Teletäglich

Atom-Zoff bei Illner: Spahn knockt Heil & Habeck aus

„Maybrit Illner: Energie, Preise, Jobs – rettet uns das Rettungspaket?“ ZDF, Donnerstag, 8.September 2022, 23 Uhr.

Zeitenwende nach Art des Hauses: Der Kanzler krakeelt, der Oppositionschef poltert, das Volk kriegt’s mit der Angst. Maybrit Illners Gäste:

Hubertus Heil (49, SPD). Der Arbeitsminister knurrt: „Putins Kalkül, Energie als Waffe einzusetzen, um den sozialen Frieden in Deutschland zu untergraben, wird nicht aufgehen!“

Jens Spahn (42, CDU). Der Fraktionsvize poltert: „Die Ampel will ihre Chaos-Umlage durchziehen. Das

wird das die Bürger teuer zu stehen kommen!“

Prof. Karen Pittel (53). Die Energieexpertin beruhigt: „Es ist noch überhaupt nicht sicher, dass es zu einer Gas-Triage kommen wird. Wir müssen nur darauf vorbereitet sein.“

Verena Bentele (40). Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK drängt: „Wenn wir nicht wollen, dass sich in unserer Gesellschaft viele abgehängt fühlen, ist es jetzt Zeit, über die Verteilung von Reichtum zu reden!“

Melanie Amann (44). Die Journalistin („Spiegel“) schimpfte vor zwei Tagen bei „Maischberger“ über Robert Habecks Kernkraftkapriolen: „Das ist jetzt die teuerste Lösung beim geringsten Ertrag!“

Hermann-Josef Tenhagen (59). Der Chefredakteur („Finanztip“) murrt über das dritte Entlastungspaket: „Jetzt kommt eine Menge Geld bei den Menschen an, aber das wird nicht reichen!“

Schwergewichte im Schlagabtausch, Sekundanten ohne Blutphobie und eine Schiedsrichterin, die bei Fouls ungern pfeift: Heute gibt’s weder Friedensinitiativen noch Fairnesspreise!

Startschuss ins Eingemachte

Ein ZDF-Film setzt den Ton: „Kaum ist das XXL-Entlastungspaket geschnürt, hagelt es XXL-Kritik von allen Seiten!“ Abgefragt werden Wohlfahrtsverband, Opposition und Ökonomie. Alle sind sauer.

Danach nimmt sich „Spiegel“-Amann erst mal den Bundeskanzler vor: „Man merkt doch, dass Olaf Scholz ein bisschen dünnhäutig geworden ist“, urteilt sie. „Ich finde, dass diese Platte, dass 16 Jahre lang Merkel regiert hat, inzwischen ein bisschen leiert. Scholz ist neun Monate im Amt. Man kann erwarten, dass sein Krisenmanagement gut funktioniert.“

Misslungenstes Ablenkungsmanöver

Dem Minister wird der Kragen eng: „Putin setzt Gas als Waffe ein!“, klagt er und will die Ampel-Kritiker in ungute Nachbarschaft rücken: „Wir haben die Chance, in diesem Land die Gesellschaft zusammenzuhalten und nicht den nützlichen Idioten von Putin auf den Leim zu gehen, die bei Rechtsradikalen und Querdenkern…“

Doch der klebrige Lack lockt keinen Vogel zur Landung. „Herr Heil!“, mahnt die Talkmasterin. „Das hilft den Menschen gerade nicht! Gerade geht es darum, Informationen, die Sie in die Öffentlichkeit getragen haben, zu verstehen und zu ordnen.“ Rumms!

Abruptester Strategiewechsel

Nächstes Thema: Spahns Forderung nach Überbrückungsgeldern auch für Unternehmer. Nach Illners Nasenstüber versucht es Heil jetzt mit schmusiger Umarmungstaktik. „Wir haben ja, und das weiß der Herr Spahn auch…“

„Sie wollen jetzt nicht ernsthaft den Herrn Spahn fragen?“, staunt die Talkmasterin.

„Nein“, erwidert Heil, „aber der Kollege Spahn weiß auch, dass man im Krisenmanagement bereit sein muss, pragmatisch zu entscheiden…“

Dann macht sich der Minister eine Erinnerung an Corona nutzbar: „Entlastungspakete, im Mai entschieden, werden jetzt umgesetzt“, bekniet er den einstigen Kabinettskollegen, „das wissen Sie, das weißt du. Wir duzen uns. Aus der Krise kennen wir Zusammenarbeit, das kommt bei den Menschen an…“ Uff!

Unwillkommenste Info

Aus München wird Prof.Pittel zugeschaltet. Die Talkmasterin empfängt sie mit einem neuen Begriff: „Ob wir mit dem Wort ‚Entlastungspaket‘ in die Irre führen, weil wir ja netto nicht entlasten?“, sorgt sich die Talkmasterin und schlägt vor: „Es müsste doch eigentlich ‚Belastungsminderungspaket‘ heißen.“ Ui!

Doch die Energieexpertin hat für die Witzelei keine Antenne: „Heute sind neue Prognosen herausgekommen, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickeln wird“, teilt sie staubtrocken mit, „und dass wir auf eine Rezession zugehen.“ Ächz!

Ungewöhnlichster Vorschlag

„Für viele kommt der Wohngeldanspruch ab Januar zu spät, weil sie jetzt Angst haben, dass sie die hohen Rechnungen nicht mehr bezahlen können“, kritisiert die VdK-Präsidentin. „Viele Menschen wollen überhaupt kein Wohngeld beantragen. Und schon jetzt wissen wir, dass in Berlin oder München Wohngeldanträge ewig liegen.“

Auch Finanztippgeber Tenhagen, aus Berlin zugeschaltet, ist mit den Regierungshilfen nicht zufrieden: „Das Kernproblem ist, dass vieles erst im nächsten Jahr greift“, rügt er. Und die Finanzämter sollten Geringverdienern per Musterbrief „in einfacher Sprache“ schreiben: Sie kriegen womöglich Wohngeld.“

Giftigstes Kompliment

Nach einigen ersten Nickeligkeiten läuft Heil langsam heiß: „Ich kann Ihnen in meinem Fachbereich rauf und runter“, rühmt er seine Kompetenz, aber: „Ich bewundere ja Jens Spahn, der konnte letztes Jahr Gesundheit rauf und runter, jetzt kann er Energie rauf und runter…“

Illner rettet sich in Ironie: „Ich muss hier langsam warnen vor der großen Umarmung!“

Doch der Minister setzt noch einen drauf: „Ich gehöre zu den Leuten, die in Talkshows versuchen, die Dinge so so benennen, wie ich sie begriffen habe und kann“, doziert er und hebt selbstgewiss den Daumen. Heidewitzka!

Schlüssigste Lagebeurteilung

Die Ampel werde an den aktuellen Streitereien nicht zerbrechen, schätzt Amann, „weil man ja eigentlich gar nichts hört von den Koalitionspartnern, was Herr Habeck da vor sich hinwurstelt“.

Denn, so die „Spiegel“-Journalistin weiter: „Ich glaube, dass die FDP und die SPD ganz erleichtert waren, dass Herr Habeck mit dem Problem dastand und die wichtigsten energiepolitischen Probleme offensichtlich nicht in den Griff bekommt.“ Aua!

Letztes Gefecht

Das allerwichtigste kommt erst ganz zum Schluss an die Reihe. Vorher gönnt sich Heil noch einen kleinen Wutanfall. Als sein CDU-Duzfreund ihn einmal zu oft anpiekst, platzt es aus dem SPD-Mann heraus: „Darf ich jetzt irgendwie mal! Also wirklich! Man kann alles hämisch in den Dreck ziehen!“

Der letzte ZDF-Einspieler zieht den Wirtschaftsminister nur durch den Kakao. O-Ton: „Der große Kommunikator strauchelt. Nach dem Chaos um die Gasumlage präsentiert Habeck ein klein bisschen Atomkraft – eventuell. Politik nach dem Motto ‚Nichts Halbes und nichts Ganzes‘.

Einheitlichste Ideologiefront

Die Talkmasterin nutzt die Vorlage zu einer Umfrage unter ihren Gästen: „Herr Heil, was will die SPD?“

„Ich sag‘ das mal sehr persönlich“, antwortet der Minister stolz. „Ich bin seit meinen Kindestagen Atomkraftgegner.“

Geballteste Gegenrede

„Der Stresstest sagt: Alle drei Kernkraftwerke im Streckbetrieb, also durchgehend, laufen lassen, weil wir das für die Netzstabilität in Europa brauchen“, kontert Spahn. Sein Vorwurf: „Das ist eine sehr nationale Haltung, die die Regierung gerade einnimmt!“

Auch das Kernkraftwerk in Heils Niedersachsen sei dafür nötig, fügt der CDU-Politiker hinzu und wettert: „Vorschlag Habeck: zwei Ölkraftwerke auf Schiffen zu mieten. Also der Klimaminister Habeck lässt Ölkraftwerke auf Schiffen CO2 ausstoßen, nur damit die klimaneutralen Kernkraftwerke etwa in Lingen nicht laufen müssen!“

Schlimmster Vorwurf

Habeck habe so entschieden, vermutet Spahn, „weil seine Grünen bei der Landtagswahl ‚Bye bye Atom‘ auf den Plakaten haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass Ideologie über das gestellt wird, was in der Krise pragmatisch notwendig wäre.“ Halali!

VdK-Bentele drückt sich um eine klare Antwort. Nachdem sie sorgsam alle Argumente der Atomkraftgegner heruntergerasselt hat, bekennt sie: „Ich bin zum Glück nicht die Energieexpertin, die Ja oder Nein sagen muss, weil, mir geht’s auch so, dass ich Atomkraftgegnerin bin, und da kann ich jetzt nicht so schnell von weg.“

Persönlichstes Argument

Energieexpertin Pittel hält dagegen, Habecks Stresstest sei noch nicht mal unter den schlechtesten Bedingungen gelaufen, sonst „würden die Atomkraftwerke noch mehr an zusätzlichem Nutzen bringen.“ Hoppla!

Auf seinem Monitor wackelt Finanztipper Tenhagen nicht nur mit dem Kopf, sondern schwenkt in höchster Erregung hektisch den ganzen Oberkörper hin und her. „Sie jetzt einfach weiterlaufen zu lassen, macht mir als zugegeben altem Atomkraftgegner erhebliche Sorgen“, gibt er Protokoll.

Billigstes Bayern-Bashing

Er würde nur mitmachen, „wenn Herr Söder sagt, dem Atommüll lagert er unter seiner Staatskanzlei“, fügt Tenhagen hinzu und verrät: „Ich habe vor 30 Jahren meine Diplomarbeit über die mangelnde Möglichkeit, Atommüll zu lagern, geschrieben.“ Na dann…

„Das ist jetzt schon das zweite energiepolitische Desaster, mit dem Herr Habeck befasst ist“, kommentiert „Spiegel“-Amann in gnadenloser Klarheit. „Der erste (Kraftwerksbetreiber) hat ja schon gesagt, dass die Lösung von Habeck nicht funktionieren kann. Jetzt marschiert man in ein Szenario, das niemals jemand probiert hat!

Schlagendster Schlussgong

Zum Finale bügelt Spahn in aller Ruhe die immer wieder vorgetragenen Sicherheitsbedenken ab: „Das sagt ja Robert Habeck selbst: Die Sicherheitsüberprüfung kann verlängert werden, weil, für seine Reserve muss das gehen.“

Letzter Satz des CDU-Politikers: „Derjenige, der seit Monaten gesagt hat, es geht nicht, macht es jetzt möglich. Finde ich gut!“ Da kommt auch von Heil kein Konter mehr.

Zitat des Abends

Das ist Deutschland in der ganzen Feinheit seiner Regelungswut.“ Jens Spahn

Fazit

Schweres Debattenwetter mit anhaltenden Niederschlägen,  ein ausgeklügelter Plan wurde Makulatur und ein erfolgsgewohnter Sonnyboy peinlich entzaubert: Das war eine Talkschlacht der Kategorie „Glück und Gas“.

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