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Corona-Talk bei Maybrit Illner: Ärger um Test-Kosten für Reiserückkehrer

„Maybrit Illner: Virus, Wissenschaft, Politik – viel gelernt, wenig getan?“ ZDF, Donnerstag, 20.August 2020, 22.15 Uhr.

Nach Sonne, Strand und Party droht jetzt das dicke Corona-Ende. Politiker sind alarmiert, Experten enerviert, Zuschauer irritiert.

Im ZDF-Talk diskutierten darüber:

Malu Dreyer (59, SPD). Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz droht Leichtfüßen und Maskenmuffeln höhere Bußgelder an.

Karl-Josef Laumann (63, CDU). Der NRW-Minister fürchtet auch den Zorn der Jecken nicht: „Bei der jetzigen Infektionslage kann ich mir Karneval nicht vorstellen!“

Prof. Jonas Schmidt-Chanasit (41). Der Virologe sieht so lange keine „zweite Welle“, wie „unser Gesundheitssystem nicht an seine Grenzen kommt“.

Ute Teichert (58). Die Expertin für öffentliches Gesundheitswesen warnt: „Mit jeder Infektion wird es für die Gesundheitsämter schwerer!“

Heidrun Elbracht. Die Pädagogin leitet eine Schule mit 120 Lehrkräften und 1300 Kindern – in Gütersloh. Sie wird heute zugeschaltet.

Profis voller Talkkraft. Wie einig, wie zerstritten  waren sie? Zum Start gab’s erst mal eine Prise Ironie

„Hier ist – völlig originell – unser Thema!“ spöttelte Illner, weil es nun schon zum x-ten Mal um Corona ging. Aber die Pandemie ist ja auch das kannibalische Monster-Talkthema, das nun schon seit sechs Monaten überhaupt keine Alternative mehr zulässt.

Ein ZDF-Einspieler textete sarkastisch: „Man hätte ahnen können, dass Urlaubsreisende auch wieder heimkehren – sogar aus Risikogebieten!“

Unpassendster Vorwurf

Im gleichen Film geißelte Grüne-Chef Robert Habeck „ein schweres Versäumnis, dass wir in den Sommerferien nicht das Urlaubsende mitgedacht haben – oder in diesem Fall die Bundesregierung!“ Hm – sitzen seine Parteifreunde nicht in elf Landesregierungen und reden dort über Schulferien?

Und fällt etwa auch Illners Outfit in die Kategorie Verhohnepipelung? Die Talkmasterin trat in einem Textil vor die Kamera, das mit seinem rot-blauen Tüpfel-Design wie ein schräger Scherz zur rot-schwarzen Corona-Studiokulisse passte.

Staatstragendster Kommentar

Es ist nicht die Zeit für Schadenfreude!“ mahnte die Ministerpräsidentin aus Mainz, die mit den Grünen regiert. „Wir sind gehalten, bestmöglich die Krise zu managen!“

Das Positive, so Dreyer: „Ich denke auch, dass wir jetzt durch den Reiserückverkehr lernen können, uns gut vorbereiten müssen auf die Herbstferien. Das ist einfach angesagt!“

Versöhnlichste Anmerkung

Laumann hat vor kurzem eine Spitze auf Markus Söder abgefeuert: „Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Bayer Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland geworden wäre!“

Jetzt sagte der Minister zur Test-Panne in Bayern ganz ohne Häme: „Ich bin froh, dass das nicht bei uns passiert ist. Wir haben jetzt 270.000 Personen getestet. Ich kann nicht die Hand ins Feuer legen, dass bei uns solche Fehler passieren.“ Geht doch!

Wichtigster Grundsatz

Jeder muss sich so verhalten, dass wir mit dem Virus leben können. Das ist die zentrale Botschaft“, sagte Teichert. Als Vorsitzende im Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes kümmert sie sich besonders um die Gesundheitsämter, von denen jetzt viel abhängt.

Drakonischste Forderung

Zur Frage, ob Risiko-Reisende ihre Tests bei Rückkehr selber zahlen sollten, sagte Dreyer: „Die Volksseele kocht, und zwar zu Recht, wenn man Menschen im Fernsehen sieht, die am Flughafen sagen: Ich weiß, Mallorca ist ein Risikogebiet, aber ich fahre trotzdem!“

Ihre Meinung: „Und dann soll der Staat noch den Test bezahlen? Das geht nicht! Ich finde, dass es richtig ist, wenn die Menschen in Quarantäne gehen. Dass der Test nicht in den ersten 72 Stunden gemacht wird, sondern erst am fünften, sechsten, sieben Tag.“

Und, so die SPD-Politikerin knallhart: „Wenn die Menschen den Test machen wollen, dann sollen sie ihn bezahlen. Und wenn sie ihn nicht bezahlen wollen, dann bleiben sie halt vierzehn Tage in Quarantäne!“ Rummms! Oder ist das schon das Scholzsche „Wumms“?

Realistischste Einschätzung

„Wenn wir bei den Tests auch noch das Geld einsammeln müssten, würden wir völlig scheitern“, widersprach Laumann.

Aber: „Dass bei Reisen in Risikogebiete Testkosten eingerechnet werden“, fand der Minister richtig, denn: „Das kann nicht alles die Solidargemeinschaft machen.“

Klarste Ansage

Zur Maskenpflicht erklärte Laumann kompromisslos: „Wenn Leute sagen: Maskenpflicht verstößt gegen meine persönliche Freiheit, sage ich: Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht!“

Ehrlichstes Eingeständnis

Wenn wir Mitte März gewusst hätten, was wir jetzt wissen, hätten wir einen Lockdown so nicht gemacht“, gab der Minister zu. Aber: „Wir haben ihn so gemacht, weil wir – auch ich – eine Riesenangst hatten, dass unsere Intensivkapazitäten und unsere Beatmungskapazitäten nicht ausreichen. Man hatte ja die Bilder aus Italien vor Augen.“

Vernünftigste Ankündigung

„Heute würden wir einen Lockdown viel differenzierter auslegen“, erklärte Laumann weiter. „Sondern es wird sehr viel differenziertere regionale Entscheidungen geben.“

Und: „Ich glaube auch, dass es nicht der erste Reflex sein darf, Kindergärten und Schulen zu schließen!“

„Einen zweiten Lockdown können wir uns nicht leisten“, assistierte Dreyer. „Das ist flächendeckend nicht vorstellbar!“

Unangenehmste Erkenntnisse

Man darf nicht verschweigen, dass mit den Teste Millionengewinne gemacht werden!“ stellte Schmidt-Chanasit fest.

Das Problem bei den Schnelltest sei, dass aus den USA gar nichts mehr komme, beschwerte sich der Virologe. Deshalb müssten auch bei uns Produktionskapazitäten geschaffen werden.

Zweifelhafteste Nachricht

Die Fasnacht, die wir kennen, wird es so nicht geben“, sagte Dreyer klipp und klar. Gilt das auch für „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht?“

Das ist wohl noch nicht ganz raus: „Wir wollen das Brauchtum weiter pflegen“, erklärte die Ministerpräsidentin. „Wir müssen uns angucken: Was leben die Karnevalsvereine vor? Was kann man tun?“

Ihr hoffnungsvolles Beispiel: „Wenn am 11.11. tausend Leute im öffentlichen Raum stehen, mit Abständen, und man auf Alkohol verzichtet und ähnliche Dinge, dann kann man nicht sagen, das geht nicht.“ Aha. Darauf ein dreifaches Helau!

Dramatischster Frontbericht

Als nächstes wollte Illner über „Das maskierte Klassenzimmer“ reden. Das hat Laumann in NRW exklusiv, denn kein anderes Bundesland macht mit. Auch der Minister ist auch nicht glücklich damit.

Aus Gütersloh wurde Schulleiterin Elbracht zugeschaltet. „Wir können keine Abstände einhalten“, klagte die Pädagogin. „Das geht nicht. Viel zu kleine Räume. Es gab nur die Chance mit Maskenpflicht. Das geht, aber es ist anstrengend, und es verändert den Unterricht.“

Schönster Hoffnungsschimmer

Seither mache sie sich große Sorgen um die Kinder, aber auch um die Kollegen, berichtete die Pädagogin sichtlich gestresst.

Zum Glück hatte Laumann gute Zahlen dabei. „Wir haben jetzt gesagt, das soll bis Ende August gelten“, erklärt er und verspricht: „Wenn das jetzt in der nächsten Woche so gut läuft, dann kann man das ja auch einfach wieder auslaufen lassen.“

Angesichts der unterschiedlichen Einwohner- und Infektionszahlen der Bundesländer frotzelte Laumann: „In Mecklenburg-Vorpommern gibt es Ecken, da ist es schwer, überhaupt jemanden zu treffen!“

Verfrühteste Frage

Zum Schluss testet die Talkmasterin schnell noch die Schmerzgrenze des Ministers an: „Können Sie sich vorstellen, dass man die Weihnachtsferien verlängert, um zu vermeiden, dass es ein Auf und Zu von Schulen gibt?“ wollte sie wissen.

Aber damit trat sie auf eine Mine. „Wir haben jetzt so viel Ferien gehabt und so lange keine Schulen gehabt“, antwortete Laumann schwer genervt und zog nach viel Geduld zum Schluss doch noch die Kampfkarte: „Jetzt über verlängerte Ferien nachzudenken, da möchte ich mich zunächst einmal verweigern!“

Fazit: Sachliche Debatte ohne Gesinnungsprüfungen, parteipolitische Blendgranaten oder besserwisserische Kanzelverkündigungen. Dafür klare Ansagen und ehrliche Einschätzungen. Das war ein Talk der Kategorie „Vernunftgesteuert“.

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