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Botschafter Melnyk in „Hart aber fair“: Russland muss diesen Krieg verlieren!

„Hart aber fair:  Der Winter naht, der Krieg wirkt fern: Was ist uns die Freiheit der Ukraine wert?“ ARD, Montag, 5.September 2022, 21.45 Uhr.

Der Wirtschaftsminister wehrt sich gegen die Atomkraftzugabe wie die Ziege am Strick, und die Länder wollen vom Bund nicht für Ampelwohltaten zur Kasse befohlen werden. In „Hart aber fair“ blickt Frank Plasberg aber weit über den deutschen Tellerrand hinaus. Die Gäste:

Andrij Melnyk (46). Der ukrainische Botschafter hat Deutschland unermüdlich zur Solidarität getrieben und uns damit vor schweren Ansehensverlusten bewahrt. Der Dank hält sich dennoch in Grenzen.

Alexander Graf Lambsdorff (55, FDP). Der Fraktionsvize fordert: „Wir müssen die Ukraine weiter mit Waffen unterstützen, damit der Krieg möglichst schnell zu Ende geht!

Ralf Stegner (62, SPD). Der Parteilinke glaubt, gewonnen werde die Freiheit für die Ukraine „nicht mit immer mehr Waffen aus dem Westen“.

Sabine Fischer (53). Die Expertin für russische Außen- und Sicherheitspolitik macht unmissverständlich klar: „Wenn es die deutsche Regierung wirklich ernst meint, dann muss sie Kiew jetzt sehr entschlossen mit Waffen unterstützen!“

Anna Lehmann (47). Die Journalistin („taz“) murrt, die Staatshilfe werde „zu sehr per Gießkannenprinzip verteilt“.

Experten aus dem Berliner Elfenbeinturm? Das Zoff-o-Meter macht den Praxistest!

Knackigster Kommentar

Zum Anstoß höhnt es in einem ARD-Einspieler „aus dem Umfeld des Kreml“ über Putins Stopp-und-Go-Pipeline: „Wir haben Zeit, wir können warten. Es wird ein schwieriger Winter für die Europäer.“

Die neueste russischen Fehlermeldung „Ölleck an einer Kompressorstation“ kommentiert Talkmaster Plasberg knurrig: „Da hätte Gazprom genauso sagen können: Ein Hund hat die Bedienungsanleitung gefressen!“

Schlüssigste Lagebeurteilung

Der Westen hat wirklich präzedenzlose Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, und diese Sanktionen wirken“, stellt Expertin Fischer umstandslos fest. „Das wird durchschlagen auf die Industrieproduktion, auf den Konsum, auf die generelle Situation in Russland.“

Aber: „Das sind leider mittel- bis langfristige Wirkungen. Wir haben jetzt einen schwierigen Winter vor uns, und damit spielt die russische Seite mit aller Brutalität“, warnt die Wissenschaftlerin. Trost: „Nach diesem Winter wird diese Gaswaffe immer stumpfer werden.

Unterschiedlichste Prognosen

SPD-Stegner startet mit einer Durchhalteparole: „Ich glaube, Deutschland kann das schaffen, mit Entschlossenheit, mit sehr vielen Mitteln“, nuschelt er.

Mehr Sorgen macht sich „taz“-Journalistin Lehmann: „Im Osten ist die Stimmung bereits gekippt“, warnt sie. „Die Solidarität mit der Ukraine wird in dem Maße schmelzen, wir hoch der Preis ist, den wir dafür zahlen müssen.“

Zuversichtlichste Ankündigung

„Wir schätzen die Hilfe, die wir bekommen“, erklärt

Botschafter Melnyk, mit lindgrünem Paradeschlips wie immer superseriös. Aber: „Wenn die Deutschen entscheiden, die Ukrainer sollten das alleine schaffen, dann werden wir das alleine tun.“

Seine Hoffnung: „Wir werden diesen Krieg überleben, davon sind wir überzeugt. Wir haben diesen Kampfeswillen, aber auch die Fähigkeit, uns zu verteidigen und die Gebiete wieder zu befreien. Aber es ist auch eine moralische Frage: Wo steht Deutschland danach in den Geschichtsbüchern?“

Optimistischste Analyse

„Ich glaube, dass die Deutschen mehr Vertrauen haben sollten in die eigene Politik“, fügt der Diplomat hinzu. „Deutschland ist der erfolgreichste Staat in Europa, weltweit führend, mit einer sehr robusten Wirtschaft, die auch diesem Druck standhalten kann.“

Sein Rat: Die Politik solle die Menschen „noch mehr beruhigen und ihnen mehr Mut geben“. Denn, so Melnyks Vorhersage: „Es ist nur dieser Winter, der entscheidend sein kann. Danach hat Putin nicht mehr diesen Druck in der Hand.

Kriegerischster Kommentar

„Ich verstehe, dass viele Menschen sich Sorgen machen: Wie kriegen wir unsere vier Wände geheizt?“, ruft Graf Lambsdorff mit beschwörenden Gesten. „aber wir müssen sehen, dass in der Ukraine sich viele Menschen fragen: Was für Wände? Denen sind ihre Häuser weggebombt worden!“

Erster Streit: Der SPD-Politiker kritisiert, dass „die Verengung auf die militärische Frage falsch ist“. Der FDP-Politiker hält voll dagegen: „Im Moment ist die Stunde des Militärs!“

Deutlichste Ansagen

Meine Schlussfolgerung ist, dass die militärische Unterstützung der Ukraine notwendig ist“, mahnt auch Expertin Fischer, „damit die Ukraine ihre militärische Situation und damit auch ihre Verhandlungsposition verbessern kann.“ Dafür gibt’s den ersten Beifall.

Melnyk fordert deutsche Panzer, nicht „um den Krieg zu verlängern“, sondern „um ihn zu verkürzen und das Leid der Menschen zu beenden.“

Denn, so der Botschafter: „Nur wenn Putins Generäle ihm berichten, es geht nicht voran, haben wir eine Chance für Diplomatie.“ Aber: „Putin will gar nicht reden. Er sieht im Moment gar keinen Anlass, zu verhandeln.“

Heftigstes Abwatschen

FDP-Lambsdorff fasst die Einwände seines SPD-Nachbarn in eigenen Worten zusammen: „Sie haben salopp gesagt, naja, der Krieg dauert noch, und dann setzen wir auf die militärische Lösung, das ist aber doof, weil bei uns dann die Extremisten demonstrieren.“

Stegner hebt empört den Zeigefinger: „So habe ich das nicht gesagt!“, wehrt er sich.

„Doch!“, schimpft der FDP-Mann. „Das können wir im Faktencheck überprüfen!“

Gerissenste Finte

Der Talkmaster verabschiedet den nach Kiew zurückgerufenen Diplomaten schon mal als „Vorsitzenden des Klubs der deutlichen Aussprache“, von dem manche sagen würden, dass er „uns Deutschen einen vor den Koffer gehauen hat“. Plasbergs listige Frage: „Was haben Sie für die Ukraine geleistet, als Botschafter in Berlin?“

„Das kann ich nicht beurteilen“, antwortet Melnyk vorsichtig.

Plasberg piekst ihn prompt mit der vielzitierten Spitze gegen Kanzler Scholz nach der Ausladung des Bundespräsidenten: „Da kann man auch über ‚beleidigte Leberwurst‘ reden“, lächelt der Talkmaster maliziös. „Tun wir aber nicht…“

Ehrlichstes Eingeständnis

„Ich kann sagen, dass meine Arbeit nicht einfach war“, räumt Melnyk notgedrungen ein. Sein Stil sei „auch zu Hause nicht immer verstanden“ worden: „Es war ein Lauf auf dünnem Eis.“

Doch, so der scheidende Botschafter weiter: „Ich bin kein Politiker, ich möchte nicht gewählt werden. Man muss manchmal lauter werden, um gehört zu werden.“

„Jeder zweite Deutsche kennt Melnyk“, grient der Talkmaster, „und hat eine Meinung dazu: entweder Flegel oder toller Typ.“ Horrido!

Klarste Absage

Danach zeigt Plasberg Umfragen zu den Ostsee-Pipelines: „Macht es eigentlich einen Unterschied, ob durch Nord Stream 1 oder durch Nord Stream 2 kein Gas kommt?“, spottet er.

„Selbst wenn die Bundesregierung heute sagen würde: Zack, wir machen Nord Stream 2 auf – es würde nichts ändern“, vermutet Expertin Fischer kühl.

Unschlüssigste Reaktion

Stattdessen würde eine solche Entscheidung, so ihre Befürchtung, „katastrophale Signale in alle Richtungen senden. Deutschland würde sich völlig unmöglich machen. Aber es würde sich nichts zum Besseren wenden. Das ist wirklich eine Scheindebatte!“

Dafür gibt’s nur zögerlichen Beifall: So richtig überzeugt wirkt das Studiopublikum nicht. „Es sind ja nicht alles Blödis, die das fordern“, gibt Plasberg zu bedenken.

Schwungvollster Schienbeintritt

Stegner nutzt die Gelegenheit zu einem Seitenhieb gegen einen alten Kieler Kontrahenten: „Der Kollege Kubicki hat ja den klugen Vorschlag gemacht, wir sollten jetzt Nord Stream 2 einschalten“, erinnert er und klopft seinem adeligen FDP-Nachbarn generös auf den Unterarm.

„Da ist er aber alleine mit“, murrt Lambsdorff verdrossen.

„Sie müssen das schon lauter sagen“, patzt Plasberg den Grafen an. „Sonst muss ich Sie fragen, ob das auch Ihre Meinung ist…“

Ernüchterndste Erkenntnis

Es ist egal, ob durch eine oder zwei Röhren kein Gas fließt“, urteilt die taz-Lehmann und spitzt Lambsdorff an: „Was Sie als Regierung den Leuten deutlich machen müssen, ist, dass die Sanktionen, die sie ja spüren, einen Sinn machen.“

„Russland verfolgt eine imperialistische Politik“, entgegnet der Fraktionsvize. „Würde die Ukraine kapitulieren, dann wäre der nächste Krieg eine Frage von Monaten!“

Drastischste Formulierung

„Präsident Selenskyj hat sich sehr deutlich ausgedrückt“, lobt der Talkmaster vor dem nächsten Einspieler, in dem der ukrainische Staatschef wieder mal Verbalgranaten abfeuert.

„Die Russen haben beschlossen, unser Land zu besetzen. Als sie das 2014 beschlossen haben, hat die Welt ihnen nicht einfach eins auf die Fresse gegeben, und so sind sie weiter und weiter gegangen“, wettert der Präsident.  „Aber wir geben ihnen auf die Fresse!“ Kichern im Saal: Der Direktbeschuss sitzt voll im Ziel!

Unnötigster Nasenstüber

„Die Krim gehört zur Ukraine“, stellt Lambsdorff ohne Umschweife fest.

„Ich glaube nicht, dass man so lange Waffen liefert, bis das Ziel erreicht ist“, schränkt Stegner gleich ein. „Am Ende muss die Ukraine das entscheiden.“

„Ein sehr bequemer Satz!“, ätzt Plasberg. Aber die Wahrheit!

Politischste Reiseangebote

Der letzte Einspieler zeigt Putin-Untertanen auf Reisen durch die EU. CDU-Fraktionsvize Andrea Lindholz: „Urlaubs-Visa für Russen müssen gestoppt werden. Urlaubsziele dürfen nicht länger Paris und Porto, sondern Pjöngjang und Peking heißen.“ Uff!

„Das ist Rache“, empört sich die taz-Journalistin. „Das schürt bloß das Gefühl der Russen, der Westen hat was gegen uns und mag uns nicht.“

Emotionalste Schilderung

Melnyk hat darauf die passende Antwort: „Wir haben vor ein paar Tagen hier am Kudamm eine Ausstellung eröffnet mit einem Fahrzeug aus Butscha“, berichtet er. „In diesem Fahrzeug wurden vier Frauen, auch ein Mädchen, erschossen und verbrannt.“

Sein Schmerz: „Als ich die Ausstellung eröffnete, hatte ich das mulmige Gefühl: Vielleicht sind da in der Nähe russische Soldaten, die Urlaub machen, die sich als Studenten getarnt in Moskau ein Visum erschlichen haben und in Berlin einfach vorbeikommen und uns auslachen. Die russische Gesellschaft hat ein Denken, das nicht über Nacht geändert wird!“

Bitterste Wahrheit

„Es ist nicht Putin, der in der Ukraine schießt“, klagt der Botschafter zum Schluss. „Es sind Soldaten, die danach ihre Mütter und Ehefrauen anrufen. Russland muss diesen Krieg verlieren, um sich dann auch zu verändern!

„So wie Deutschland“, fügt Lambsdorff hinzu, und die Runde ist sich zum ersten Mal restlos einig.

Zitat des Abends

Manche Zuschauer ballen die Faust in der Hand.“ Plasberg-Assi Brigitte Büscher

Fazit

Viele Stimmen, jede mit eigener Melodie, aber die Tonart stimmte, Missklänge wurden rasch überspielt und die ukrainische Kesselpauke kannte wieder keine Kompromisse. Das war eine Talkshow der Kategorie „Volle Dröhnung“.

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