„Maybrit Illner: Keine Impfung, keine Lockerung?“ ZDF, Donnerstag, 5.Februar 2021, 22.15 Uhr.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag zum Impfstoff-GAU einen harten Angriff auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gestartet.
Wörtlich sagte Söder: „Das Verfahren und die Anwendung ist von vielen Fehleinschätzungen begleitet.“ Dazu habe auch die Tatsache gehört, „dass man da in einem internationalen Wettbewerb steht!“
Alles Sch… dein Corona? Wiener und Römer sitzen schon längst wieder an Tisch und Tresen, und bei uns gibt’s Durchhalteparolen! Maybrit Illners Gäste:
Söder hatte auch einen Grund zur Freude: München hat den Inzidenzwert 50 geknackt. Luja!
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) findet die Diskussion um Lockerungen für Geimpfte verfrüht.
Kristina Schröder (CDU), Ex-Ministerin für Familie & Co., warnte in der WELT: „An Grundrechtseinschränkungen auf Verdacht dürfen wir uns nicht gewöhnen!“
Stephan Pusch (CDU), Landrat des ersten Pandemie-Hotspots Heinsberg, wettert gegen das Corona-Impfchaos.
Die Virologin Jana Schroeder mahnt: „Im Wettlauf mit den Mutanten darf uns nicht die Puste ausgehen!“
Drei Politiker aus C-Parteien! Wie friedlich blieben sie? Zum Auftakt gleich eine Abreibung!
Landrat Pusch war sauer: Erst hohe Erwartungen, dann eine Hiobsbotschaft nach der anderen und dann die Erklärung „Ist doch eigentlich alles ganz gut gelaufen“! ärgerte er sich.
Sein knallharte Analyse: „Das war für mich der Punkt, wo die Leute auf die Barrikaden gegangen sind. Das hat die Menschen richtig auf die Palme gebracht!“
Härteste Abrechnung
Ex-Ministerin Schröder setzte noch einen drauf: „Wie die Einkaufspolitik der EU gestaltet wurde, das ist doch offenkundig, dass da Fehler gemacht wurden!“ wetterte sie.
Ihre Kritik: „Man hätte jeden der potentiell erfolgreichen Kandidaten so kaufen müssen, als wäre es der einzige. Dann hätten wir jetzt zu viel, aber die hätten wir an ärmere Länder abgeben können. Jede Woche Lockdown kostet uns deutlich mehr als die Summen, die bei der Impfstoff-Bestellung zur Debatte standen!“
Schärfster Vorwurf
Söder nickte von seinem Bildschirm herab. „Haben Sie auf diesem Gespräch am Montag verstanden, warum die Europäische Kommission drei Monate zu spät bestellt hat?“ wollte die Talkmasterin wissen.
„Ehrlich gesagt: Nicht“, antwortete der Ministerpräsident kurz und knackig. „Es war ein ehrliches Gespräch, aber in der Hinsicht schon enttäuschend!“
Bissigste Ironie
Dann geißelte der Bayer mit kaum verhohlenem Ärger die Brüsseler Schlafhauben-Bürokratie: „Ich glaube, dass das Verfahren vom Europäischen Rechnungshof als hervorragend beschrieben wird“, spottete er. „Man habe sich an ein ganz normales Wirtschaftlichkeitsverfahren gehalten und so weiter…“
Dann stellte Söder die Stimme scharf: „Aber das entspricht natürlich nicht dieser außerordentlichen Notsituation!“ kritisierte er noch pointierter. „Impfen ist ja in dreierlei Hinsicht entscheidend: Es rettet Leben, es schafft Freiheit und es ermöglicht einen wirtschaftlichen Neustart!“
Klarste Schuldzuweisung
Nach dieser Selbstvorlage knöpfte Söder sich Ursula von der Leyen vor. „Fakt ist: Die Europäische Union hat in dem Gespräch gesagt, im Grunde genommen war alles gut“, stellte der Ministerpräsident mit Betonung fest.
Sein nächster Satz zeigte, dass das eben nicht so war: „Die Kommissionspräsidentin hat heute Abend, habe ich gelesen, in einem Interview für morgen darauf hingewiesen, dass man doch wohl Fehleinschätzungen hatte!“ fügte der Ministerpräsident sichtlich angefasst hinzu.
Schlimmste Konsequenz
Söders klares Urteil: „Das kann man so annehmen. Das Problem ist aber, dass wir mit dem Mangel an Impfstoff, mit dem nicht ausreichenden Impfstoff umgehen müssen. Und das schafft natürlich Verdruss, Ärger, Enttäuschung!“
Seine Sorge: „Und das ist im Moment die Stimmungslage. Die Menschen halten gut durch. Sie machen großartig mit. Aber wenn die Möglichkeit besteht, eine neue Idee, eine bessere Form zu haben, und die wird dann nicht möglich, aber woanders funktioniert es – das ist die eigentliche schwierige Situation.“ Rumpel Rumms!
Ehrenwertester Aufklärungsversuch
Illner sah das Eisen glühen und trat noch mal voll auf den Blasebalg: „Peter Altmaier hat hier gesagt, es sei bei sehr befreundeten europäischen Staaten aus technischen Gründen zu spät bestellt worden“, zitierte sie, „und da hätte man nicht sagen können: Ätsch, dann kriegt ihr nichts! Ist das überhaupt angesprochen worden?“
„So detailliert: Nie“, antwortete Söder, der jetzt nicht auch noch den Wirtschaftsminister in die Pfanne hauen wollte. Aber: „Da sind viele Details auf europäischer Ebene ich weiß nicht in welchem Zusammenhang mit der Bundesregierung geschehen.“
Fatalstes Beispiel
Länder und Kommunen hätten alles organisiert und die Impftermine vergeben, erklärte Söder dazu und ärgerte sich noch mal: „Wenn man die Termine dann aber revidieren muss, weil Sie an einem Freitag mitgeteilt bekommen, oh, sorry, der Impfstoff für nächste Woche kommt doch nicht wie vorgesehen – das macht es natürlich nicht einfacher!“
So sah es auch Tschentscher: „Ich war bei diesem Impfgipfel einerseits froh, dass endlich mal Klarheit war, weil die Hersteller die Probleme auf den Tisch gelegt haben. Auf der anderen Seite: Es gab Klarheit, aber eben auch Ernüchterung!“
Über die Experten bei den Beratungen mit der Bundeskanzlerin sagte Tschentscher: „Man sollte Leute nicht danach einladen, dass sie eine bestimmte Auffassung vertreten.“
Wichtigste Infos
Über die Idee einer Notimpfstoffwirtschaft mit staatlich verordneten Aufstockungen der Produktionskapazitäten sagte Söder: „Auch bei dem Impfgipfel wurden einige Firmen angesprochen, die da Überlegungen haben.“
Seine Prognose: „Wir haben eine Situation, dass wir länger Impfstoff brauchen, wir brauchen ihn auch in der Breite, und wir werden ihn auch die nächsten Jahre brauchen. Möglicherweise immer wieder angepasst, wie bei der Grippe.“
Zum russischen Impfstoff Sputnik V sagte der Ministerpräsident umstandslos: „Wenn die Europäische Arzneimittel-Agentur sagt, das ist zuverlässig, dann gibt‘ kein Problem. Ich höre sogar, der soll besser sein als manche Impfstoffe, die wir verimpft haben!“
Verblüffendste Mitteilung
Die Talkmasterin erinnerte den Landrat an dessen verzweifelten Hilferuf nach Peking im vergangenen Jahr. „Die haben sogar geantwortet“, erzählte Pusch. „Das mag von deren Seite durchaus auch eine Propagandanummer gewesen sein.“
Jetzt würde er allerdings eher nach Budapest schreiben, meinte der Landrat, denn: „Ich weiß, weil meine Frau Ungarin ist, dass die Ungarn auch wieder einen Sonderweg gehen. Die haben den chinesischen Impfstoff im Angebot, die haben den Sputnik im Angebot, und auch die anderen.“
Die Strategie, so Pusch: „Die Leute sollen sich aussuchen können, was sie denn gerne hätten.“ Uff!
Wissenschaftlichste Expertise
„Je mehr sich Viren verbreiten, desto mehr werden sie auch mutieren“, machte die Virologin der Runde klar. „Deswegen muss man darauf achten, dass die Kontakte so wenig wie möglich sind, damit uns im Wettlauf mit den Mutationen nicht die Puste ausgeht!“
Ex-Ministerin Schröder wollte noch andere Ansätze nach vorne bringen: „Was ist mit Schnelltests? Was ist mit einer App, die nicht durch einen paranoiden Datenschutz kastriert ist, sondern die wirklich was kann? Was ist mit Luftreinigungsgeräten?“
Ihre Kritik: „Ich finde, dass wir zu stark auf Instrumente des Mittelalters setzen und Instrumente der Neuzeit teilweise nicht vernünftig einsetzen!“
Emotionalster Ausbruch
„Wir müssen sehen, was es für die Schüler bedeutet, die jetzt seit Monaten keinen Unterricht mehr hatten“, sorgted sich die Ex-Ministerin, selbst Mutter von drei Kindern. „Die entscheidenden Entwicklungsimpulse, die kommen nicht von den Eltern, die kommen von den Gleichaltrigen!“
„Wir hören, dass die Magersucht bei den Jugendlichen ansteigt“, warnte sie sichtlich bewegt. „Wir wissen, dass Magersucht eine Krankheit ist, die bei zehn bis fünfzehn Prozent zum Tod führt! Lockdown bringt menschliches Leid mit sich und bedeutet wahrscheinlich auch Tote!“
Deutlichste Kollegenkritik
Zum Schluss flog noch ein Bayern-Pfeil nach Niedersachsen zu Ministerpräsident Stephan Weil, der mit einem Lockerungs-„Stufenplan 2.0“ punkten will.
„Wenn wir jetzt acht, neun oder zehn verschiedene Stufen entwickeln“, kommentierte Söder, „haben wir das Problem, dass es zwar differenziert wirkt, aber wir müssen aufpassen, dass da noch jemand durchblickt!“
Fazit: Frei-Schnauze-Diskussion ohne Denkblasenenge und billigem Konsensklebstoff, die Talkmasterin sammelte Fleißpunkte an jeder Lunte: Das war ein Talk der Kategorie „Da fehlt sich nix!“