk bei Plasberg: Markus Söder ist nicht dabei und steht trotzdem im Mittelpunkt

„Hart aber Fair“. ARD, Montag, 17.August 2020, 21 Uhr.

Die ARD-Talkshow „Hart aber Fair“ am Montag drehte sich einmal mehr um Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, obwohl der CSU-Politiker gar nicht eigeladen war.

Reisewarnung, Maskenzwang, Testpflicht, Quarantänedrohung: Immer neue Tiefschläge für deutsche Touris. „Der ungeliebte Urlaubs-Rückkehrer!“ seufzte Talkmaster Frank Plasberg und fragt: „Wer hat Corona wieder reingelassen?“

Söder war es natürlich nicht, im Gegenteil: Er hatte als erster Ministerpräsident versucht, das Virus mit schnellen Tests an wichtigen Routen aus seinem Bundesland herauszuhalten. Dass es dabei eine böse Panne gab, provozierte gleich zu Beginn der Sendung gleich das beliebte Bayern-Bashing.

Hunderte Berichte handschriftlich unleserlich, und das im Laptop-und-Lederhose-Land: „Bayern lag ja immer ganz vorne, in der Selbstdarstellung auch“, höhnte da der Talkmaster prompt. Dabei wollte Plasberg seine Authentizität noch mit einem Urlaubsbart steigern, aber die graue Gesichtswolle „tut nix für ihn“, wie Mode-Motzki Guido Kretschmer diagnostizieren würde.

Informativste Aufzählung

Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher konnte sich eine kleine Spitze Richtung Isar nicht verkneifen: „Man muss, wenn man eine scharfe Ansage macht, auch wissen, wie sie umgesetzt wird“, konstatierte der SPD-Politiker hanseatisch cool.

Tschentschers Dreifach-Rat: Nicht in Risikogebiete reisen. Wenn doch, dann auf eine Quarantäne von zwei Wochen vorbereitet sein. Und: Testen nicht schon nach zwei, sondern nach vier Tagen, weil erst dann aussagekräftig.“ Klang logisch!

Plasbergs Gäste:

Tschentscher ist Molekularbiologe, dem macht keiner so schnell was vor.

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Michael Hüther arbeitet an einer Exit-Strategie aus dem Lockdown.

Die Diplom-Pädagogin Nele Flüchter gründete die „Familien in der Krise“.

Der ARD-Kabarettist Florian Schroeder nervte Corona-Skeptiker auf einer Demo in Stuttgart mit ernsten Späßen.

Die Wissenschaftsredakteurin Christina Bernd (SZ) hat immer gute Tipps auf Lager.

Elegantester Konter

Prof.Hüther dozierte über Regeltreue auch im Ausland. Plasberg wollte ihn ausbremsen: „Machen wir es doch konkret. Machen wir uns mal nackig. Wo waren Sie?“

„In Südtirol, wandern“, antwortete der Wissenschaftler genüsslich. Dagegen soll mal einer was sagen!

Plasberg wollte ihn trotzdem in die Pfanne hauen: „Und nach dem Wandern am Tisch mit diesem tollen Südtiroler Wein, und noch ein Wein…“

Doch damit biss er auf Dolomit: „Sie unterschützen die Diszipliniertheit eines Ökonomen“, beschied ihn Hüther kühl. „Ich kann auch ein Glas mehr trinken als sonst, aber dann muss ich nicht rumjohlen. Das ist nicht mein Urlaubstil.“ Rumms!

Verblüffendste Kritikpunkte

Plasberg spielte den Vorwurf einer Hilfsdienstlerin aus dem Libanon ein: Test in Frankfurt, Test in Beirut. Auf dem Rückflug aber gab‘s keinen Test, sondern nur ein Formular, das dann noch nicht mal eingesammelt wurde. Ähm – Chaosland Deutschland,  Musterland Libanon?

Pädagogin Flüchter hatte auch noch einen: „Es gibt in Nordrhein-Westfalen Schulen, wo die Fenster in den Klassenräumen nicht zu öffnen sind“, staunte sie. „Was ist da passiert, wenn wir doch glauben, dass Lüften so viel hilft?

Peinlichster Bart-Witz

Schröder linste auf seinen Spickzettel und sagte dann: „Dass in vielen Schulen nur dann fließendes Wasser ist, wenn’s mal reinregnet, um es mal satirisch zu formulieren, das ist ja nun ein Problem, das nicht neu ist.“ So wenig wie dieser Gag…

Optimistischste Prognose

„Es geht aufwärts“, verkündete Hüther voll gegen Plasbergs Talk-Trend. „Die Produktion ist wieder in Gang gekommen, und was uns Mut macht, ist, dass China voranläuft.“

Seine verblüffende Prophezeiung: „Die deutschen Unternehmen, die in China sind, werden dieses Jahr ein besseres Jahr haben als 2019.“ Wow! Der traut sich was!

Livebericht des Abends

Dann schlug Schröders Stunde: Es ging um Kultur, und der Kabarettist schoss vor lauter Wut erst mal ein Eigentor: „Jede Demo, wo dreißig Leute ohne Maske sagen, Corona gibt’s nicht, kriegt mehr Beachtung als jede Großdemonstration der Kulturbranche!“ wetterte er.

Ähm – meinte er damit ARD und ZDF? Tschentscher guckte zur Decke, doch Schröder wütet weiter: „Es gibt nach wie vor für Künstler, für Solo-Selbständige, für den gesamten riesigen Apparat, der da dranhängt, nichts!“

Und dann holte der Kabarettist die Kultur-Bazooka raus: „Das ist ein politischer Skandal für ein Land, das sich sonst das ‚Land der Dichter und Denker‘ nennt!“

Uff! Damit hatte sich Schröder allerdings ausgepowert, und eine ganze Weile lang war von ihm nichts mehr zu hören.

Bunteste Phantasie-Blüte

Plasberg wollte wie zuvor dem bayerischen nun auch dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten eine reinwürgen, wegen der Maskenpflicht an den Schulen. Deshalb spann sich der Talkmaster jetzt einen inneren Monolog von Armin Laschet zusammen: „Mist! Der Söder überholt mich, ohne zu blinken! Jetzt gehe ich mal einen Schritt weiter als anderen. Zack, haben wir die Maskenpflicht!

Fairness-Pokal des Abends

Doch das war Tschentscher zu dumm: „Herr Plasberg“, mahnte der Hamburger streng, „weil Herr Laschet heute nicht hier ist: Es gibt die Leopoldina, die Wissenschaftsakademie, und die hat genau das empfohlen!“

„Das weiß ich, das lag bei Laschet ganz oben“, wehrte sich Plasberg.

Doch Tschentscher blieb fair: „Es ist nicht so, dass der eine Politiker auf die Wissenschaft hört und der andere nicht“, stellte er nüchtern fest. „Es gibt auch unterschiedliche Einschätzungen!“

Sein Credo: „Es nützt jetzt nichts, zu sagen, wir springen mal alle aus dem Fenster, weil das alles perspektivlos ist!“

Wackerstes Husarenstück

Schröder machte wieder mit und erzählte, wie er die Corona-Leugner linkte: Sie hatten ihn aus Versehen eingeladen, und nun machte er sie auf der Bühne an. Ein ARD-Einspieler zeigte die Highlights.

„Leben wir in einer Corona-Diktatur?“ fragte Schröder auf der Bühne. Antwort: „Jaaaaa!“

Aber wenn wir eine Diktatur hätten, dürften wir uns hier gar nicht versammeln!“ fuhr der Kabarettist fort. Darauf Stille.

Schröder: „Meinungsfreiheit heißt, einen wie mich aushalten, der nicht das sagt, was ihr hören wollt!“ Nun hört man plötzlich Bravo-Rufe. Nanu?

„Masken in Innenräumen abziehen ist Verantwortungslos“, setzte der Kabarettist nach. Jetzt endlich doch laute Buh-Rufe.

Plasberg findet die kleine Show hochdramatisch. „Woah! Wie sind Sie von der Bühne runtergekommen?“

Doch Schröder enttäuschte ihn: „Ach, es war eigentlich recht ruhig“, antwortete der Kabarettist ehrlich. Alles nur aufgebauscht? Viel Lärm um nichts?

Schimpfwort des Abends

Immerhin hätten Demonstranten ihn als „GEZ-Nutte“ beschimpft, schobt der ARD-Kabarettist dann noch nach, und das schließlich auch was.

Ehrlichstes Bekenntnis

Bei der pauschalen Schmähung der Stuttgarter Corona-Demonstranten als „Covidioten“ durch die SPD-Vorsitzende wollte ihr Parteigenosse Tschentscher nicht mitmachen. „Es gibt ein paar, wo der Begriff ‚Idiot‘ es vielleicht trifft“, sagte er stattdessen. „Aber ansonsten sollte man eine ganze Gruppe von Menschen so nicht bezeichnen!“

Das sind nicht alles Covidioten“, assistierte SZ-Berndt. „Das sind auch durchaus kluge Leute, die sich Sorgen machen!“

Professoralstes Statement

Zum Schluss schenkte Hüther ganz schwere Kost ein: „Gesellschaften sind so, wie das Fukuyama in seinem Huch ‚Identität‘ beschrieben hat“, dozierte er.

Der berühmte US-Denker schreibe, „dass moderne Gesellschaften dem Einzelnen so viele Möglichkeiten bieten, dass die Illusion entsteht: Ich kann meine Freiheit ohne Verantwortungsübernahme ausleben.“

„Und das ist ein Fluch der Moderne“, resümierte der

Professor. „Wir haben so viele technische Möglichkeiten! Aber das setzt voraus, dass wir alle wissen: Was ist die gemeinsame Verantwortung? Und wie Hannah Arendt sagen würde: Haben wir die Kraft zum freundschaftlichen Gespräch im öffentlichen Raum?“ Vielleicht sogar bei Plasberg?

Fazit: Manche Argumente waren auf dünnem Eis unterwegs, und Talk-Tribun Plasberg machte ziemlich oft dicke Backen, aber zumindest gab es kaum Erkenntnisdefizite und keine einseitigen Kanzelverkündigungen. Das war eine Talkshow der Kategorie „Vollwaschgang“.

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