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Corona-Angst bei Anne Will: Bundesliga nur noch ohne Zuschauer!

„Anne Will: Quarantäne, Hamsterkäufe, abgesagte Veranstaltungen – wie berechtigt ist die Angst vor dem Coronavirus?“ ARD, Sonntag, 8.März 2020, 21.45 Uhr.

Der nordrhein-westfälische Wirtschafts-, Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag angekündigt, dass schon das Bundesliga-Spiel Mönchengladbach-Köln am Mittwoch höchstwahrscheinlich ohne Zuschauer stattfinden werde.

Gelassenstes Statement

ARD-Talkmasterin Anne Will hatte den CDU-Politiker gefragt,

wie es wohl sein könne, dass Italiens Fußballer komplett ohne Publikum kicken, unsere Bundesliga-Stadien aber proppenvoll sind?

Das werde wohl nicht so bleiben, meinte der Minister daraufhin, denn: „Wir werden in NRW ab sofort keine Veranstaltung mit mehr als 1000 Personen mehr zulassen!“

Das sei, so Laumann weiter, zwar nur eine „Empfehlung“ an die zuständigen Behörden, praktisch aber eine „Anordnung“.

Die Gäste

Laumann schafft gerade eine Million Schutzmasken für Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeheime an.

Der ARD-Journalist Ranga Yogeshwar kritisiert vor allem die Kollegen in den Medien: „Dort fehlt es an Besonnenheit!“

Prof. Susanne Herold, Spezialistin für Infektionserkrankungen der Lunge, warnt: „Es ist sinnvoll, Großereignisse wie Messen abzusagen!“

Sibylle Katzenstein, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Geriatrie, fordert: „Wir brauchen jetzt unkonventionelle Lösungen. Alte Menschen müssen aus den Praxen herausgehalten werden!“

Der Ökonom Prof. Marcel Fratzscher behauptet: „Das Schädlichste am Coronavirus ist die Überreaktion und deren wirtschaftliche Folgen!“

Politiker handeln, Journalisten berichten, Experten kritisieren. Wie hoch stieg der Erregungspuls?

Unverständlichster Fall

Als Ouvertüre brachte Talkmasterin Will ein Skype-Interview mit Opernsänger Michael Volle: Er hatte an der Mailänder „Scala“ mit Infizierten geprobt und muss jetzt zu Hause in Brandenburg noch bis nächsten Donnerstag in Quarantäne sitzen, obwohl er negativ getestet ist.

Sein Problem: Nichts Genaues weiß man nicht. Gesundheitsamt, Hausärztin, Charité und auch die Talk-Runde: Ratlosigkeit allerorten.

Die Infektionsprofessorin schlug immerhin vor, der Sänger möge am Ende der Quarantäne von neuem testen. Sei er dann positiv, muss er sich weiter selbst isolieren. Uff!

Interessanteste Idee

Ärztin Katzenstein konnte den Patienten in ihrer Berliner Praxis lange nichts weiter sagen als: „Geht nach Hause!“ Dann aber kam sie auf den Gedanken, dass Leute mit Corona-Verdacht jemand schicken sollen, der bei ihr ein Test-Kit abholt.

Die Betroffenen machen den Abstrich selber, der Bote bringt das Kit zurück und die Ärztin schickt es ein. So geht‘s also auch. Inzwischen macht Frau Doktor Sprechstunden per Video. Ansteckungsgefahr null.

Markanteste Zahlen

Laumann ist von Panik verbal wie körpersprachlich extrem weit entfernt. „Wir haben klare Richtlinien“, stellte er fest. „Wer aus einem Krisengebiet kommt, wird getestet. Sonst nur, wer die Symptome hat.“

Denn, so der Minister in aller Bärenruhe: „In Deutschland können wir pro Tag 20.000 Personen testen. In NRW 5000 bis 6000. Ich habe den Eindruck, dass unser Gesundheitssystem professionell mit dem Problem umgeht!“

Eindringlichste Warnung

ARD-Allzweckexperte Yogeshwar war das zu wenig: „Es handelt sich um ein exponentielles Wachstum“, dozierte er. „Die Fälle werden sich jede Woche verdoppeln, und das bedeutet, dass wir Ende Mai eine Million Infizierte haben werden!“

Aber auch das sagte der ARD-Mann: „Was ich so ein bisschen erlebe, ist, dass wir jetzt so ein komisches Gemisch haben: Eigentlich kaum Erkrankungen, 1000 Stück, aber Panik, Hysterie, an einigen Stellen bis in die Absurdität hinein!“ Ja was denn nun: Hallo wach oder doch lieber Valium?

Düsterste Prognose

Prof. Fratzscher war eingeladen, die wirtschaftlichen Kosten zu beziffern, und legte gleich mächtig los: „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Arbeitslosigkeit steigen wird!“

Seine Warnung: „Corona bringt deutlich mehr Tote und Infizierte als eine Grippe und wird Deutschland sehr hart treffen!“

Alarmierendste Zahlen

Die Infektionsexpertin schockte mit erschreckenden Fakten: „Bei der letzten großen Grippewelle gab es in Deutschland 25.000 Tote“, stellte sie fest. „Und jetzt sieht es so aus, dass die Mortalität noch deutlich höher ist!“

Ihre Vergleichswerte: In Wuhan anfangs 17 Prozent, inzwischen 5,4 Prozent der Infizierten verstorben. In Restchina nur 0,7 Prozent. In Italien aber über 3 Prozent, und niemand wisse, warum es dort so viele seien.

Energischste Forderung

Laumann strahlte trotzdem Zuversicht aus: „Das Virus verträgt Wärme nicht. Deshalb sagen viele, dass wir im Sommer eine Verschnaufpause bekommen!“

Sein aktuelles Problem ist die Beschaffung von Schutzkleidung für das medizinische Personal. Auf internationale Lieferketten will er sich nicht mehr verlassen: „Wir müssen deutschen Firmen Kontingente einräumen, damit sie hier wieder produzieren!“ erklärte er. Dafür gab’s Beifall.

Aktuellste Frage

Wie es mit Veranstaltungen gehen könnte, zeigte der Minister am Beispiel Bundesliga: Für das Spiel in Mönchengladbach am Samstag hatten auch viele Fans aus dem besonders von Corona betroffenen Kreis Heinsberg Karten. Sie wurden angeschrieben und gebeten, nicht zu kommen.

„Ihnen wurden die Kosten erstattet und gleichzeitig ein kostenloser Stadionbesuch in der Zeit nach Corona zugesichert“, berichtete Laumann nun. Aber: „In der Politik geht es auch immer um die Frage der Verhältnismäßigkeit!“ Denn: „Wenn Virusangst um sich greift, wird das am Ende mehr Probleme machen als das Virus selbst!“

Dann ging der Zoff-o-Meter doch noch los

Ärztin Katzenstein war genervt: „Wir reden über die falschen Dinge!“ beschwerte sie sich. „Wir reden über Fußballspiele! Wenn wir nach China sehen, finde ich unsere Gesellschaft viel zu individualistisch! Es geht um den Schutz der alten, kranken Menschen!“

Ihr Lösungsansatz: „Fundierte Aufklärung, damit jeder selber entscheiden kann, ob er Angst hat!“

Klarste Ansage

Laumann, auch Wirtschafts- und Sozialminister, forderte gegen die drohende Krise vor allem einen „unbürokratische Lösung beim Kurzarbeitergeld“. Denn, so der CDU-Politiker: „Das wichtigste ist, dass die Unternehmen ihre Belegschaften zusammenhalten!“

Dialog des Abends

Prof. Fratzscher verlangte deutlich mehr: Eine „temporäre Senkung“ der Mehrwertsteuer.

„Um wieviel?“ fragte die Talkmasterin sofort.

„Das ist extrem teuer“ gab der Experte zu. „Jeder Prozentpunkt kostet knapp zehn Milliarden Euro.“

Der Minister guckte seinen Nachbarn skeptisch an.

Der Professor wollte ihm die Idee schmackhaft machen: „Es hilft vor allem Menschen mit geringem Einkommen“, lockte er. Ein Investitionsprogramm schlug Fratzscher gleich auch noch vor. Das kostet natürlich wieder Steuergeld.

„Herr Laumann duckt sich weg“, frotzelte die Talkmasterin. „Wann immer Steuererhöhungen für einen CDU-Politiker im Raum sind, dann…“

„Ich ducke mich überhaupt nicht weg“, wehrte sich Laumann und bügelte den Fratzscher-Vorschlag locker ab. „Meine Wahrnehmung ist, dass zumindest im Handwerksbereich die Auftragsbücher so voll sind, dass man fast keine Handwerker mehr kriegt!“

Und: „Wir haben jetzt schon die Situation, dass viele Fördermittel gar nicht mehr abfließen, weil die Kapazitäten der deutschen Wirtschaft vollkommen erschöpft sind, im Hochbau, im Tiefbau…“

Emotionalstes Schlusswort

Am Schluss kam Yogeshwar noch mal mit einer massiven Kollegenschelte um die Ecke: „Die Medien sind extrem hysterisch!“ schimpfte er. „Sobald einer eine Entscheidung fällt, kriegt er Prügel!“ So habe etwa Jens Spahn gesagt, geht ruhig mit der Sache um, „und wurde dafür von den Medien geprügelt!“

Seine Hoffnung sei, so der ARD-Experte, „dass die Art und Weise, wie wir Medien nutzen, vielleicht auch im Ergebnis dieser Krise überdacht werden sollte. Wenn wir Medien nur als Erregungsbewirtschaftung sehen: Diesen Kreislauf müssen wir durchbrechen!“

Denn: „Das Leben hat immer Risiken. Wir leben in einer Zeit, in der das kleinste Risiko aufgebauscht wird und wir gar keine Verhältnismäßigkeit mehr sehen!“ Dafür gab es einen kräftigen Schlussapplaus.

Fazit

Allgemeines Stochern im Faktennebel mit den handelsüblichen Debattenfouls. Mehrwert fraglich, aber immerhin die Politik voll auf Kurs: Das war ein Talk der Kategorie „Not-Programm“.

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