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Corona-Fachtalk bei Maybrit Illner: Kanzleramtsminister Braun verspricht „eine knappe Milliarde“ für Kunst und Kultur

„Maybrit Illner: „Corona-Leichtsinn – weniger Regeln, mehr Ärger?“ ZDF, Donnerstag,11.Juni 2020, 22,15 Uhr.

Kanzleramtsminister Helge Braun hat in der ZDF-Talkshow

„Maybrit Illner“ am Donnerstag „eine knappe Milliarde“ als Soforthilfe für Corona-Opfer in Kunst und Kultur zuigesichert.

Wörtlich sagte Braun: „Was wir vorhaben, morgen früh um 9 Uhr im Kabinett, ist, ein neues Programm auf den Weg zu bringen von Peter Altmaier, wo auch die Solo-Selbständigen mit bis zu 9000 Euro unterstützt werden!“

Mehr noch: „Unsere Kulturstaatsministerin Monika Grüter wird nächste Woche auch noch ein spezielles Kulturprogramm auf den Weg bringen“, versprach Braun, „wo wir sowohl die Einrichtungen unterstützen als auch fördern, dass Kunstevents wieder stattfinden können.“

Dafür, dass „Kunst auch in Corona-Zeiten wieder einen Stellenwert bekommt“, werde es „eine knappe Milliarde Euro geben“.

Kinder müssen Abstand halten, Demonstranten nicht. Das macht viele sauer. Maybrit Illners Gäste diesmal

Der Kanzleramtsminister ist Arzt und redet in Talkshows auch immer wie der Doktor in der Sprechstunde. Er wurde aus Mainz zugeschaltet.

Der Virologe Prof. Hendrik Streeck tadelt den deutschen Lockdown: „Zu schnell!“

Die Musiklehrerin Miriam Pech leitet eine Oberschule in Berlin und dazu auch noch einen Fachverband. Ihre Forderung: Flächendeckende Tests für Schüler und Lehrer!

Die Netzaktivistin Katharina Nocun schrieb über „Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen“.

Der Kabarettist Sebastian Puffpaff klagte auch für seine arbeitslosen Kunst- und Kulturkollegen: „Bei uns ist Schicht im Schacht!“

Feste Haltungen, klare Meinungen, abgesichertes Wissen! Schon das Intro hatte mit Schmackes.

Zum Start fiel der Talkmasterin erst mal eine noch schärfere Formulierung ein: „Gelten die Corona-Regeln bald nur noch für die Dummen?

Der Minister wiederum steuerte ohne Umweg auf die Kernfrage zu: „Haben wir in Deutschland die Kraft, solche Verbotsregeln über längere Zeit durchzuhalten?“ Davon hängt jetzt alles ab!

Schönster Versprecher

„Es gibt Ungerechtigkeiten“, schimpfte die Talkmasterin und verhaspelte sich gleich mal: „Ohne Maske im Bus, da gibt‘s kein Preisgeld – kein Bußgeld, sorry!“

Deutlichste Ermahnung

„Die Aufgabe lautet nicht, dass diejenigen, die sich danebenbenehmen, die Trendsetter sind dafür, dass wir die Regen lockern!“ warnte Braun.

Sein Appell an die Sorglosen: „Wir müssen alle dazu bringen, zu sagen: Ihr riskiert damit nicht nur eure eigene Gesundheit, sondern ihr setzt für die ganze Gesellschaft was aufs Spiel!“

Berechtigtste Klage

Wir erleben gerade leider ein Berufsverbot“, beschwerte sich Kabarettist Puffpaff aus der „heute Show“.

Das gelte zwar nicht für die Fernsehschaffenden, und er wolle sich auch nicht als Märtyrer stilisieren, aber: „Wir lassen gerade die Kunst ausbluten!“

In eigener Sache

Zu den Schulöffnungen sagte Virologe Streeck: „Man traut sich ja in dieser emotionalen Debatte gar nicht mehr, seine Einschätzung oder Empfehlung zu geben! Natürlich habe ich auch eine Meinung dazu. Aber es wird dann ja entweder verkürzt dargestellt, was man gesagt hat, oder es wird der eine gegen den anderen aufgebauscht!

„Wir sitzen alle in einem Boot!“, sagt der Wissenschaftler für sich und seine Kollegen. „Wir sind ja keine Gegenspieler!“

Vorsichtigste Antwort

Die Talkmasterin hakte trotzdem nach: Ob Lehrer denn ein höheres Risiko hätten? wollte sie wissen.

„Virologisch ist eigentlich alles gesagt“, antwortete Streeck. „Aber das gesammelte Wissen, was wir haben, ist: Kinder können gleich infektiös sein wie Erwachsene oder weniger.“

Und: „Immer mehr Daten tendieren dahin, dass sie eher sagen, dass Kinder weniger infektiös sind und weniger an der Ausbreitung des Virus beteiligt sind.“ Puh! Das war eine schwere Geburt!

„Es ist manchmal auch wichtig, Regeln zu brechen!“ meinte die Lehrerin mutig.

Dringlichste Aufforderung

Der Minister brachte das Problem auf den Punkt: „Wir haben viele Lehrer, die schon etwas älter sind und deshalb in die Risikogruppe gehören“, erklärte er. „Und je jünger Kinder sind, desto weniger kann man sie auf Abstandsregeln verpflichten.“

„Die Bundesländer machen gute Konzepte“, lobte Braun. „Aber ich würde mir wünschen, dass das insgesamt etwas zügiger geht!“

Denn: „Wir merken, dass es für die Familien ein Riesen-Aufwand ist, wenn die Kinder nur teilweise zur Schule gehen.“

Wichtigste Information

„Das Infektionsrisiko hat nichts damit zu tun, wie alt man ist“, stellte Streeck fest. „Außer bei Kindern, und wenn man eine Vorerkrankung hat.“

Denn: „Selbst wenn man eine schwere Lungenerkrankung hat“, erklärte der Virologe weiter, „bedeutet das nicht automatisch, dass man sich leichter infiziert, und auch nicht, das man einen schweren Verlauf hat.“

Interessanteste Frage

Illner wurde es nun doch zu akademisch, und sie setzte einen neuen Impuls: „Auch über Blutgruppen wird plötzlich diskutiert!“, sagte sie. „A soll weniger risikobelastet sein als andere. Stimmt das?“

Traute sich Streeck dazu was zu sagen? Er traute. Die Blutgruppe A sei „jetzt assoziiert“ worden „mit einem schwereren Verlauf, von einer genetischen Studie, die jetzt durchgeführt wurde“, dozierte er im schönsten Hörsaalsprech.

In den Niederlanden und in Australien hätten Studien gezeigt, so der Wissenschaftler weiter, „dass die jüngeren Kinder nicht wirklich häufiger infiziert sind und das Virus weitergeben.“ Aber: „Man kann es ja nicht wirklich sagen.“ Uff! Wieder nichts!

Klarste Absage

Generelle Tests für alle sind für den Minister keine Option, denn: „Bei den niedrigen Zahlen, wie wir sie momentan haben, sind die Experten skeptisch.“

Der Grund: „Dann haben wir mehr falsche Tests, als wirklich gefundene Infektionen“, fürchtete Braun. Tests für alle könnten allerdings sinnvoll sei „in einer Region, wo es höhere Infektionszahlen gibt.“

Schönstes Eigenlob

Über den neuen elektronischen Corona-Warner fürs Handy sagte Braun fröhlich lächelnd: „Wir sind nicht die ersten, die eine App präsentieren, aber es ist im weltweiten Maßstab sicherlich die beste!“

Dieses Programm würde sich sogar die extrem datenschutzsensible Netzaktivistin herunterladen: Nicht zuerst aus Sorge um die eigene Gesundheit, sagte Nocun, sondern vor allem wegen der Mitglieder ihrer Familie, die schon etwas älter seien.

Pessimistischste Prognose

Wir wissen einfach nicht, ob es einen Impfstoff geben kann, oder wie schnell das kommt“, klagte Streeck. „Wir haben auch gegen die größten infektiologischen Killer der Welt – Malaria, Tuberkulose, HIV – keinen Impfstoff, obwohl schon seit vielen Jahren daran geforscht wird.

„Es wäre wunderbar, wenn das Virus einfach verschwindet, aber das wird nicht passieren“, meinte der Forscher. Die beste Strategie sei eine Teilimmunität in der Bevölkerung, denn das sei eine natürliche Impfung.

Hoffnungsvollste Vorhersage

Braun dagegen ist „relativ optimistisch, dass wir zu einem Impfstoff kommen“, denn „die Forschung ist momentan auf einem sehr, sehr guten Weg!“

Das Virus wird seine Schrecken schrittweise verlieren“, prophezeite Braun. „Und in dem Maße können wir dann auch wieder zur Normalität übergehen.“

Streeck steuerte noch ein Outing bei: „Ich bin großer Impf-Fan“, berichtete er. „Seit 15 Jahren jedes Jahr Grippe-Impfung!“

Stolzeste Bilanz

„Wir haben, was Beschränkungen angeht, oder das Herunterfahren der Wirtschaft, weniger gemacht als Spanien, Frankreich und andere“ stellte Braun zum Schluss zufrieden fest. „Und trotzdem schaut die ganze Welt bewundernd auf Deutschland!“

Schönstes Schlusswort: „Die große Linie, die wir bis hierhin haben, hat Deutschland vor Schlimmerem bewahrt“, lobte der Minister. „Es ist unserer Disziplin als deutscher Bevölkerung zu verdanken, dass wir heute so gut dastehen!“ Und das darf dann auch mal gesagt werden.

Fazit: Fachtalk ganz ohne die sendungsbewussten Weihepriester der Deutungselite, auch flog kein Politkitsch aus der Konfettikanone der Systemkritik: Das war eine Talkshow der Kategorie „Fachlich, sachlich, gut“.

 

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