„Maischberger“. ARD, Mittwoch, 27.Mai 2020, 23.45 Uhr.
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat in der ARD-Talkshow „Maischberger“ am Mittwoch rosige Zeiten für die von der Corona-Pandemie besonders schwer getroffene Reisebranche prophezeit.
Wörtlich sagte der Wirtschaftspolitiker, der am 4.Dezember in Stuttgart zum Parteivorsitzenden gewählt werden möchte: „Ich vermute, dass der Tourismus in Deutschland im zweiten Halbjahr boomen wird, weil viele Menschen den Wert des Urlaubs zu Hause wieder erkennen“.
Aber, so Merz: „Einige Branchen werden auch langfristig unter den Folgen der Krise zu leiden haben. Wir sind vielleicht für einige Branchen bereits am Tiefpunkt angekommen, aber sicherlich nicht für die ganze Volkswirtschaft!“
Er ist wieder da! In „Maischberger.die woche“ gab CDU-Kanzleraspirant Friedrich Merz sein Comeback auf einer der Hauptbühnen im deutschen Talkshowtheater: Von jetzt an geht‘s vor allem um seine Leib- und Magenthemen!
Maischbergers Gäste:
Merz war schon im März bei Maischberger eingeplant, doch da legte ihn das Virus flach.
Die Schauspielerin Katja Riemann, seit Corona arbeitslos, setzt sich seit Jahren für Flüchtlinge ein.
Der TV-Moderator Reinhold Beckmann funkte zuletzt aus der RTL-„Quarantäne-WG“.
Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt („SZ“) ist promovierte Biochemikerin und schrieb ihre Doktorarbeit über AIDS.
Der Journalist Hans-Ulrich Jörges („Stern“) schrieb einen wütenden Artikel gegen die Maskenpflicht: „Maulkorb des Volkes!“
Ein Politstar, ein Filmstar, drei Medienmacher. Los ging‘s mit einer Huldigung für König Fußball.
„Es gibt den ersten deutsche Geister-Meister“, kommentierte Beckmann den Bayern-Sieg in Dortmund. „Das Hygiene-Konzept der DFL war überzeugend, und bisher hat die Bundesliga es nicht verbockt!“
Kollegin Berndt grätschte den Ex-Sportmoderator aber gleich mal ab: „Ich findet das traurig, dass jetzt ausgerechnet der Fußball so ein großes Beispiel geworden ist!“, schimpfte sie. „Ich finde eigentlich, dass wir in anderen Bereichen mehr Lockerung bräuchten!“
Verblüffendster Flankenwechsel
Jörges spielte seinen Lieblingslinksaußen an: „Ich hoffe, dass Bodo Ramelow den Weg weist in die dritte und letzte Phase der Corona-Bekämpfung“, sagte der Journalist. Denn, so sein Vorwurf: „Die Deutschen werden zu Dingen verpflichtet, die jetzt gar nicht mehr notwendig sind!“
Wie bitte? Das nahmen ihm die Kollegen aber nicht ab. Daraufhin wollte Jörges mit einer Mutprobe auftrumpfen: „Das Risiko, dass ich mich im Theater anstecken könnte, das trage ich persönlich!“
Irrtum! Es geht gar nicht darum, ob sich der Herr Jörges ansteckt, sondern ob er womöglich seine Mitmenschen infiziert. Denn wenn er, so warnt ihn jetzt auch die „SZ“-Expertin, das Virus verbreitet, ohne es selbst zu wissen, könnten Menschen sterben.
Bewegendste Selbsterfahrung
Hauptgast Merz weiß, wie schnell es mit Corona gehen kann. „Ich habe gar nichts gemerkt“, berichtete er von seinem letzten Auftritt am 11.März im Sauerland. „Ich bin an den Tag auch noch bei meinen Eltern gewesen. Meine Mutter wurde an dem Tag 92 Jahre alt, mein Vater ist 96.“
Erst später habe er erkannte, wie gefährlich das gewesen sein muss: „Meine große Sorge war, dass ich meine Eltern infiziert hätte. Gottseidank sind beide negativ getestet.“ Uff!
Präziseste Schilderung
„Ich habe mich bei einem Journalisten angesteckt“, erzählte der Politiker weiter. „Ich habe am Freitagabend die ersten Symptome gehabt, mich am Sonntag testen lassen, am Dienstag das Ergebnis bekommen und dann dem Gesundheitsamt in Meschede 81 Namen von Kontaktpersonen aus dieser Veranstaltung genannt.“
Beruhigendes Ergebnis: „Soweit ich das nachgefragt habe, hat sich von diesen 81 Personen keine infiziert.“
Allerdings: „Meine Frau hat das Virus bekommen, aber ohne Symptome. Sie hat erst vier Wochen später im Bluttest Antikörper nachgewiesen bekommen.“
Klügste Analyse
„Bei allem, was man kritisieren kann: Deutschland ist gut durch die Krise durchgekommen – bisher“, stellte Merz dann fest. „Unser Gesundheitssystem ist nie bis an den Rand getestet worden.“
Seine dringendste Forderung: „Aus heutiger Sicht wäre es wichtig, dass wir mehr testen. Und ich würde gern einen Immunitätsausweis haben. Weil ich dann Menschen die Sorge nehmen könnte, dass ich vielleicht doch noch ein Risiko für sie bin.“
Realistischste Einschätzung
„Aber da wird mir gesagt, es gibt ein Restrisiko, dass ich vielleicht doch noch mal neu infiziert werde“, berichtete Merz weiter. „Ja nun – das ganze Leben ist ein einziges Restrisiko. Wenn wir nur danach gehen, dürften wir uns eigentlich gar nicht mehr vor die Haustür begeben!“
Größte Sorge
„Wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir vielleicht leichter und schneller lockern müssen“, machte Merz klar. „Ich sage das insbesondere für die Kitas und die Schulen. Dass die Kinder so lange zu Hause bleiben, wird Folgeschäden haben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können!“
Vernünftigste Forderung
„Wichtig ist jetzt, dass die Europäer, und nicht nur die Deutschen, sagen: Ja, wir wollen durch diese Krise durch“, stellte der Politiker fest. Aber: „Wir müssen das verbinden mit einem wirklichen Innovationssprung in Europa!“
Denn: „Corona verdichtet und beschleunigt jetzt alles noch einmal. Aber wir sind Zeitzeugen eines grundsätzlichen Wandels auf der Welt. Es verändern sich die politischen und ökonomischen Machtzentren!“
Dramatischste Prophezeiung
„Die Frage, ob Europa eine Chance hat, mitzuhalten mit dem, was in den nächsten Jahren aus Amerika, aus Asien, insbesondere aus China kommt, entscheidet sich in den nächsten Wochen und Monaten!“, warnte Merz.
Seine Kritik: „Mir wird auch hier in Berlin zu viel über kleine Schubladen diskutiert, wo man jetzt Geld reinpacken müsse. Mir fehlt der ordnungspolitische wirtschaftspolitische Überbau!“
Schlimmstes Beispiel
„Die ganze Digitalisierung hängt weit hinter dem zurück, was wir brauchen!“ sorgte sich Merz. „Die Wirtschaft hat sich jetzt zwangsdigitalisiert. Die Schulen, die Öffentliche Verwaltung, die Bauämter in Deutschland liegen weit zurück. Da muss jetzt investiert werden!“
Überraschendster Vorschlag
„Wir sollten auch über einen Rettungsschirm für den Bundeshaushalt nachdenken“, fügte der Politiker hinzu. „Auch der Bundeshaushalt muss geschützt werden. Den muss der Bundesfinanzminister schützen. Das ist seine vordinglichste Aufgabe!“
Was Merz an Olaf Scholz bewundere? wollte Maischberger wissen. Antwort: „Sein Durchhaltevermögen in seiner eigenen Partei!“
„Da kennen Sie sich aus, nicht?“ spottetr die Talkmasterin.
Spannendste Info
„Sie glauben, dass Markus Söder nicht Kanzlerkandidat der Union werden will?“ fragte Maischberger als nächstes
Merz nickte: „Das ist meine Annahme!“
Über sein eigenen Chancen sagte Merz: „Ich liege in den Umfragen vorn. Ich habe auch den Eindruck, dass ich in der CDU nach wie vor große Unterstützung habe, und ich bin entschlossen, zu gewinnen!“
Ein Grund für seine Zuversicht: „Wir werden im Herbst andere Themen haben. Das beginnt ja jetzt schon. Wir werden im Oktober oder November den innerparteilichen Wettkampf wieder aufnehmen. Und dann wird am 4.Dezember in Stuttgart entschieden!“
Gretchenfrage des Abends
„Ihr Verhältnis zu Angela Merkel war ja nicht ganz spannungsfrei in den letzten Jahren“, meinte Maischberger. „Würden Sie sagen, das ist besser geworden in der Krise?“
„Das würde ich sagen, ja“, bestätigte Merz. Na dann!
Erschütterndste Info
Zum Schluss schilderte Katja Riemann die Zustände in den Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln und die Versuche, Flüchtlingskinder zu retten. „Ich finde es bizarr, dass da nur Mädchen sein sollen“, kritisierte sie. „So viele findet man da gar nicht!“
Und es gehe auch nicht nur um Mädchen: „Die Jungen, 15, 16 17 Jahre alt – wenn die nicht in einer safe area sind, prostituieren sie sich für eine Nacht in einem Zelt!“
Makaberster Vergleich
Die Verteilung der Flüchtlinge beschrieb die Schauspielerin zum Schluss mit einem schwer erträglichen Satz. „Die Ärzte ohne Grenzen entscheiden, wer muss ganz dringend raus“, berichtet sie zunächst.
Und dann erklärt sie der Talkmasterin das Verfahren mit einem Hinweis auf den berüchtigten Lagerarzt von Auschwitz: „Das ist ja auch eine schwierige Sache, zu entscheiden: Wer darf gehen und wer nicht, weiß du, wie so ein reverse Mengele, sozusagen!“
Diesen völlig deplatzierten Vergleich mit dem massenmörderischen KZ-Arzt fanden die beiden dann tatsächlich zum Kichern.
„Ich habe kein Corona“, sagte die Schauspielerin zum Schluss. Im Juni drehe sie wieder, aber: „Ich muss nicht küssen im nächsten Film. Erst im Herbst wieder.“
Fazit: Aufschlussreiches Interview mit wichtigen Fragen und klaren Antworten. Der Rest der Sendung blieb deutlich dahinter zurück, und teils auch weit unter Maischberger-Niveau. Das war eine Talkshow der Kategorie „Kontrastprogramm“.