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Corona-Talk bei Maybrit Illner: Riesen-Zoff um Joshua Kimmich

„Maybrit Illner: „Kein Schutz, keine Freiheit – Lockdown für Ungeimpfte?“ ZDF, Donnerstag, 28.Oktober 2021, 22.15 Uhr.

Stress um die Spritze, Sorgen um die Intensivstationen, im Winter geht das ansteckende Indoor-Leben wieder los und ein Nationalkicker entzweit nicht nur seine Fans. Maybrit Illner ahnt Schlimmes! Ihre Gäste:

Boris Palmer (49, Grüne). Tübingens populärer Oberbürgermeister findet es richtig, die nationale Notlage zu beenden.

Peter Tschentscher (55, SPD). Hamburgs Erster Bürgermeister würde die Notlage gern verlängern.

Sibylle Katzenstein (54). Die Ärztin mit Praxis in Berlin-Neukölln warnt: „Ein Lockdown für Ungeimpfte würde die Gesellschaft noch mehr spalten!“

Johannes B. Kerner (56). Der TV-Moderator wettert: „Kimmich darf ungeimpft spielen, ungeimpfte Fans waren lange ausgesperrt!“

Prof. Alena Buyx (44). Die Ethikrat-Chefin mahnt: „Kimmich ist für viele ein Vorbild. Er sollte sich besser beraten lassen!“

Prof.Jonas Schmidt-Chanasit (42). Der Virologe nimmt Kimmich in Schutz: „Man muss seine Bedenken erst einmal ernst nehmen!“

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Sportlichster Start

Gleich nach dem Anpfiff gibt es einen Schiedsrichterball: „Unwahrscheinlich groß war die Aufregung um Joshua Kimmich“, stellt Spielleiterin Illner fest und setzt die Diskussion damit gleich mächtig unter Dampf.

Ein ZDF-Film zitiert die Begründung des Kickers: „Weil ich einfach noch ein paar Bedenken hab‘, was fehlende Langzeitstudien angeht.“

Fragwürdigste Gegenüberstellung

„Umso verblüffender sein Engagement gegen Corona in aller Welt“, fährt das ZDF-Video fort und fügt ein früheres Kimmich-Statement an. „Da ging es darum, dass es ja auch Länder gibt, die keinen Zugang zum Impfstoff haben“, hatte der Fußballer sein Engagement damals erklärt.

Kimmichs Meinung: „Wenn man die Entscheidung trifft, dass man sich impfen lassen möchte, dann, finde ich, sollten wir auch alles dafür tun, dass derjenige sich impfen lassen kann.“ Punkt!

Ein ZDF-Kommentar dazu: „Es hagelt Unverständnis und Kritik. Kimmich im Abseits?“ STIKO-Chef Prof. Thomas Mertens urteilt in dem Einspieler über den Bayern-Star: „Er ist Experte für Fußball, nicht für Epidemie, aber sein Fall spricht Bedenken der Leute an.“

Untertreibung des Abends

Nach dem Film schlägt Illner eine scharfe Flanke auf Palmer: „Julian Nagelsmann, der Trainer von Bayern München, in Quarantäne, obwohl doppelt geimpft. Joshua Kimmich, wahrscheinlich gesund, aber nicht geimpft, erntet jetzt ein Meer an Kritik. Ist das eine schräge Diskussion?“

Der Grüne lässt den Ball locker abtropfen. „Ich bin kein Fußballexperte, aber ich habe einige Erfahrung mit Shitstorms“, untertreibt er. Seit neuestem drohen ihm Kritiker aus der eigenen Partei, ihn zur nächsten Wahl nicht mehr aufzustellen…

Coolste Analyse

„Ich finde, wir geraten in dieser Gesellschaft zu leicht in Erregung“, kritisiert Palmer dann. „Die Bedenken halte ich für falsch. Die kann man sachlich widerlegen und sagen: Joshua Kimmich, da haben Sie einfach nicht recht! Und dann wäre für mich die Debatte zu Ende.“

Urteil des Oberbürgermeisters: „Alles andere, was da noch oben draufgepackt wird, das ist diese Erregungs-und Empörungsdemokratie, die, finde ich, nichts besser macht.“ Rumms!

Härteste Grätsche

Auch Tschentscher bekommt eine Vorlage: „Politiker und Sportler, die sich nicht impfen lassen, können die dann kein Vorbild mehr sein?“ fragt Illner ihn.

„In diesem Punkt sicher nicht“, antwortet der Hamburger. „Herr Kimmich ist ein sehr guter Fußballspieler, das macht ihn aber nicht zum Impfexperten.“ Uff! Hat das jemand behauptet?“

Lustvollstes Nachtreten

Immerhin, so Tschentscher dann etwas milder, könne er sich vorstellen, dass Kimmichs Sorge vor Impfspätfolgen von vielen geteilt werde. Aber: „Es gibt genug Experten, die erklären können, dass das eine sehr unrealistische Erwartung ist.“

Ex-Sportmoderator Kerner, aus Hamburg zugeschaltet, reibt dem Fußballer Salz in eine frische Wunde: „Der 5:0-Pieks gestern in Mönchengladbach ist auf jeden Fall schmerzhafter und nebenwirkungsreicher“, spottet er über die sensationelle Pokal-Schlappe der Bayern vom Vortag.

„Das tat weh!“ amüsiert sich Illner.

Schärfste Attacke

„Kimmich hat sich in der Argumentation mit den Langzeitfolgen einfach vergaloppiert“, diagnostiziert der Showmaster dann. Nach Einschätzung aller Fachleute gebe es Nachwirkungen nur in einem verschwindend geringen Maße.

Kerners harter Vorwurf gegen den Fußballer: „Das Bedauerliche ist, dass er dem kleinen, aber ziemlich umtriebigen querdenkenden Teil in der Bevölkerung argumentativ Vorschub leistet, die sagen: Guck mal, selbst Joshua Kimmich, der hat bestimmt ganz dolle Informationen, selbst der lässt sich nicht impfen.“

Und: „Alles, was das Potential hat, das Gemeinwesen, unsere gesellschaftliche Struktur auseinanderzubringen, ist schlecht.“

Flauester Beschwichtigungsversuch

„Ich glaube, das tut er unfreiwillig“, schwächt der Moderator dann etwas ab, „aber das ist eine unerwünschte Nebenwirkung seiner Impfablehnung.“

Kerner weiter: „Ich gehöre nicht zu denen, die jetzt Joshua Kimmich, einen herausragenden Fußballer, am Nasenring durch die Arena ziehen. Ich denke, dass er einfach nicht richtig informiert ist, und das muss sich ändern.“

Temperamentvollste Brandrede

Dann aber pfeffert der Moderator noch mal richtig los: „Es wundert mich, dass gerade so ein doller Leistungssportler in diesem wichtigen Teil seines persönlichen Lebens nicht richtig informiert ist“,   poltert er.

Zum Beweis zählt Kerner an den Fingern auf: „Er hat einen Trainer, einen Taktiktrainer, einen Athletiktrainer, einen Konditionstrainer, einen Physiotherapeuten, einen Orthopädieschuhmachermeister, der ihm die Einlagen in die Schuhe macht, der geht zur Fußpflege und zum Zahnarzt…“

Schwungvollste Schimpfkanonade

Heiterkeit in der Runde! Sogar der kühle Hanseat Tschentscher beölt sich, und der Showmaster kommt prompt immer mehr in Fahrt: „An dieser entscheidenden Stelle ist er offensichtlich von den Ärzten, die es sowohl beim FC Bayern München, und zwar gute, als auch beim Deutschen Fußball-Bund ausreichend geben sollte, nicht gut informiert.“ Heidewitzka!

Die Talkmasterin haut noch mal drauf: „Jürgen Klopp sagt, sich nicht impfen zu lassen ist wie betrunken Auto zu fahren!

Eindringlichste Warnung

Auch Kerner hat noch einen: „Seine individuelle Entscheidung ist auch falsch“, wirft er Kimmich vor.

Denn, so der Moderator: „Wenn er als Sportler Höchstleistungen bringt und seinen Körper massiv beansprucht, ist er für das Virus ein open window. Er läuft Gefahr, dass er einen besonders schweren Verlauf hat und selbst dramatisch leidet!“

Kerners Rat: „Die Mannschaftsärzte des FC Bayern München sollten sich den Kimmich morgen früh schnappen und noch mal ganz intensiv mit ihm darüber reden!“

Interessanteste Gegenmeinung

Ärztin Katzenstein gibt zu Protokoll, sie habe „noch keinen Patienten gehabt, der sich zur Impfung bewegen ließ, weil ein Herr Spahn sich als Vorbild impfen lässt oder weil ein Herr Kimmich sich nicht impfen lässt.“ Ihre Forderung: „Dieses ganze Moralgedöns muss raus aus der Diskussion!

„Vielleicht können wir sogar von Herrn Kimmich etwas lernen“, fügt die Medizinerin hinzu. Denn: „Ich glaube dass er vielen Menschen aus der Seele spricht. Es gibt Bedenken über Langzeitfolgen!“ Entscheidend sei beim Impfen allein das vertrauensvolle Gespräch zwischen Impfarzt und Impfpatient.

Klarste Ansage

Wir haben in den letzten Tagen eine Vielzahl von fachfremden Meinungen gehabt, was jetzt Herr Kimmich zu tun hat oder nicht zu tun hat“, assistiert Schmidt-Chanasit, der ebenfalls Impfarzt ist. Auch für ihn sei das persönliche Gespräch am wichtigsten.

Denn, so der Virologe: „Es kommt darauf an, dass man Empathie zeigt und auf die Ängste eingeht. Und natürlich dann mit den wissenschaftlichen Fakten argumentieren kann, die ganz klar für diese Impfung sprechen. Trotzdem muss man akzeptieren, dass es immer  Menschen geben wird, die sich nicht impfen lassen.“

Schärfster Tadel

Wer sich nicht impfen lassen wolle, sollen sich wenigstens regelmäßig testen lassen, empfiehlt Schmidt-Chanasit, und „das hat ja Joshua Kimmich gemacht.“

Der Vorwurf des Virologen gegen die Kritiker des Fußballers: „Das ist eine private Entscheidung, und ich finde es problematisch, das in der Öffentlichkeit so auszukehren!

Und, so Schmidt-Chanasit weiter: „Diese Diskussion bringt uns vom eigentlichen Thema vollkommen ab. Es ist sicherlich nicht problematisch, wenn sich ein sehr gesunder Fußballer nicht impfen lässt. Sondern das Problem sind die über 60jährigen, wo wir mit der Boosterimpfung vorankommen müssen!“

Interessanteste Info

„Es gibt auch Spitzensportler, die schwere Verläufe hatten“, erinnert Illner. „Ilkan Gündogan war so ein Fall. Die meisten Fußballer sind relativ schnell damit durch. Eigentlich sollen sie zu 90 Prozent geimpft sein, aber dafür gibt es relativ viele Fälle auf dem Platz.“

Kerner, im März 2020 selbst mit Corona infiziert, hat noch kurz vor dem Illner-Talk mit einem Arzt telefoniert, der 200 Olympiakämpfer vor Tokyo mit „Johnson & Johnson“ impfte. Dabei habe es nur einen einzigen Fall von Nebenwirkungen gegeben, „bei einem Hockeyspieler, der an paar Tage lang leicht fiebrig war“.

Vorsichtigste Prognosen

„Im Moment ist angedacht, dass am 20.März alle Maßnahmen enden“, sagt Buyx über den deutschen „Freedom Day“. Das finde sie „sehr mutig“, aber „natürlich wird ein Katalog von Maßnahmen beibehalten werden.“

„Leute, die Notlage ist vorbei, aber es ist immer noch ernst“, schlägt Palmer für diesen Tag als Sprachregelung vor.

Und für Schidt-Chanasit müssen jetzt angesichts „begrenzter Ressourcen“ die Alten- und Pflegeheime „absolute Priorität“ haben, um eine „große, hohe Krankheitslast“ zu vermeiden und „eine Überlastung der Pflegekräfte zu verhindern.“

Fazit

Intensiv-Streit mit harten Bandagen, stichhaltigen Argumenten, gut injizierten Lösungsvorschlägen und (fast) ohne narkosepflichtige Fouls: Das war ein Erstliga-Talk der Kategorie „Spritzenspiel“.

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