„maischberger. die woche“. ARD. Mittwoch, 20.Januar 2021, 24 Uhr.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat der EU-Kommission in der ARD-Talkshow „maischberger. die woche“ am Mittwoch schweres Impfversagen vorgeworfen.
Wörtlich sagte der Politiker, der als aussichtsreicher Kanzlerkandidat der Union gilt: „Europa hat sich einerseits dafür entschieden, weniger zu bestellen, hat deswegen jetzt Impfstoff nachbestellt. Und man hat länger für die Zulassung gebraucht!“
Hie Lockdown, dort Countdown: Auch „maischberger. die woche“ drehte sich um Virus und Potus, wie die Abkürzung für „Präsident of the United States“ lautet. Corona soll gebremst werden, Joe Biden startet durch. Viel Glück! Sandra Maischbergers Gäste:
Söder steht ab sofort im Mikado-Duell mit dem neuen CDU-Chef Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur: Wer macht den ersten Fehler?
Prof. Gesine Schwan, Elder Lady der Sozialdemokratie, warnt schon lange vor Unruhen in den USA.
Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar dient der ARD als Allzweckwaffe gegen Info-Defizite aller Art.
Der Kabarettist Michael Mittermeier ist auch ein Twitter-Meier mit 45.000 Followern, aber seit über einem Jahr ohne Tweed: Corona!
Die Journalistin Susanne Gaschke (WELT) stört sich an der „apokalyptischen Rhetorik“ im Corona-Stress: „Angst ist einfach kein guter politischer Ratgeber!“
Die Journalistin Ulrike Herrmann(„taz“) unkte Ende November, manche Wirte oder Konzertveranstalter würden im Lockdown mehr Geld bekommen als bei Normalbetrieb. Sagt sie das heute wieder?
Der Talk begann exakt um Mitternacht. Zum Start gab’s ein Pfund Genervtes. Aus München wurde der Mann zugeschaltet, dem die Deutschen in dieser Krise am meisten vertrauen: Markus Söder.
Die Talkmasterin zitierte, was dem Bayern in der Elf-Stunden-Marathon-Sitzung der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin entfuhr: „Das ist langsam albern, wie wir hier vorgehen! Wenn wir das hier live übertragen würden, dann würde es wohl die Dinge beschleunigen!“
Spannendste Kommentare
Maischberger wollte Söder beim Wort nehmen: „Das ist eine super Idee“, lobte sie. „Warum übertragen Sie nicht diese Sitzung, die hinter verschlossenen Türen stattfindet? Dann hätten die Bürger einen transparenten Eindruck, wie und worüber Sie streiten!“
„An mir liegt es nicht“, antwortete Söder gelassen. „Das können wir gerne machen!“
Denn, so der Ministerpräsident: „In der Tat war das wieder eine endlose lange Sitzung. Und wenn man sieht, über was dann manchmal sehr lange diskutiert wird, dann ist das schon so, dass das manchmal schneller gehen und auch die Kommunikation bessert sein könnte!“
Ärgerlichste Kollegenschelte
Söder war wie immer schnell am Puls: „Es hilft ja nichts, darüber zu klagen. Und es hilft auch nichts, dass der eine oder andere Ministerpräsident seine eigene Philosophie entwickelt!“
Maischberger vermutete, damit sei Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann gemeint, der bei der Schulschließung nicht mitmachen wolle.
Doch darauf stieg Söder nicht ein, er bliebt in Bayern: „Wir haben eine verhalten positive Tendenz“, berichtete er. „Wir haben die Infektionszahlen seit Heiligabend ziemlich halbiert.“ Check!
Positivste Analyse
„Der Lockdown light im November war der Versuch, mit leichteren Maßnahmen etwas zu erreichen“, erklärte der Ministerpräsident. „Ich habe damals – das kann ich für mich in Anspruch nehmen – gleich für eine konsequentere Linie plädiert.“
Aber, so Söder: „Das hat nicht den entsprechenden Erfolg gehabt. Deshalb legt man nach, und die Ergebnisse sind jetzt sehr ermutigend!“
Besorgteste Warnung
„Jetzt kommt die auch von Experten als hochdramatisch beschriebene Sorge vor einer sprunghaften Entwicklung“, berichtete der Ministerpräsident weiter. „Sag‘ ich jetzt, warten wir einfach mal ab, bis das alles zuschlägt, und dann reagieren wir?“
Seine Beobachtung: „Im Endeffekt haben sich in der Regel die allzu optimistischen Prognosen weniger bewahrheitet als die pessimistischen.“
Dann gab es Zoff
Die Talkmasterin war nicht überzeugt: Der Lockdown gefährde Existenzen, trotzdem gebe es erneut 1148 Todesfälle! Ihr strenger Tadel: „Sie haben sich also für etwas entschieden, was nicht richtig funktioniert!“
„Sie haben natürlich recht, dass es wünschenswert wäre, wenn alles von heute auf morgen endet“, konterte Söder grimmig. „Wäre super! Aber nirgendwo in der Welt, außer in einem sehr autoritären Land wie China, ist es bisher gelungen, Corona endgültig aus Land zu drängen.“
„Australien! Neuseeland!“ widersprach die Talkmasterin sofort.
Doch der Ministerpräsident hatte die passende Antwort parat: „Die haben wie Japan einen großen Vorteil: Natürlich hat Europa mit offenen Grenzen eine ganz andere Herausforderung, als es ein Inselland hat.“
Klarste Lagebeschreibung
Dann kam der Bayer auf den entscheidenden Punkt: „Solange es keine Impfung gibt, ist die einzige Frage: Kontakte reduzieren und Mobilität runter! Deswegen ist die Impfung das Entscheidende.“
Sein Credo: „Wir müssen das tun, wovon wir überzeugt sind, und das so gut wie möglich tun!“
Söders Hoffnung: „Ich denke, dass wir jetzt eine Erleichterung haben werden, insbesondere bei der Herausforderung, was das Leben betrifft“, erklärt er, „weil wir gerade in den Alten- und Pflegeheimen die über 80-jährigen impfen können.“
Denn, so seine Erkenntnis: „Das einzige, was es wirklich bringt, ist Impfen!“
Gretchenfrage des Abends
Die Talkmasterin ließ nicht locker: „Es ist nicht gelungen, die Alten- und Pflegeheime zu schützen. Wer trägt eigentlich die Schuld an diesem Skandal?“
„Es ist ein Irrglaube, es so zu sehen, als ob Corona absperrbar sei“, entgegnete Söder und redete über Aufsichtsbehörden, Testpflichten und Masken. Puh!
Strengster Vorwurf
„Jetzt kann man zwar sagen, das ist gut, weil man dann auch mehr Sicherheit hat“, fügte Söder hinzu. „Aber wenn die gleichen Impfstoffe woanders schneller zugelassen werden, die auch bei uns zugelassen werden, entstehen natürlich Zeitverzögerungen.“
Sein harter Schluss: „Jede Impfung kann Leben retten!“ Dass umgekehrt jede Verzögerung Leben kosten kann, musste der Ministerpräsident dann gar nicht mehr sagen.
Energischster Appell
„Corona kriecht durch jede Ritze“, warnte Söder dann noch einmal. „Corona schlängelt sich überall rein. Es ist ein heimtückisches und fieses Virus!“
„Ich will niemandem einen Vorwurf machen, auch nicht denen, die manchmal unvernünftig reagieren“, erklärte der Ministerpräsident weiter. „Es heißt jetzt durchhalten, konsequent sein. Mit der Impfung ist Corona kontrollierbar und beherrschbar!“
Schlagfertigste Antworten
Zur Impfpflicht sagt Söder: „Der Ethikrat soll einen Vorschlag machen.“ Europäischer Impfpass? „Gut, wenn er dann fälschungssicher wäre!“
Europameisterschaft diesen Sommer wie geplant? „Sie kann stattfinden, wenn es ähnlich läuft wie jetzt bei der Bundesliga. Deswegen wird es wahrscheinlich möglich sein.“
Sollte der Kanzlerkandidat der Union durch eine Mitgliederbefragung geklärt werden? „Nein“, antwortete der Ministerpräsident ohne Zögern, „da reicht ein Gespräch.“
Die letzte Maischberger-Frage zielte auf Söders Hundewelpen: „Kommt Molly mit nach Berlin?“ Der Ministerpräsident antwortet darauf mit einem Klassiker: „Mollys Platz ist in Bayern.“ Heiterkeit in der Runde!
Stoßseufzer des Abends
Vor der Wahl des CDU-Vorsitzenden hatte WELT-Journalistin Gaschke auf Friedrich Merz getippt. „Ich glaube, dass es eine ganze Menge Beatmung der Delegierten aus dem Kanzleramt gab“, sagte sie jetzt dazu.
Der Münchner Mittermeier fand seinen Ministerpräsidenten richtig gut. „taz“-Journalistin Herrmann stöhnte sogar: „Ich komme von einer linksalternativen Zeitung, und jetzt verteidige ich Herrn Söder!“
Erschütterndste Info
Beim Thema Mutation hieß es mal wieder: Ranga ran! ARD-Experte Yogeshwar hatte auch gleich eine schlimme News zu verkünden: „Erste Untersuchungen am südafrikanischen Virus zeigen, dass Personen, die mit dem ersten Corona-Virus infiziert waren, durchaus auch mit dem zweiten Virus noch einmal infiziert werden können.“ Uff!
Temperamentvollste Abrechnung
Auf Trump feuerte die Runde eine Schimpfkanonade ab. Mittermeier: „Unser kleines narzistisches Arschloch!“ Gaschke: „Klassische Hetze! Das wird scheußlich!“
Schwan freute sich über Biden: „Ich habe das Gefühl, dass er sehr gut den Ton getroffen hat“, lobte die alte Dame der SPD, „und es kommt jetzt viel mehr darauf an den Ton zu treffen, als die einzelnen Aussagen ganz richtig zu machen.“
Fazit: Keine absichtsvollen Missverständnisse, keine Pickelhaubenklischees. Ein starker Staatsmann zwischen tüchtigen Talkern und eine zähe Zeremonienmeisterin: Das war eine Show der Kategorie „Lehrstunde“.