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Corona-Talk bei Mabrit Illner: Ramelow hat ein ganz dickes Lob für die Bundeswehr

„Maybrit Illner: Corona-Chaos – gerät die Pandemie außer Kontrolle?“ ZDF, Donnerstag, 15.Oktober 2020, 22.30 Uhr.

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag der Bundeswehr ein für seine Partei höchst ungewöhnliches Lob ausgesprochen.

Wörtlich erklärte der Politiker: „Ohne die Bundeswehr hätte wir es an manchen Hotspots gar nicht geschafft. Ich muss das mal in aller Deutlichkeit sagen: Ich bin der Bundeswehr sehr dankbar, dass wir in Sonneberg eine Stabsärztin gekriegt haben, und zwei Hygieniker, die sofort bereit waren!“

Nach der Kanzlerrunde ist vor der Kanzlerrunde: „Dann sitzen wir in zwei Wochen eben wieder hier“, ärgerte sich Angela Merkel am Mittwoch über die schlappen Beschlüsse der Ministerpräsidenten. Darüber sprach Illner mit kundigen Gästen:

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) war schon tags zuvor bei Sandra Maischberger schwer genervt, weil sie den Mut zu knackigen Entscheidungen vermisste.

Ramelow fand den Gipfel gut, sah vor allem für die Gesundheitsämter einen „erheblichen Fortschritt“.

Der Virologe Prof. Jonas Schmidt-Chanasit ist „nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass ein Beherbergungsverbot sinnvoll ist.“

Susanne Johna, Ärztin und Pandemie-Beauftragte der Bundesärztekammer, findet den Corona-Kurs der Bundesregierung „immer schwieriger nachzuvollziehen“.

Prof. René Gottschalk, Chef des Frankfurter Gesundheitsamts, warnt: „Wir werden das Virus nicht mehr komplett eindämmen können. Es hat sich schon zu sehr verbreitet.“

Caroline von Kretschmann, Hotelchefin aus Heidelberg, klagt: „In der Branche herrscht blanke Existenznot!“

Politiker und Experten, Drängler und Zauderer,

Warner und Zweifler. Zum Start gab es gleich einen heftigen Rundschlag: Ein ZDF-Einspieler zog über die Performance der Ministerpräsidenten beim Berliner Gipfel her. „Historisch ernüchternd“, hieß es darin, „weiter so mit der Kleinstaaterei“, „zu viel Nabelschau, mal wieder, bei den Landesfürsten“, „Irrlichtern durch den deutschen Corona-Herbst“. Uff!

Falscheste Frage

Talkmasterin Illner knöpfte sich als erstes die Ministerpräsidentin aus Schwerin vor: „Befürchten Sie eigentlich, dass auch bei Ihnen ein Gericht das Beherbergungsverbot kippen könnte? Dann müssten Sie fürchten, dass Tausende Berliner an die Küste kommen!“

„Ich befürchte gar nicht, dass Tausend Berliner an die Küste kommen“, wunderte sich Schwesig prompt, „denn wir freuen uns über alle Gäste!“

Schlaueste Formulierung

Allerdings, so die Politikerin: „Wir haben seit Mai/Juni Standards, dass es, wenn es Reisende aus Risikogebieten da sind, dann Tests gibt.“

Damit haben wir auch gute Erfahrungen gemacht, dass der eine oder andere, der ohne Test kam und dann getestet wurde und positiv war, sozusagen erst mal in Quarantäne konnte“, berichtete sie weiter und sagte dabei wirklich „konnte“, nicht etwa „musste“. So klingt es doch gleich ganz anders!

Selbstbewussteste Einschätzung

Auf ihre Verwaltungsjustiz kann sich die Ministerpräsidentin verlassen: „Unser OVG hat bisher bei jeder Klage zu der Frage Reisebeschränkungen bestätigt, dass wir als Hochtourismusland mit Millionen von Touristen gute Gründe haben, den Reiseverkehr unter Kontrolle zu halten!“

Elegantester Rückpass

„Es geht nicht um Aussperren“, fügte die Ministerpräsidentin noch hinzu, aber: „Es gibt Virologen, die sagen, es sollte in den Risikogebieten selbst festgelegt werden.

Für Berlin etwa würde das wohl bedeuten, dass sich dann dort der Senat mit Reiseverboten unbeliebt machen müsste, und nicht die Landesregierung in Schwerin…

Schärfste Presseschelte

Ramelow war über den Einspieler mächtig sauer: „Die mediale Wahrnehmung, die ich heute von unserer Konferenz höre, ist eine ganz andere als die Sitzung, an der ich teilgenommen habe!“ polterte er.

Denn: „Ich habe an einer teilgenommen, in der sechzehn verantwortungsvolle Menschen miteinander acht Stunden intensiv gearbeitet haben, um die Weichen zu stellen, damit wir wirklich die Infektionen bekämpfen, und nicht irgendeine Showgeschichte machen!“

Fundierteste Kritiken

Wir haben nicht das Problem, neue Regeln erschaffen zu müssen, sondern die Regeln, die gut sind, müssen durchgesetzt werden“, stellte der Virologe nüchtern fest.

„Das Problematischste ist, dass wir jetzt Menschen testen, die keine Symptome haben, sondern einfach nur ihren Urlaub antreten wollen“, meinte die Pandemie-Beauftragte. „Durch die neuen Regelungen verschwenden wir Tests, die wir woanders brauchen.“

Berechtigtste Klage

„Die Stornierungen halten weiter an“, meldete die Hotelchefin, zugeschaltet aus Heidelberg. Über die letzten Warnungen von Kanzlerin und Kanzleramtschef vor Reisen auch in Deutschland ist sie enttäuscht, denn: „Wir haben noch mal massiv investiert: Plexiglas am Office, Desinfektionsspender, Luftreinigungsfilter mit UVC-Licht…“

Bittere Bilanz, so von Kretschmann: „Ein Drittel der Betriebe stehen kurz vor der Insolvenz. Das Beherbergungsverbot ist für uns ein schleichender Lockdown!

Einprägsamster Begriff

Ramelow war auch wegen des Leichtsinns von Jung und Alt on fire. Die größten Ausbrüche in seinem Bundesland habe es nach einem Junggesellenabschied in Budapest und einer Rentnerbusreise nach Franzensbad gegeben: „Die haben Corona-Tupperpartys gefeiert!

Deshalb steht jetzt auf seiner To-Do-Liste ganz oben: „Ordnungsämter fitmachen, Polizei, Bundespolizei fitmachen, und mehr Personal für die Gesundheitsämter zur Nachverfolgung!“

Interessantester Aspekt

„Herr Seehofer hat angeboten, dass die Bundespolizei mit eingesetzt wird“, berichtete Ramelow. „Das ist bei mir jetzt auch schon praktiziert worden.“

„Da nickt der linke Politiker“ stichelte die Talkmasterin, „und sagt: Her mit der Bundespolizei, her mit der Bundeswehr!“

Wenn ich mir angucke, dass wir in Apolda, als die Senioren aus Franzensbad zurückgekommen sind!“ erwiderte der Ministerpräsident. „Das hätten wir ohne die Bundeswehr am Ende nicht in den Griff bekommen!“

Spannendster Vergleich

Danach erzählte Ramelow von einem Gespräch mit dem schwedischen Botschafter: „In Deutschland fragt man erst nach der Strafe, dem Ordnungsgeld, und nach der Kontrolle. Darüber kann ein Schwede nur den Kopf schütteln!“

Denn, so der Linke-Politiker: „Was dort die Volksgesundheitsbehörde empfiehlt, wird von den Schweden eingehalten.“ Punkt!

Dann ging der Zoff los

„Was wir gestern beschlossen haben, das sind wesentliche Meilensteine“ lobte Ramelow zufrieden. Trotzdem kochte noch genug Wut unter der dünnen Haut: „Wie schaffen wir es, dass auch Journalismus vielleicht sich darauf konzentriert, dass wir nicht sechzehn Dödel sind, die alle nur durcheinander reden?“

„Das haben Sie jetzt schon zwei Mal gesagt“, ätzte Illner unbeeindruckt. „Niemand stellt das grundsätzlich in Frage!“

Da redete sich Ramelow plötzlich in Rage: „Wissen Sie, was ich heute den ganzen Tag gehört habe?“ blaffte er die Talkmasterin an. „Und an welchen Stellen ich Interviews geben durfte, weil jeder sagt, ihr seid euch ja nicht reinig?“

Heftigste Kabbelei

„Sie sind von den Sommerferien überrascht worden!“ spottete Illner mit höhnischer Ironie. „Und Sie sind auch jetzt überrascht worden, dass wir Herbstferien…“

Doch damit zündelte sie an einer ganz kurzen Lunte. „Ich bin überhaupt nicht überrascht worden!“ schnaubte der Ministerpräsident. „Wir sind nicht überrascht worden! Ich hoffe, dass wir endlich verstehen, dass wir nicht immer einheitlich einen Lockdown für ganz Deutschland beschließen müssen!“

Sein Schlusswort: „Wenn wir so miteinander umgehen würden, hätten wir ein höheres Maß an Gelassenheit!“ Uff! Ramelow und Gelassenheit!

Verblüffendstes Beispiel

Für den Mann vom Gesundheitsamt wäre „ein ganz wesentlicher Punkt die sogenannte ‚Sterblichkeit an der Erkrankung‘“.

Denn, so Gottschalks Exempel: „Sie hatten einen schweren Verkehrsunfall, werden kurz vor der Operation noch einmal getestet, haben einen positiven Nachweis und versterben an den Folgen des Unfalls – dann werden Sie trotzdem als Covid-19-Toter gezählt!“

Dringende Forderung des Experten: „Das ist etwas, das dringend überdacht werden muss, denn dann zeigen sich auch ganz andere Zahlen!“

Manchmal fühlt man sich so ein bisschen in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückversetzt“, wundert sich der Professor.

Virologe Schmidt-Chanasit hat noch einen anderen Punkt: Lungenentzündungen. „Wir haben jedes Jahr 700.000 Pneumonien“, berichtet er. „300.000 müssen ins Krankenhaus, davon sterben 40.000. Aber da gab es keine einzige Talksendung dazu in den letzten Jahren…“

Fazit: Hektisches Nachkarten mit breitbeinigen Argumenten, die grassierende Unzufriedenheit des Publikums mit enttäuschenden Politikern machte miese Laune, außerdem waren noch einige Rechnungen zu begleichen: Das war ein Talk der Kategorie „Nachgehackt“.

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