„Markus Lanz“. ZDF, Mittwoch, 19.Februar 2020, 23.30 Uhr.
Der Thüringer CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring hat in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ am Mittwoch angekündigt, dass es trotz der Regierungskrise in dem umkämpften Bundesland keine Neuwahlen geben werde.
Wörtlich sagte der Politiker, der für Mai seinen Rücktritt vom CDU-Fraktionsvorsitz im Landtag angekündigt hat: „Ich kann Ihnen etwas vorausprognostizieren: Ich glaube, wir finden gemeinsam einen Weg mit Rot-Rot-Grün, dass es eben nicht zu Neuwahlen kommt. Ich prognostiziere das mal für diese Woche!“
„Ich war immer gerne hier und bin es noch; ich glaube, es kommt von der Harmonie, in der hier alles steht“, schrieb Goethe einst aus Thüringen. Damit ist es jetzt erst mal vorbei: Auch Markus Lanz machte das Erfurter Polit-Chaos zum Thema seiner Talkshow.
Die Gäste
Der glücklose Landesparteichef Mohring hat jetzt wohl nur noch die Wahl zwischen Ramelow-Pest und Neuwahl-Cholera.
Walter Kohl, älterer der beiden Söhne Helmut Kohls, ist Unternehmer und trat jetzt in die Partei seines Vaters ein.
Die Grüne Aminata Touré, Landtags-Vizepräsidentin aus Schleswig-Holstein, ist eine Tochter von Kriegsflüchtlingen aus Mali.
Die Journalistin Cerstin Gammelin (SZ) stammt aus Sachsen und hat einen Dauerauftrag als Talkshow-Ost-Expertin.
Das Casting zeigte: Bei diesem Fernsehgericht gab‘s viele Staatsanwälte und nur einen Angeklagten.
Zum Start eine Generalbeichte
Mohring hockte neben dem Talkmaster auf dem Anklagestühlchen und legte gleich ein umfassendes Geständnis ab: „Thüringen steht in keinem guten Licht da“, sagte er mit belegter Stimme. „Ich habe da auch eine Verantwortung. Es tut mir Leid.“
„Ich habe Sie noch nie so gestresst erlebt“, meinte Lanz mitfühlend – noch.
Interessanteste Erklärung
„Ich habe schon Mitte Januar ziemlich deutlich und laut gesagt: Ich bitte darum, das man diesen Wahltermin am 5.Februar nicht durchführt“, berichtete der CDU-Politiker dann.
Und weiter: „Sondern, dass man ihn verschiebt und sich Zeit lässt. Wir brauchen Zeit, Klugheit, Besonnenheit und Ruhe. Und keine schnellen Entscheidungen. Und zwar deshalb, weil Rot-Rot-Grün keine Mehrheit hatte. Und wer mit dem Risiko einer Minderheit in eine Wahl geht, der kann scheitern.“
Härtester Konter
Mohrings Vorwurf an die AfD und sich selbst: „Wir haben nicht gesehen, dass es eine politische Partei gibt, die das parlamentarische System komplett veralbert, in Frage stellt, lächerlich macht!“
„Mir kommen fast die Tränen!“ spottete die SZ-Journalistin daraufhin. „Die CDU hat es in der Hand gehabt, dass es nicht zu diesem Chaos kommt! Sie sind einer der Hauptakteure gewesen!“
Und schon ging der Zoff los
Über den Tag der schandbaren Ministerpräsidentenwahl sagte die Journalistin zu Mohring: „Sie haben genau gewusst, was passieren kann, weil Sie so viele Anrufe aus Berlin bekommen haben, oder SMS, die Ihnen gesagt haben: Passt auf, enthaltet euch!“
„Das Handy war in meiner Hosentasche“, wehrte sich Mohring. „Wie wollen Sie wissen, was ich für SMS bekommen habe?“
„Na gut“, gab die Journalistin unwillig zu. „Sie wissen natürlich gut, was Sie für SMS bekommen haben.“
„Sie nicht!“ versetzte Mohring. Doch die Journalistin bleibt dabei: „Es gibt Menschen, die sagen, dass sie SMS geschrieben haben, die durchaus glaubwürdig sind…“
Wichtigste Stellungnahme
Nach dem Geplänkel ging es zur Sache: Mohring schilderte seine Sicht der Dinge. Als er den braunen Braten gerochen habe, habe er sofort die CDU-Vorsitzende und die Bundeskanzlerin alarmiert.
Seine Bitte an die Berliner: Kramp-Karrenbauer und Merkel sollten FDP-Chef Lindner anrufen, damit er seinen Liberalen in Thüringen sage, dass sie auf keinen Fall einen eigenen Kandidaten aufstellen sollten.
„Das haben die Vorsitzende und die Kanzlerin auch getan“, berichtete Mohring. Er selbst habe mit seinen Abgeordneten vorher alle denkbaren Szenarien durchgespielt. Aber dann sei es trotzdem schief gegangen.
Umfassendste Analyse
Als Mitschuldige an dem AfD-Coup zählt der CDU-Politiker unter pausenlosem Fragetrommelfeuer auf: Rot-Rot-Grün, FDP, CDU – alle hätten auf die eine oder andere Weise etwa falsch gemacht.
Die Journalistin war damit nicht zufrieden, sie will unbedingt Ramelow wieder im Amt sehen: „Warum in drei Teufels Namen machen die jetzt nicht einfach und wählen den, und fertig?“ fragte sie ungeduldig.
Mutigstes Versprechen
„Weil das nicht so einfach geht, und das wissen Sie auch!“ antwortete Mohring schon ziemlich mitgenommen und erinnerte zum xten Mal an die Unvereinbarkeitsbrandmauer der CDU gegen Links- und Rechtsextreme.
Unappetitlichster Vorschlag
„Sie hätten sogar eine Idee von Bodo Ramelow aufgreifen können“, meinte der Talkmaster. „Sie hätten mal kurz austreten können: ‚Ich muss jetzt gerade mal ganz kurz raus.‘ War das nie eine Option?“
Da drückt Mohring das Kreuz durch: „Verantwortliche Politik zeichnet sich nicht dadurch aus, dass man bei Wahlen kneift!“ sagte er fest.
Ehrlichstes Geständnis
Als der Politiker noch einmal detailliert schilderte, wie er versucht habe, seine Fraktion durch die Gefahrenzone zu lotsen, sagte Lanz: „Lass uns gerne einmal richtig streiten! Das ist doch Zockerei!“
„Nein, das ist keine Zockerei“, verteidigte sich Mohring, gab aber zu. „Am Ende hat mir vielleicht die Kraft gefehlt, meine Truppe von einer anderen Meinung zu überzeugen.“
„Das ist jetzt mal ein ehrlicher Moment“, urteilte der Talkmaster.
Bewegendste Szene
Zu seinem Ämterverlust sagt Mohring sichtlich aufgewühlt: „Man ist auch ein engagierter Mensch für diese Gesellschaft, wenn man keine Ämter und Funktionen hat. Ich engagiere mich aus vollem Herzen für unsere Demokratie!“
Dabei hatte er Wasser in den Augen, doch das rührte Lanz in keine Weise: „Man muss dann schon glaubwürdig in die Opferrolle schlüpfen!“ spottete er, und die Zuschauer lachten.
Ungerechtester Vorwurf
Lanz gab zwar den Beichtvater, aber keine Absolution: „Es wäre doch jetzt der Moment, für einen Neuanfang zu sagen: Passt auf, ich habe einen Fehler, gemacht, ich bin gestürzt, tut mir Leid!“ schlug er vor.
Hm – hatte Mohring das nicht längst gesagt, und zwar gleich zu Anfang?
Machte nix! Der Talkmaster zählte mit den Fingern auf, was Mohring nach seiner Meinung alles erklären sollte: „Ich hab mich da vertan! Ich habe das falsch eingeschätzt! Ich habe die Dimension nicht kapiert!“
„Weiterspielen geht jetzt nicht!“ warnte der Talkmaster zum Schluss.
„Das ist kein Spiel!“ entgegnet Mohring. „Es ist Ernst!“ Dafür bekam nun auch der CDU-Mann mal ein bisschen Beifall.
Beste Ideen
Nach der strengen Verhandlung blieb für die anderen Gäste kaum noch Zeit. Schade vor allem für den Kohl-Sohn: Mit seinem Buch „Welche Zukunft wollen wir? Mein Plädoyer für eine Politik von morgen“ hatte er Ideen mitgebracht, mit denen er ganz allein jede Talkshow füllen könnte.
Beispiele: 80 Prozent der Gesetze weg! Deutschland-Fonds für Nullzins-geschädigte Sparer! Spezielle Ministerien mit Fachleuten statt Politikern an der Spitze! Darüber wird hoffentlich noch viel zu reden sein.
In Sachen Thüringen sagte Kohl: „Ich glaube, wir sollten aus der Empörung rauskommen. Wir haben jetzt genug Aufregung gehabt, und wir sollten vor allem Dingen hinterfragen, wie wir unser Land in Ordnung bringen.“
Fazit: Extensives Kreuzverhör auf höchster Grillstufe, der Moderator mit inquisitorischem Eifer, Pardon wurde nicht gegeben: Das war ein Talk der Kategorie „Scherbengericht“.