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Corona-Ansage bei „Anne Will“: So will Scholz die Gastronomie vor Pleiten retten

„Anne Will: Die Corona-Krise – wie drastisch müssen die Maßnahmen werden?“ ARD, Sonntag, 15.März 2020, 21.50 Uhr.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag angekündigt, für durch den Corona-Virus von Pleite bedrohte Gastronomiebetriebe möglicherweise die Mietzahlungen zu übernehmen.

Wörtlich sagte der Vizekanzler: „Wir wollen im Rahmen der Förderprogramme eine Möglichkeit organisieren, bestimmte Belastungen irgendwann als Förderung zu bekommen, so dass sie nicht getragen werden müssen.“

„Weil“, so der Minister zur Begründung, „ein kleiner Betrieb nicht in der Lage ist, drei Monate die Miete weiter zu bezahlen, ohne Einnahmen zu haben.“

„Das ist ein Fonds, den man über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abwickeln kann“, fügte der Minister hinzu. „So ist jedenfalls meine gegenwärtige Überlegung.“

Und: „Es wird noch mehr solche Überlegungen geben, dass wir Branche für Branche das konkrete Problem genau verstehen und versuchen, Arbeitsplätze zu retten und die Unternehmen in die Lage versetzen, dass sie, wenn es wieder weitergeht, noch da sind.“ Uff!

Schlagbaum runter, Zugbrücke hoch, Schotten dicht, Deutschland schaltet auf Sparflamme! Auch Anne Will sperrt ihr Publikum aus. Die Gäste:

  • Bundeskassenwart Scholz muss jetzt Milliarden locker machen.
  • Armin Laschet (CDU), Chef des größten Bundeslandes, will nach Corona Parteichef und Bundeskanzler werden.
  • Der Mikrobiologie Alexander Kekulé forderte schon im Januar, Kitas und Schulen zu schließen.
  • Claudia Spies, Intensivmedizinerin der Charité, stellte klare Pläne für Krankenhäuser vor.
  • Die Gastronomin Angela Inselkammer kämpft als Präsidentin für den Hotel- und Gaststättenverband.
  • Die Wirtschaftsjournalistin Cerstin Gammelin („SZ“) zählt zum Stammpersonal der öffentlich-rechtlichen Talk-Szene.

Geistertalk! Keine Zuschauer, also auch kein meinungslenkender Applaus.

Zum Start eine ungewöhnlich realistische Selbsteinschätzung: „Wir treffen jetzt jeden Tag Entscheidungen, von denen wir nicht wissen, ob es exakt die richtigen sind“, gab der Finanzminister umstandslos zu.

Härtester Vorwurf

Wir haben wahnsinnig viel Zeit verschlafen!“ schimpfte Virologe Kekulé. Mit „wir“ meinte er natürlich nicht etwa sich selbst, sondern die Politiker.

Besonders fatal seien die späten Schließungen von Kitas und Schulen. „Ein Kind, das nach Rückkehr aus dem Urlaub nicht als infiziert erkannt wird, hat acht Wochen später 3000 Menschen angesteckt“, rechnete der Experte vor. „Davon kommen 200 bis 300 auf die Intensivstation, und 15 sterben!“

Alarmruf des Abends

„Wir sind jetzt in der schlimmsten Phase“, warnte Kekulé. „Nur wenn wir jetzt alles stilllegen, einen Shutdown des ganzen Landes machen, können wir verhindern, dass die Zahl der Infizierten weiter exponentiell ansteigt!“

Auch sei vielen nicht klar, dass die Statistik hinterher hinkt: „In Wirklichkeit sind wir schon weit über die gemeldeten rund 5000 Fälle hinaus!“

Überzeugendste Rechtfertigung

Laschet wies den Vorwurf, die Politik habe gepennt, scharf zurück: Noch am Donnerstag im Kanzleramt habe ein Virologe eingestanden, bis gestern habe er Schulschließungen noch für falsch gehalten, jetzt aber nicht mehr. Daraufhin hätten die Bundesländer sofort gehandelt.

Es ist die ernsteste Situation in den letzten 70 Jahren unseres Landes!“ stellte der Ministerpräsident fest.

Seltsamste Kritik

„In Europa dürfen Waren die Grenzen passieren, aber die Menschen dürfen nicht kommen!“ klagt die Journalistin. Hm – liegt wohl daran, dass Viren selten in Lastwagen reisen…

Verblüffendste Feststellung

Für die Epidemiologie gibt es kein Argument, warum Menschen unbedingt die ganze Zeit zuhause bleiben müssen“, sagt Kekulé zur allgemeinen Verwunderung. „Familien sollten im Park spazieren gehen dürfen!“ Natürlich mit Sicherheitsabstand zu anderen Besuchern.

„Sie sperren die Leute in ihre Wohnungen ein!“ warf der Virologe den Politikern vor. „Das ist eine absolut kontraproduktive Maßnahme! Es ist wahnsinnig schwierig, auch psychologisch, die ganze Republik in der Bude einzusperren!“

Dramatischste Prognose

Intensivmedizinerin Spies definierte die „soziale Distanz“ aus Sicht der Seuchenbekämpfung mit „zwei Meter Abstand“.  Aber: „Das wird nicht gemacht. In den Schlangen vor den Eisdielen stehen die Leute viel enger zusammen.“

Das Schwierigste wird sein, bei den tausenden Patienten, die nach den nächsten sechs bis zehn Tagen in die Krankenhäuser kommen werden, die Ruhe zu bewahren“, sagte die Ärztin voraus. „Die Krankenhäuser müssen sich gut überlegen, wie sie das schaffen können!“

Pessimistischste Vorhersage

Es gibt die Gefahr, dass von unseren 220.000 Betrieben in Deutschland nach der Krise die Hälfte nicht mehr existiert!“ fürchtet Gastronomie-Präsidentin Inselkammer.

Drastischster Vergleich

Eine Pandemie, das ist, wie wenn eine Bombe explodiert!“ schilderte Kekulé.

Seine Warnung an die Politiker: „Der nächste Kommunikations-GAU kommt, wenn Sie die Leute in zwei, drei Wochen wieder rauslassen müssen, auch wenn die Pandemie dann noch gar nicht vorbei ist!“

Tröstlichste Infos

Scholz berichtet, dass zusätzliche 10.000 Beatmungsgeräte sowie große Mengen Schutzkleidung und Schutzmasken bestellt seien – in Deutschland.

Dann ging der Zoff los

Kekulé lobte die Schulschließungen, aber: „Ich frage mich nur, warum Sie so lange gezögert haben!

„Was heißt denn ‚lange gezögert‘?“ fragt Laschet pikiert.

„Am Anfang hieß es immer, das sei nicht möglich“, warf ihm der Virologe vor.

Der Ministerpräsident schaltete sofort in den Angriffsmodus: „Nicht möglich? Mir haben kluge Virologen gesagt, es wäre nicht gut, die Schule zu schließen!“ entgegnete er.

„Ach, das waren die Virologen!“ spottete Kekulé. „Sie wissen, ich habe das vehement vertreten, dass man die Schulen schließt, bevor die Kinder aus den Ferien zurückkommen!

Aber Laschet kann auch Foul: „Wir haben gar keine Ferien!“ erwiderte er, als ob es in dieser Frage nur auf sein eigenes Bundesland ankäme.

Härteste Worteschlacht

„Das war damals in Bayern, hauptsächlich“ musste der Experte einräumen, griff aber gleich wieder an: „Es hieß immer, wir hätten dann in der kritischen Infrastruktur zu wenig Leute“, sagte er und meint die Ärzte, Krankenschwestern, Feuerwehrleute oder Polizisten, die dann wegen ihrer Kinder zuhause bleiben müssten.

„Dieses Argument ist eines, das wir intensiv erörtert haben“, konterte Laschet. „Weder das Robert-Koch-Institut noch Ihre Kollegen haben gesagt: Schließt die Schulen! Wir haben es trotzdem gemacht…“

„Bravo!“ höhnt der Virologe.

Vernünftigster Vorschlag

Die Journalistin grinste, der Finanzminister hüstelte, die Ärztin blickte nach vorn: „Es wird sicher eng“, sagt sie über die Situation der Krankenhäuser.

Ihr Plan ist ein Stufenkonzept, das Patienten nach der Schwere ihrer Infektion laufend umbettet.

Die Kriterien: „Normal sind 14 bis 16 Atemzüge pro Minute und eine Sauerstoffsättigung von 98 bis 100 Prozent“, erläutert sie. Bei Schwerkranken steige die Zahl der Atemzüge auf 24, die Sauerstoffsättigung sinke auf 90 Prozent“ – Lebensgefahr!

Dringlichste Forderung

„Wir brauchen unbedingt Liquiditätshilfen“, verlangte die Verbandspräsidentin. Das Problem sei, dass mancher Gastronom durch Kredite und Steuerstundungen einen Schuldenberg aufbaue, den abzubauen er dann gar keine Chance mehr habe.

Dabei, so Inselkammer „ist es auch für unsere Gesellschaft, für die Menschen wichtig, zu sagen: Das Leben geht weiter, wir haben wieder Freude, es wird wieder schön!“

Ihre Bitte an den Finanzminister: Nur noch 7 Prozent Mehrwertsteuer für die Gastronomie!

Härteste Abfuhr

„Wenn Sie nichts verdienen, müssen Sie gar keine Steuern zahlen“, antwortet der Minister kühl.

Seine Kritik: „Ich bin ein bisschen skeptisch, dass jetzt lauter Vorschläge auf den Tisch kommen, die seit Jahren da sind und bei dieser Gelegenheit alle wieder neu vorgebracht werden, nur, die Begründung ist jetzt plötzlich der Virus!“

Sachdienliche Hinweise ganz ohne Moralpöbelei und Korrektnessmobbing: Das war ein Talk der Kategorie „Durchhalteübung“.

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