„hart aber fair: Ungeimpft, ungeschützt, unbeschult: Lässt der Staat die Familien im Stich?“ ARD, Montag, 3.Mai 2021, 21 Uhr.
Talkmaster Frank Plasberg und seine Gäste haben in der ARD-Talkshow „hart aber fair“ mit ungewöhnlichem Beifall auf den Bericht einer jungen Frau reagiert, die vier jüngeren Geschwistern unter schwierigen Umständen beim Homeschooling hilft.
„Laut. Schlimm. Man kommt durcheinander“, schilderte das Mädchen die Umstände beim häuslichen Ersatzunterricht. Dazu ständiger E-Mail-Austausch mit fünf Lehrerinnen, oft kein Netz, und das Handy hängt die ganze Zeit…
Eltern und Kinder unter irrem Druck: Homeschooling, Kontaktverbot, Couchkrankheiten! Plasbergs Gäste:
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte: „Das Recht auf Bildung und der Gesundheitsschutz müssen immer neu abgewogen werden!“
ARD-Moderatorin Mareile Höppner („Brisant“) ist für ihren Sohn (10) seit Monaten als Ersatzlehrerin im Einsatz und hofft, dass bald die Impfung für Kinder kommt.
Der Erziehungswissenschaftler Prof. Aladin El-Mafaalani schlug Alarm: „In der Kita und der Grundschule werden die Weichen gestellt, und dort findet kaum noch Förderung statt!“
Die Kinderärztin Susanne Epplée mahnte: „Kinder brauchen dringend andere Kinder und die Schule zu einer gesunden Entwicklung.“
Der Rechtsanwalt Thorsten Frühmark, Vater von vier Kindern, hält zu frühe Schulöffnungen für unverantwortlich: „Erst müssen die Inzidenzen runter!“
Frank Plasberg hat eine Tochter (10), drei Gäste waren ebenfalls Vater oder Mutter.
Emotionalste Einstimmung
Plasberg wollte mal keinen Krawallstart: „Wir alle kennen den Begriff der stillen Helden“, begann er. „Das sind die, die nicht so wahrgenommen werden, die aber Großes leisten. Für die Gemeinschaft. Solche stillen Helden in der Pandemie sind – die Kinder!“
Denn, so der Talkmaster sichtlich berührt: „Die Kinder ertragen Einsamkeit, sie ertragen Enge, Homeschooling, Stress und auch lähmende Langeweile…“
Erschreckendste Erkenntnis
Doch: „Auf Dauer wird daraus oft stilles Leid, oder laute Aggression“, warnte Plasberg. „Die psychischen Auffälligkeiten bei Kindern steigen gerade dramatisch. Leid und Stress der Eltern natürlich auch.“
Seine Frage: „Was ist schlimmer: die Gefahr durch Ansteckung in den Schulen oder die seelischen Schäden durch Schulschließung und Lockdown?“
Praktischste Vorschläge
Anwalt Frühmark ist auch Ortsbürgermeister und forderte für die Schulen „Lüftungsanlagen, Konzepte, kleine Gruppen“.
Moderatorin Höppner, aus Leipzig zugeschaltet, hat ein Staatsexamen als Lehrerin: „Ich bewundere die Kinder, mit welche Haltung sie das machen“, sagte sie über die Heimschulung, „aber natürlich sind Eltern nicht die richtigen Lehrer!“
Besonders wichtig für sie und ihren Sohn: „Wir machen viel Sport draußen!“
Dramatischstes Bild
„Wir haben letztes Jahr 50 Kinder auf der Warteliste gehabt“, berichtete Kinderärztin Epplée. „Jetzt haben wir über 400. Wenn wir die in einer Schlange aufstellen würden, hätten wir einen halben Kilometer Familien, die Leid haben, die nicht versorgt sind und kaum eine Chance haben, einen Termin zu kriegen.“
Bedrückendste Probleme: Ganz viele Stresssymptome. Bauchweh, Kopfweh. Kinder mit Konzentrationsstörungen jetzt noch deutlich schlechter. Kinder mit Fehlstellungen über Monate ohne Therapie: „Kinder, die laufen konnten und jetzt im Rollstuhl sitzen.“
Puh! machte Plasberg betroffen, und ein tiefer Seufzer folgt: Die Schilderungen von der Sozialfront machten dem Talkmaster deutlich zu schaffen.
Bedenklichste Erkenntnis
„Wir müssen davon ausgehen, dass wir jetzt eineinhalb Jahre keine richtige Organisation von Kindheit und Jugend hatten“, stellte Erziehungswissenschaftler El-Mafaalani fest.
Und, zu Plasberg: „Das ist ganz schön viel. Ein Jahr im Gehirn eines kleinen Kindes in der Grundschule, das ist so wie bei Ihnen fünf Jahre!“
In sozialen Brennpunkte werde berichtet, so El-Mafaalani weiter, dass Kinder, die in der Grundschule Deutsch gelernt haben, sogar ein bisschen Lesen und Schreiben gelernt haben, es jetzt wieder verlernen.“
Schwerster Verlust
„Die Schule ist mehr als nur ein Ort, wo einfach Wissen vermittelt wird“, machte Höppner klar. „Sie ist ein Ort der Integration, und die findet gerade nicht statt. Das ist hochproblematisch für die Kinder!“
Denn: „Es fallen die Feste weg, die Einschulungsfeiern, die Abschlussfahrten“, klagte die Moderatorin. „Das sind alles wichtige Ereignisse für Kinder. Das ist ein Punkt, der für die Entwicklung entscheidend ist!“
Klügster Lösungsvorschlag
Die wichtigste Frage sei, so Höppner: „Wie schaffen wir es, diese Lücken, die den Kindern seelisch und emotional entstanden sind, zu schließen?“
Ihre Forderung: „Ich glaube, dass die Pandemie Thema im Unterricht werden muss!“
Vernünftigster Vorschlag
Anwalt Frühmark ärgert sich, weil Eltern oft sogar mit dem Versuch, Schulen auf eigene Kosten sicherer zu machen, an der Bürokratie scheitern.
„Die beste Lösung ist immer die, die vor Ort miteinander entwickelt wird“, betonte Karliczek. „Da wird die Frage, ob alle Dienststandards eingehalten werden, auch mal an die Seite geschoben werden müssen.“ Rumms!
Denn, so die Ministerin mutig: „Das ist übrigens beim Thema Digitalisierung auch getan worden. Da haben die Datenschützer über manche Regel ein bisschen locker hinweggesehen und gesagt: Erst mal wollen wir überhaupt Unterricht möglich machen. Und das finde ich richtig!“
Verheerendstes Urteil
„Glauben Sie, dass da so eine deutsche Gen-Umprogrammierung stattfindet?“ staunte Plasberg.
„Ich wundere mich!“ spottete El-Mafaalani. „De facto ist es doch so, dass alle Standards regelmäßig an Schulen nicht beachtet werden!“
Die Beispiele des Professors: „Die Sanitäranlagen. Und dass die Fenster nicht aufgehen. Wir sind ziemlich gut darin, zu verhindern, wenn etwas neu gemacht werden soll. Aber wenn der Status Mangelwirtschaft ist und keiner Norm mehr entspricht, dann wird das ganz schön lange ausgehalten, wenn man es begründen kann!“
Schärfste Kritik
Ein ARD-Einspieler stellte geschlossene Schulen und geöffnete Betriebe gegeneinander und zitierte den WELT-Feuilletonchef Andreas Rosenfelder: „Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz dokumentiert die Politik ihre tiefe Missachtung der Kinder. Bei den Jüngsten kennt die überalterte Gesellschaft keine Gnade.“
Die Unternehmen müssten gefälligst selber ein Interesse am Infektionsschutz haben, kommentierte Karliczek kühl. In den Schulen dagegen „gibt es einen öffentlichen Auftrag, den wir zu erfüllen haben!“
Prompt ging der Zoff los
Anwalt Frühmark nahm die Ministerin auf Korn: „Darf ich da mal fragen, warum die Lufthansa mit neun Milliarden gerettet wird, und eine Milliarde, die ausgereicht hätte, um alle Schulen mit Luftfilteranlagen auszustatten, nicht ausgegeben wurde?“
Doch Karliczek reichte den Schwarzen Peter gleich an die Kommunen weiter: Die könnten kleinere, mobilen Anlagen selber kaufen und würden dafür an anderer Stelle entlastet. Für die großen, teuren Anlagen wiederum gebe es ein Programm beim Wirtschaftsministerium.
„Wir brauchen kein Programm zu machen, wo wir einfach Geld ins Land schütten und am Ende nicht sehen: Wo wird’s denn wirklich gebraucht?“ erklärte sie dazu. „Wir müssen zielgenau helfen, sonst wird’s nix!“
Schlimmste Folgen
Höppner sorgte sich um den Sportunterricht: „Das ist ein ganz gravierender Fehler, dass sich die Kinder zu wenig bewegen“, klagt die Moderatorin.
Plasberg hatte Info, „wie Kinder zu Couch Potatoes und Daddlern“ wurden: „38 Prozent geben an, sich nahezu überhaupt nicht mehr zu bewegen. Vor der Pandemie waren das nur vier Prozent.“
Ungewöhnlichste Beispiele
Ärztin Epplée schilderte einen besonders bedenklichen Fall: Ein vierjähriges Kind habe sein Gewicht in einem halben Jahr von 19 Kilo auf 39 Kilo verdoppelt.
Ihre Sorge: „Wir müssen davon ausgehen, dass wir mit der Situation möglicherweise noch auf Jahre hinaus beschäftigt sind!“
Das beeindruckendste Exempel stellte Plasberg dann im Einzelinterview vor: Das syrische Flüchtlingsmädchen Hanan (19) leitet jeden Tag das Homeschooling der ganzen Familie. Beide Eltern auf Arbeit, Mutter kein Deutsch, fünf Geschwister, nur zwei Laptops und ein Handy, trotzdem gute Noten!
Rührendster Dialog
„Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? wollte der Talkmaster wissen.
Antwort: „Einer meiner Träume ist, mein Voll-Abi zu machen und Medizin zu studieren. Das wollte ich, seit ich klein bin.“
Nächste Frage: „Würden Sie Ihre Träume für Ihre Geschwister hintanstellen?“
„Ja“, antwortete Hanan umstandslos. „Wenn man was will, zieht man durch. Die Geschwister werden bald auch ihre eigenen Träume haben. Und dann werden sie hinter ihrem Ziel auch rennen. Und das muss jeder machen!“
„Bravo!“ tönte es aus der Talkrunde, und alle klatschten Beifall.
Fazit: Infos ohne Indoktrination, Emotionen ohne Show, Prognosen ohne Propaganda und Diskussionen ohne Bevormundung: Das war ein Talk der Kategorie „Wahrheit schafft Klarheit“.