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Bei Anne Will: Verteidigungsministerin verspricht mehr neue Waffen für die Ukraine

„Anne Will: Putins Angriff – Krieg ohne Ende?“ ARD, Sonntag, 20.März 2022, 21.45 Uhr.

In Deutschland geht es um Wahrhaftigkeit und Wehrhaftigkeit: Der Aggressor wird klar benannt, die Bundeswehr gestärkt. Die Gäste:

Christine Lambrecht (56, SPD). Im Januar wollte uns die Verteidigungsministerin 5000 Helme als „ganz deutliches Signal“ der Unterstützung für die Ukraine verkaufen. Was tischt sie uns heute auf? Alexander Graf Lambsdorff (55, FDP). Der Fraktionsvize fand die Rede des ukrainischen Präsidenten im Bundestag „sehr eindringlich“. Und sonst so?

Stefanie Babst (57). Die Nato-Strategin klagt: „Man hat Russland das Spiel überlassen!“

Christoph Heusgen (67). Der neue Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, einst außenpolitischer Berater bei Angela Merkel,  sagte noch Ende Februar den Abzug der russischen Truppen voraus.

Marina Weisband (34, Grüne). Die deutsch-ukrainische Publizistin stammt aus Kiew, hat dort Familie und ist sauer auf Deutschland.

Profis und Amateure. Wer bleibt klar auf Kurs, wer dreht politische Pirouetten?

Unwillkommenste Frage

Die Talkmasterin hält sich nicht mit Vorreden auf: Ob es angemessen gewesen sei, dass weder der Kanzler noch ein Regierungsmitglied auf den verzweifelten Hilferuf des ukrainischen Präsidenten geantwortet habe?

Die Ministerin will den Vorwurf in Watte ersticken: „Die Idee war, diese Rede für sich stehen zu lassen, und darauf jetzt nicht mit einer parteipolitisch womöglich noch orientierten Debatte zu reagieren“, erklärt sie.

Ernsthaft? In der Ukraine fallen Bomben, und wir fürchten die böse deutsche Parteipolitik? „Im Nachhinein war es eine falsche Entscheidung“, gibt Lambrecht dann immerhin zu.

Bürokratischste Ausrede

Der FDP-Graf macht es kaum besser: „Eine Reihe falscher Entscheidungen!“ assistiert er der SPD-Politikerin. „Wir hatten am Tag davor eine ganz hochkarätige Debatte, die hätte man ohne Probleme auf den Folgetag schieben können. Ich glaube, da haben zwei oder drei Ministerinnen gesprochen, Sie, glaube ich, auch.“

Schön für Lambrecht! Aber leider: „Das sind die geschäftsführenden Gremien des Deutschen Bundestages, die entscheiden“, doziert Lambsdorff, „die Geschäftsführer der Fraktionen, und ich glaube, die sind noch zu sehr im Routine-Modus.“ Uff!

Düsterste Vorhersage

„Wir müssen uns im Klaren sein, dass dieser militärische Konflikt lange anhalten wird“, prophezeit die Nato-Strategin, dank der Galonstreifen an den Dreiviertelhosen immerhin teilmilitarisiert. Konflikt? „Angriffskrieg“, verbessert sie sich nach strenger Ermahnung durch die Talkmasterin.

Babsts Analyse: „Ich fürchte, dass es in den nächsten Wochen und Monaten noch eskalieren wird. Putin kann nicht zurückrudern. Er wird seine militärische Zielsetzung weiter verfolgen.“ Nächste Stationen seien Odessa, Kiew und „eine möglichst große Pufferzone um die Ukraine als Rumpfstaat“.

Emotionalster Vorwurf

„Meine Familie wünscht sich von ganzen Herzen eine Flugverbotszone, weil das Menschenleben rettet“, berichtet Weisband sichtlich bewegt. Da das aber nicht möglich sei, „müssen wir alles machen, was ökonomisch zur Verfügung steht, um zumindest diesen Krieg nicht mitzufinanzieren!“

Ihre bittere Kritik: „Ich war sehr enttäuscht von Deutschlands Zögern vor dem Angriff. Dass hier sehr naiv abgewunken wurde. Jetzt ist es wieder so. Benzinpreis! Ich verstehe nicht, warum wir nicht alles tun, um diesen Krieg zu beenden,  als kämpften wir um unser eigenes Leben.“ Rumms!

Treffendster Vergleich

Die Nato-Strategin wagt die hoffnungsvolle Prognose, die russische Wirtschaft werde unter den Sanktionen so stark leiden, „dass das vielleicht sogar zu einem Regimewechsel führt und Putin von der Oberfläche gefegt wird.

Lambsdorff erinnert an die Jubel-Arien um Putin in Moskau: „So stelle ich mir den Sportpalast vor, als Goebbels da redete. Und oben drüber stand ‚Für eine Welt ohne Nazismus‘. Putin ist voll in seiner Rhetorik gefangen, dass er die Ukraine von Nazis befreien muss.  Komplett absurd!“

Floskelhafteste Erläuterung

„Wir werden noch einen Moment brauchen“, untertreibt Lambrecht auf die Frage nach einem Stopp der deutschen Energieimporte aus Russland. „Vor Kriegsausbruch haben wir versucht, uns auf dem Verhandlungswege einzubringen.“

„Wir liefern Waffen“, behauptet sie dann. „Tun Sie das wirklich?“ zweifelt die Talkmasterin: Von versprochenen 2700 Raketen seien erst 500 geliefert. Antwort der Ministerin: „Wir reden nicht öffentlich darüber!“ Denn sonst bestehe bei den Transporten Lebensgefahr. Klingt erst mal vernünftig.

Wichtigste Ankündigung

Allerdings, das muss Lambrecht denn doch zugeben: „Wir können momentan aus den Beständen der Bundeswehr so gut wie nichts mehr liefern.“

Aber: „Wir haben die Möglichkeit, anzukaufen. Als Deutschland, als EU, wo wahrscheinlich morgen ein zweites 500-Millionen-Paket geschnürt wird“, verspricht Lambrecht energisch. „Es wird kontinuierlich auch jede Liste aus der Ukraine geprüft.“ Heißt: Bei der EU macht Deutschland mit, sonst erst mal eher nicht.

Flaueste Ausrede

Will ist damit nicht zufrieden: „Auch der ukrainische Botschafter hat bei uns gesagt, es wird nicht geliefert. Warum hält er sich nicht an die Absprache, die Sie uns hier skizzieren?“

„Das ist eine Absprache in der Bundesregierung“, verteidigt sich die Ministerin nun, „und an die hält sich die Bundesregierung.“ Aha.

Misslungenste Entlastungsoffensive

Deutlich in der Defensive, versucht die Ministerin, die Kritik durch Übertreibung auszuhebeln: „Es macht doch keinen Sinn, wenn Sie Lkws, die aus einer Kaserne rausfahren, fotografieren, einen Bericht machen, mit Uhrzeit“, warnt sie. „Das bedeutet nichts anders, als dass dieser Transport eine Zielscheibe wird.“

Uff! Hat jemand Pressemeldungen über solche Lieferungen verlangt? Oder will da nur jemand lästige Fragen tottrampeln?

In die gleiche Kategorie fallen Lambrechts Hinweise auf weitere Unterstützungsleistungen: „Deutschland ist Drehscheibe“, rühmt sie mit lebhaften Gesten. „Wenn die USA Truppen verlegen, stellen wir die Infrastruktur zur Verfügung: Straßen, Transportwege, Unterkünfte.“ Heidewitzka! Rechnen wir jetzt den Autobahnbau beim Nato-Beitrag mit ein?

Durchsichtigster Trick

Heusgen hat eine andere Taktik: Er nutzt Politiker als Blitzableiter. „Wir haben mit US-Präsident Biden jemanden, der in dieser Krise mit der Nato zusammengearbeitet hat“, lobt er. „Wir haben auch erlebt, dass Trump nichts von der Beistandspflicht…“ Mehr muss er nicht sagen: Trump zieht immer.

Beim Zoff-Thema Energieimporte sucht der Ex-Kanzlerinberater die Schuld nicht etwa bei seiner früheren Chefin, sondern in ferner Vergangenheit: „Das geht zurück bis zu Franz Josef Strauß, oder zu Adenauer, die immer gedacht habe, wir versuchen, mit Russland in Handelsbeziehungen zu sein.“ Horrido!

„Wir haben Putin falsch eingeschätzt“, gibt Heusgen immerhin zu. Das kann inzwischen auch jeder deutsche Politiker folgenlos einräumen, mit Ausnahme von Gerhard Schröder: Für den würde es teuer.

Innovativste Idee

Weisband hat sichtlich genervt zugehört. Jetzt fährt sie in die Diskussion wie der Fuchs in den Hühnerstall. Ihr verblüffender Vorschlag: Ein kurzfristiges Embargo für einige Wochen, oder Zahlungen an Russland auf ein gesperrtes Treuhandkonto, Freigabe erst nach erfolgreichen Friedensverhandlungen.

Wow! „Warum sollte Putin liefern, wenn er kein Geld bekommt?“, wundert sich Will.

Vergessen Sie nicht, dass Putin erzogen wurde in dieser Schnittstelle von Gangstertum und KGB“, antwortet die Publizistin. „Jede Beteuerung, was wir nicht machen, ist eine Einladung an ihn. Jedes starke Zeichen wird ein Stoppzeichen sein.“ Zumindest könne ein Waffenstillstand erreicht werden. Kein Widerspruch in der Runde!

Ärgerlichster Protest

Danach zieht die Talkmasterin über den Tank-Rabatt des Finanzministers her: „Ist Lindners Porsche-Rabatt wirklich Ihre Antwort auf das Leid der Menschen in der Ukraine?“ patzt sie den FDP-Mann an.

Ui! „Ich finde, wie haben bisher eine sehr angenehme Diskussion geführt, ohne Polemik!“ giftet Lambsdorff zurück. „Von ‚Porsche-Rabatt‘ zu reden finde ich deplatziert vor dem Hintergrund der Ernsthaftigkeit des Themas hier!“ Das P-Wort kommt allerdings von seinem Koalitionspartner SPD, Sozis mögen keine Überholspurfahrer.

Bewegendster Stoßseufzer

„Ich kann nicht anders, als die ganze Diskussion frustrierend zu finden“, wettert Weisband zum Schluss. „Ich verstehe das aus Sicht der Nato, klar. Man schützt die eigene Haut, und was vor der Haustür geschieht,  betrifft uns nicht. Putin kann Chemiewaffe und taktische Atomwaffen einsetzen, Städte dem Erdboden gleich machen – er weiß schon jetzt, dass ihn das nichts kosten wird.“

Dann holt sie tief Luft und fügt hinzu: „Wenn das die Sicherheitsordnung unserer Welt ist, dann brauchen wir eine neue.“ Amen!

Fazit

Klarer Fall von unterlassener Hilfeleistung, und typisch für heutige Talkrunden: Politiker ohne Mumm, Experten ohne Ideen, Opfer rennen gegen Gummiwände, und statt der Antworten sind nur die Fragen hart. Das war eine Rede-Show der Kategorie „Pappkameradschaft“.

 

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