„Maybrit Illner: Corona verzeiht keine Fehler – was kommt nach dem Shutdown?“ ZDF, Donnerstag, 17.Dezember 2020, 22.30 Uhr.
Die Medizinethikerin Prof. Christiane Woopen hat in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag vorgeschlagen, populäre Prominente für eine breitere Akzeptanz der Corona-Impfungen einzuspannen.
Wörtlich sagte die Ärztin, die in der Europäischen Ethikrat leitet: Medizinethikerin Woopen staunt über etwas anderes: „Bei dem erblichen Brust- und Eierstockkrebs haben sich Tausende Onkologen jahrelang den Mund fusselig geredet“, sagt sie. „Und dann schreibt Angelina Jolie einen Beitrag, und die ganzen Vorsorgenzentren können sich nicht mehr retten vor Anmeldungen!“
Mit den richtigen Persönlichkeiten könne man jetzt auch die Impfbereitschaft der Deutschen verbessern, meinte die Expertin jetzt und schlug schon mal die erfolgreichste deutsche Schlagersängerin vor: „Helene Fischer.“ Uj!
Hurra, der Impfstoff ist bald da! Maybrit Illner
steht offenbar trotzdem mehr auf Bammel, Schiss und Sorge. Ihre Gäste:
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) glaubt nicht, dass der Lockdown schon zum 10. Januar am Ende ist.
Der Epidemiologe und Gesundheitsökonom Prof. Karl Lauterbach (SPD). warnt vor der Nachweihnachtszeit: „Die nächste drei Monate werden mit Abstand die härtesten!“
Woopen fordert „Präventivkonzepte statt Verbote!“
Der Virologe Prof. Jonas Schmidt-Chanasit kritisiert den harten Lockdown: „Einsperren ist Mittelalter!“
Die Tübinger Notärztin Lisa Federle kämpft mit Arztmobil und kostenlosen Schnelltests gegen das Virus. Sie wurde aus Baden-Baden zugeschaltet.
Ein Politiker, eine Ärztin, drei Professoren: Stille Nacht, Illner wacht!
Bitterster Wermutstropfen
Oberskeptiker Lauterbach begrüßte die neuen Waffen gegen das Virus für seine Verhältnisse schon fast euphorisch: „Ich würde den Impfstoff ohne zu zögern auch selbst nehmen!“, bekannte er.
Die Talkmasterin goss ihm gleich tüchtig Wasser in den Wein: „Überrascht es Sie, dass die Impfbereitschaft gar nicht so groß ist und gerade medizinisches Personal da sehr zurückhaltend ist?“
„Ich hätte gerade bei meinen Kollegen höhere Impfbereitschaft erwartet“, gab der Epidemiologe zu. „Ich verstehe diese Zurückhaltung nicht!“
Optimistischste Vorhersage
Ein ZDF-Einspieler zitierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit der Prognose: „Ab dem Sommer können wir Zug um Zug in die Normalität zurückkehren.“
Virologe Schmidt-Chanasit hat da seine Zweifel: „Auch der Minister kann nicht in die Glaskugel gucken“, bremste er. Aber: „Wenn alles extrem gut läuft, ist das durchaus machbar.“
Realistischste Prognose
Ministerpräsident Hans hofft für Mitte Januar auf einen 7-Tage-Inzidenzwert von 50, besser noch 35 neuen Infektionen pro 100.000 Einwohner. Aber: „Das setzt voraus, dass es an Weihnachten nicht zu einem starken Anstieg kommt, was ich heute so klar noch nicht sehe.“
„Deswegen sehe ich gar keine Chance, dass man zum 10.Januar aus dem Lockdown, wie er jetzt ist, noch mal rauskommt“, fügte Hans hinzu. „Das wird länger dauern.“
Vernünftigste Vorschläge
Die Medizinethikerin regte an, „jetzt parlamentarisch ein Triage-Gesetz auf den Weg zu bringen“, um die Entscheidung, wer ein Atemgerät bekomme nicht allein den Ärzten aufzubürden: „Ich gehöre zu denjenigen, die sagen, dass der Bundestag die Aufgabe hat, so wesentliche Dinge zu regeln wie die Zuteilung von Lebenschancen!“
Und, so Woopen weiter: „Es hat sich gezeigt, dass die Kombination von Lockdown und Massentests in Liverpool zu um 75 Prozent niedrigeren Infektionsrate geführt hat!“
Ernüchterndste Erkenntnis
„Die Menschen sind nicht mehr bereit gewesen, so mitzuziehen wie vorher“, stellte Lauterbach fest. „Glühwein, Bratwurststände, volle Innenstädte!
Es fehlte an einem klaren Konzept.“
Unwillkommenste Info: „Die neuesten Studien belegen ganz klar, dass man, wenn man so einen Shutdown macht, die Schulen mit schließen muss“, erklärte der Gesundheitspolitiker. „Kinder und Jugendliche sind wesentliche Treiber der Pandemie!“
Dann schlägt doch mal das Zoff-o-Meter aus
„Es muss gelingen, die Bürger für unsere Maßnahmen zu begeistern“, machte Schmidt-Chanasit klar. Aber wie?
„Viele Tests sind immer gut“, stimmte der Ministerpräsident zu, aber: „Nach wie vor sind die Kapazitäten begrenzt, und vor allem auch die Kapazitäten von Menschen, die Tests durchführen.“
Doch die Medizinethikerin schüttelte heftig den Kopf: „Stimmt nicht!“ widersprach sie. „Es kommt ja vor allem auf den Nachweis an, ob man andere anstecken kann. Und von den Antigen-Tests gibt‘s genug!“
Interessanteste Info
„Bei der (US-Behörde) FDA gab es für einen Test, den man zu Hause machen kann, gestern die erste Notfall-Zulassung“, meldete Prof. Woopen danach. „Da kann man das über eine digitale Anwendung sogar selber machen.“
Ihre Schlussfolgerung: „Über Dezember/Januar würden wir es mit einer politischen Kraftanstrengung hinbekommen, alle Menschen in diesem Land einmal durchzutesten.“ Das woopt!
Doch Lauterbach war nicht überzeugt: „Wir brauchen die Tests für die Pflegeheime“, sagt er. Alle Bürger zu testen gebe nur ein „Strohfeuer“.
Seine neue Positionsbestimmung: „Ich bin wieder mehr Wissenschaftler geworden als Politiker!“
Beeindruckendste Schilderung
Aus Baden-Baden wurde Tübingens Corona-Feuerwehr Federle zugeschaltet. „Im April habe ich mich mit dem Sozialminister von Baden-Württemberg richtig angelegt, weil ich wollte, dass wir die Heime testen“, berichtete die Ärztin.
Doch: „Da hieß es, solange keiner Symptome hat, bräuchte ich das gar nicht anfangen, die Kosten würden nicht getragen“
„Ich habe trotzdem angefangen, und habe gleich im ersten Heim auf der ersten Station 17 Positive gehabt, wo dann ganz viele verstorben sind!“ erzählte Federle weiter. Inzwischen gilt ihre „Tübinger Strategie“ als vorbildlich und wird voll unterstützt.
Emotionalste Klage
„Seit 26.November haben wir an fünf Tagen in der Woche Ehrenamtliche“, freute sich die Ärztin. „Kollegen von mir, aber auch das Rote Kreuz oder die Band von Dieter Thomas Kuhn, die uns das Plakat entwickelt hat…“
Ihr dringendster Wunsch: „Ich möchte nicht, dass zu Weihnachten die Leute alleine vor dem Christbaum hocken, oder vielleicht auch nichts mehr essen. Ich habe Zuschriften und Anrufe aus ganz Deutschland bekommen. Leute, die geweint und gesagt haben: Meinen Enkel habe ich seit über einem halben Jahr nicht mehr gesehen!“
Härtester Vorwurf
„Dieser Light-Lockdown, es allen Recht machen zu wollen und zu sagen: Wir wollen die Freiheit der Menschen und dass der Datenschutz gewährleistet ist!“ wetterte sie. „Die Politiker haben es allen recht gemacht und es letztlich dem Virus besonders recht gemacht!“
Inzwischen haben bereits 150 Städte das Tübinger Modell auch mit bezahlten Taxi- statt Busfahrten und exklusiven Einkaufszeiten für die Älteren übernommen.
Alarmierendste News
Lauterbach fand die Leistung der Tübingerin „großartig“, aber: „Das durchschnittliche Alter des Patienten, der jetzt auf der Intensivstation um sein Leben ringt, ist 61 Jahre!“
Und das bedeutet, so der Experte: „Das Alter hat sich verschoben. Wir haben jetzt die mittleren Lebensphasen, zum Teil auch ohne Risikofaktoren, die massiv befallen sind!“
Deshalb, so Lauterbach in Großbuchstaben: „Wir brauchen den harten Lockdown! Ich würde ihn sogar so weit runterfahren, bis wir auf eine Inzidenz von 25 kommen, so dass wir einmal Ruhe reinbringen.“ Uff!
Spannendste Info
Die Medizinethikerin will eine Kirsche auf die Talk-Torte setzen und beschreibt eine Alternative zur Corona-Warnapp: „Es gibt in Amerika einen Hersteller von kleinen Geräten, da brauchen Sie gar kein Apple oder Google. Da sind die Sensoren miteinander in Verbindung und können die Zeit und die Distanz erfassen.“
„Die Daten gehen in das Ladegerät und zeigen, ob jemand zu lange mit jemandem, der positiv getestet war, in Verbindung kommt“, erklärte sie weiter. Bei einem „Daten-Treuhänder“ könne man dann einen epidemiologischen Überblock bekommen.
Doch ihre Begeisterung wurde in der Runde nicht geteilt. Das Thema ist so tief in den Sand gesetzt, dass es niemand mehr ausbuddeln möchte.
Verheerendste Niedermache
„Die Leute haben die App auf dem Handy, und wenn wir so weitermachen, wird sie demnächst gelöscht und durch irgendein Spiel ersetzt werden!“ schimpfte der Ministerpräsident ohne jede Weihnachtsmilde. Oh Pannenbaum!
Denn, so Hans: „Ich kann daraus nichts lesen, und sie ist so voller Datenschutz, dass sie am Ende keinen echten Nutzen mehr hat in der Kontaktnachverfolgung.“ Nun, Brüder, eine gute Nacht!
Energischster Appell
„Jeder, der Weihnachten mit unseren Lockerungen feiern möchte, also Leute dazu einladen will, muss heute beginnen, sich selbst zu distanzieren und zurückzuziehen“, machte der Ministerpräsident klar.
Denn: „Wer diese Schutzwoche nicht hinbekommt, der sollte an Weihnachten andere lieber nicht zu sich einladen. Das ist zu gefährlich!“
Dazu gehöre auch, so Hans, „dass die Leute von Click & Collect nicht so Gebrauch machen, dass die Innenstädte wieder halb so voll sind wie sie waren.“ Sonst, so seine Ansage zum Finale, „werden wir über noch härtere Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen nachdenken müssen.“ Rumms!
Fazit: Viel Fleiß, viel Ehr, und sei’s auch noch so schwer. Das war ein Talk der Kategorie „Fürchtet euch nicht!“