„Anne Will: Politik im Krisenmodus – wer hält das Land noch zusammen?“ ARD, Sonntag, 16.Februar 2020, 21.45 Uhr.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder hat sich in der ARD-Talkshow „Anne Will“ deutlich gegen eine Wiederwahl des thüringischen Ex-Ministerpäsidenten Bodo Ramelow mit CDU-Stimmen ausgesprochen.
Wörtlich sagte der Politiker, der immer wieder als möglicher Kanzlerkandiat der Union ins Spiel gebracht wird: „Man kann doch nicht mit dem Kopf durch die Wand!“ Ramelow unter allen Umständen, sonst gehe die Demokratie in Thüringen kaputt – das könne es wohl nicht sein.
Söders Warnung: „Wenn die CDU mit der Linkspartei zusammengeht, dann gibt es kaum ein Halten nach ganz rechts. Denn dann werden viele sagen: Was, ihr arbeitet mit einer Partei zusammen, die für Mauer und Stacheldraht steht?“
Zunächst aber war die Führungsmannschaft der größten Regierungspartei das Thema. Bildet sich jetzt etwa ein CDU-Triumvirat? Vorsicht, im alten Rom ging das zweimal gründlich schief! Auch die anderen Parteien müssen sich sortieren. Anne Will hatte dazu gleich drei Parteivorsitzende eingeladen.
- Söder hat schon mal gezeigt, wie man eine Doppel-Eins wird.
- Saskia Esken schnappte sich ihren Posten als Co-Parteichefin mit einem Überraschungscoup aus der Außenseiterposition.
- Auch Annalena Baerbock (Grüne) ist als Doppelspitze unterwegs, aber im Kanzleramt kann es nur eine/n geben!
- Der Altliberale Gerhart Baum war immerhin mal Chef der Jungdemokraten und später neun Jahre lang FDP-Vize.
- Der Journalist Giovanni di Lorenzo ist seit sechzehn Jahren Chefredakteur der „Zeit“.
Profis unter sich! Zum Start gab es gleich eine klare Grenzziehung: „Es geht nicht um Personal, es geht um die grundlegende Strategie“, stellte Söder fest und faltet seine 1,94 Meter in den viel zu engen Raum zwischen Sesselkante und Couchtisch.
Die Kampfansage des Bayern lautete: „Die AfD muss man anders angehen, die muss man stellen, die muss man bekämpfen – und sich nicht klammheimlich von ihr wählen lassen!“
Rumms! Auf diesen bayerischen Bierdeckel passt keine andere Meinung mehr.
Interessanteste Erklärung
Die Grüne-Chefin saß in Knallrot zur Rechten des CSU-Chefs und kritisiert: „Ich finde es gefährlich, von ‚Systemkrise‘ zu sprechen, dass wir jetzt anfangen, das ‚Wording‘ der AfD zu übernehmen“…
„Sie meinen die Wortwahl“, übersetzte Talkmasterin Anne Will.
„Genau“, sagte Baerbock. „Ich kommen gerade von einer internationalen Konferenz mit englischer Sprache!“
„Super!“ lobte Will ironisch und erinnert an den Titel ihrer Sendung: „Wer hält das Land zusammen?“
„Dass dieser Dammbruch innerhalb von 72 Stunden zurückgenommen wurde“, antwortete Baerbock, „das war die demokratische Zivilgesellschaft in unserem Land!“
Deutlichste Wahlempfehlung
FDP-Baum zeigte keinerlei Probleme mit mangelnder Abgrenzung nach Linksaußen – im Gegenteil: „Jetzt muss Ramelow gewählt werden!“ riet er umstandslos. „In Thüringen gibt es keinen anderen Weg!“
Seine größte Sorge illustrierte der Altliberale mit ein Goebbels-Zitat: „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen“, hatte der spätere Nazi-Propagandaminister 1928 gesagt. „Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. […] Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.“
Mutigster Meinungsbeitrag
„Wir haben keine Systemkrise, sondern einen nie erlebten Einfluss der Rechtsextremisten auf die Parlamente“, warnte SPD-Eskens.
Journalist di Lorenzo traute sich was: „Wir können nicht 25 Prozent der Wähler wie auf einem ‚Corona-Kreuzfahrtschiff unter Quarantäne stellen!“ sagte er trocken.
Wirksamstes Gegenmittel
Baum wollte die AfD-Wähler mit Werbung umdrehen: „Wir müssen die Leute überzeugen, dass wir die wunderbarste Demokratie haben!“ schlug er vor.
Söder hat ein anderes Rezept auf Lager: „Die AfD ist dort besonders stark, wo besonders viel Strukturschwäche ist“, erklärte er. Dazu gehöre, „nicht eine Batteriefabrik nach Münster zu geben, sondern in die neuen Bundesländer, wo sie Arbeitsplätze, Modernisierung und Zukunft schafft!“
Interessanteste Idee
„Wir brauchen nicht dieses Triste, dieses Negative, dieses Maulende, dieses Kaputtmachende“, sagte der Ministerpräsident, „sondern klaren Optimismus und natürlich Handeln!“
Söders Vorschlag: „Warum schauen wir nicht, welche großartigen Behörden es in Berlin gibt, und verlagern sie ausgiebig in die neuen Bundesländer?“
„Das machen wir doch schon!“ murrte Eskens. „Das sitzt doch viel tiefer!“ zweifelte Baum.
Knackigster Dialog
Der Altliberale setzte weiter auf seine demokratische Überzeugungskraft: „Glauben Sie nicht, dass diese Leute Orientierung brauchen?“ fragte er Söder.
„Orientierung, aber auch Handeln“, konterte der Bayer kurz und knapp.
Dann gong der Zoff los
Baerbock will, dass ihre Parteifreunde in Thüringen endlich unter Ramelow weiterregieren können. Dazu muss aber erst die CDU umgebogen werden, am besten mit unsauberen Vorwürfen und pseudomoralischem Druck.
„Wir müssen schauen, wie wir als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen können“, sagte die Grüne zu diesem Zweck. „Und da gab es eben von Seiten der Union, auch von Ihnen, Herr Söder, nicht die klare Ansage: Wir müssen uns knallhart gegen Rechts, gegen die AfD abgrenzen!“
Durchschaubarstes Argument
„Das stimmt nicht!“ widersprach Söder energisch.
„Doch!“ beharrt die Grüne und fuchtelte zur Bekräftigung mit gespreizten Fingern aufgeregt vor ihrem Nachbarn herum. „Weil Sie mit der Hufeisen-Theorie, mit der Gleichsetzung von Rechtsextremen…“
„Das können Sie mir nicht unterstellen“, wehrte sich Söder.
Simpelste Wahlkampfrede
Doch Baerbock wolle den Punkt unbedingt machen, und sei es auch mit einem Foul: „Lassen Sie mich bitte ausreden!“ forderte sie und breitete sich dann minutenlang ohne Punkt und Komma über den CDU-Gleichsetzungsbeschluss aus.
Ihr Hauptvorwurf: Söder habe CDU-Politiker, die gegen diesen Beschluss seien, nie in Schutz genommen. „Immer wieder haben wir deutlich gemacht: Demokraten müssen zusammenstehen…“ rief sie in die Runde. Sollte heißen: Demokraten müssen Ramelow, die Linkspartei und damit die Grünen wählen.
Die anderen wurden langsam unruhig, da bog die Grüne endlich in die Zielkurve ein: „Wenn Sie knallhart sagen: Nie mehr mit der AfD“, rief sie Söder zu, „dann stimmen Sie in Thüringen mit“ – natürlich für Ramelow. Ihre Fans im Publikum klatschten begeistert.
Deutlichste Positionsbestimmung
„Auschwitz ist unvergleichlich“, stellte Söder klar. „Trotzdem: Die DDR war ein Unrechtsstaat. Da gab‘s Mauer, Stacheldraht, Stasi…“
„Ich lebe in Brandenburg, das brauchen Sie mir nicht zu erklären“, fiel ihm Baerbock ins Wort. Die Grüne ist allerdings bei Hannover geboren, ging in Hannover zur Schule, studierte in Hamburg, arbeitet seither in Berlin und wohnt in Potsdam. In der brandenburgischen Provinz liegt nur ihr Wahlkreis: Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II.
Söder versuchte trotzdem, seine Ansicht über Ramelow loszuwerden: „Solange die Linkspartei…“ begann er, musste dann aber erst durch ein wütendes Empörungssperrfeuer der SPD-Chefin, der Grüne-Chefin und des FDP-Politikers arbeiten: Alle wollten ihn daran hindern, auf den entscheidenden Punkt zu kommen.
Wichtigste Klarstellung
„Die DDR war ein Unrechtsstaat, Herr Ramelow kann sich dazu nicht klar äußern, Teil der Linken werden vom Verfassungsschutz beobachtet…“ sagte Söder, als er endlich wieder zu Wort kam.
Baerbock lacht höhnisch, doch der Bayer ließ sich nicht beirren: „Solange die Linke das nicht geklärt hat, ist das keine Partei, mit der die CDU zusammenarbeiten will!“
Schönster Stich ins Wespennest
Chefredakteur di Lorenzo erinnerte noch einmal an die 25 Prozent der AfD: „In der Wirtschaft würde man das eine Sperrminorität nennen“, erklärte er. „Deshalb glaube ich, dass dieser Abgrenzungsbeschluss einfach nicht praktikabel ist.“
Auch der „Zeit“-Chef erklärte sich für Ramelow, denn das sei „pragmatisch“. Baerbock grinste zufrieden.
„Pragmatisch wäre es, wenn wir mal andere ins Spiel brächten“, entgegnete Söder. „Wenn Herr Ramelow jetzt verbrannt ist, dann gibt’s vielleicht auch andere Kandidaten…“
Ernsteste Warnung
Oho! Große Aufregung in der Runde, alle redeten wieder wild durcheinander. „Die 70 Prozent in der Bevölkerung haben?“ spottete Esken, die ebenfalls ihre Leute in Erfurt wieder ans Ruder bringen will.
Hitzigster Wortwechsel
„Aber Herr Söder!“ rief Baum erregt uhd versuchte es mit einem Totschlagsargument: „Die AfD will unsere Demokratie zerstören!“
„Der Verfassungsschutz ist auf beiden Seiten dabei“, stellte Söder nüchtern fest.
„Jetzt setzen Sie sie wieder gleich!“ schimpfte Baerbock und legt noch mal los, im Stakkato: „75 Prozent Ramelow … Die demokratischen Kräfte … Boden des Grundgesetzes … Thüringen wieder handlungsfähig…“
„Wie man eine Partei führt, das kann ich sagen: Ich habe zwei Jahre eine Partei geführt!“ sagte sie stolz.
Vernünftigste Ankündigung
Für die CDU hat Söder einen klaren Plan: Kein Bruch mit der Vergangenheit. Programm für die Zukunft mit neuen Anreizen. Und ein sehr, sehr respektvoller Umgang, auch mit der Kanzlerin.
„Ich rate dringend dazu, dass wir möglichst bald eine gemeinsame Präsidiumssitzung von CDU und CSU machen“, sagte der Ministerpräsident zum Schluss.
Aber: „Jetzt eine Kanzlerkandidatur zu beschließen und den Kandidaten eineinhalb Jahre lang durchs Land zu schicken – dann verliert die CDU jede Hoffnung!“
Politisches Sackhüpfen und Blindekuh mit klaren Verstößen gegen das Gute-Talkshow-Gesetz. Die Talkmasterin stemmte sich tapfer gegen den totalen Alleinmeinungsanspruch ihrer linken Mehrheit, die Stimme der Vernunft hatte es wie immer schwer: Das war ein Talk mit Schlagseite.