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Antisemitismus als Talk-Thema bei Plasberg

„Hart aber Fair: Wieder da oder nie wirklich weg: Wie stark ist der Judenhass in Deutschland?“ ARD, Montag, 14.Oktober 2019, 21 Uhr.

Der jüdische Restaurantbesitzer Uwe Dziuballa aus Chemnitz, der nach zahllosen Beleidigungen, Bedrohungen und Übergriffen jetzt mit dem Verein „Schalom“ gegen den Antisemitismus kämpft, hat sich in der ARD-Talkshow „Hart aber Fair“ klar zu einer Zukunft in seiner Heimatstadt bekannt.

„Ich lebe seit 1994 in Chemnitz“, berichtete der Restaurantbesitzer, „und ich weiß die Stadt inzwischen zu lieben!“

Doch: „Es irritiert, wenn junge Leute vorbeigehen, den Hitlergruß zeigen und auf unsere Gäste die Pistolengeste machen“, gestand Dziuballa. Jahre lang habe das niemanden interessiert. Neuerdings aber nehme sich die Polizei endlich dieser Dinge an, und die Täter seien dann immer ganz verblüfft: Wieso denn plötzlich?

Traurigste Erinnerung

Unser Vater hat zu meinem Bruder und mir gesagt: Hängt euer Herz nicht zu sehr an einen Ort“, erzählte Dziuballa danach sichtlich bewegt. „Aber wir sind in Chemnitz zu Hause! Einige unserer Vorfahren sind schon 1723 mit den Hugenotten gekommen!“

Emotionalster Erklärung

„Wo soll ich denn auch hingehen?“ fragt der Restaurantbesitzer. „Ich bin ein deutscher Jude! Das ist meine Heimat!“

Und: „Mich nervt schon, wenn man mich einen ‚jüdischen Mitbürger‘ nennt. Als wären wir irgendwann mal mit dem Bus angekommen! Wir sind Teil dieser Gesellschaft! Wir sind Teil dieser Demokratie!“

Klarste Kante

Der TV-Moderator Michel Friedman ließ sich von den salvierenden Statements der AfD zu den Morden in Halle nicht beeindrucken: „Wer die AfD wählt, ist kein Protestwähler“, sagte er klipp und klar, „sondern er stärkt mit seiner Stimme die Macht des Hasses!“

Seine Forderung: „Das ‚Nie wieder’ muss jetzt mit Bedeutung gefüllt werden!“

Schlimmste Anklage

Auch im Fußball zeige sich Judenhass: „Es gibt inzwischen kaum ein Spiel, vor allem in der 2. Und 3. Liga, in dem die gegnerische Mannschaft nicht als ‚Judenmannschaft‘ beschimpft wird“, sagt Friedman. Kaum jemand auch würde es zu kritisieren wagen, „wenn der Chef einen Judenwitz erzählt“.

Plasberg hatte in Friedmans Polit-Sendung ein Interview mit Ulrich Matthes gesehen, in dem der Schauspieler betroffen ein besonders beschämendes Beispiel für die Angst vieler Juden vor antisemitischer Verfolgung in Deutschland geschildert.

Matthes hatte in Berlin einen Mann mit einer Kippa gesehen und ihm zugerufen, wie gut er das finde: „Eine Kippa! Wie schön!“

Doch die Reaktion des Angesprochenen war ganz anders als erwartet: Der etwa 45 Jahre alte Mann drehte sich um und rannte davon. „Er hatte Angst!“ erzählt Matthes erschüttert.

„Wir haben Angst!“ bestätigte Friedman bitter. „Wir werden bedroht!“

Typischste Anekdote

Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius schilderte, wie er sich mit einer Gruppe betuchter älterer Herren anlegte. Sie hatten sich über „die Rolle der Juden“, aber auch über Muslime und Migranten ausgelassen, bis der Minister dazwischenfuhr: Warum sie dann denn überhaupt noch in Deutschland lebten?

Angst und Hass sind der Treibstoff, aus dem die AfD ihre politische Energie zieht“, sagte der Minister, und das hellwache Publikum applaudierte.

Interessanteste Feststellung

„Ist Ihnen aufgefallen, dass hier kein AfD-Politiker am Tisch sitzt?“ fragte der Talkmaster in die Runde und liefert auch gleich den Grund für seine Entscheidung: „Weil, das pustet sie einfach auf!“

Schmerzlichste Warnung

Danach spielte Plasberg das umstrittene Zitat des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein ein, der im Mai gesagt hatte, er könne „Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen“.

Friedman war immer noch empört: „Ein Offenbarungseid!“ rief er. „Doch er hat Recht, weil die Sicherheit nicht da ist!“

Unglaublichste Beobachtung

Der frühere „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo berichtete, dass er bei „Youtube“ immer wieder einmal das Video über den ermordeten Regierungspräsident Walter Lübcke aufrief, um die dazu geposteten Hass-Kommentare zu lesen: „Endlich eine gute Nachricht!“ – „Jedem das Seine!“ Erst spät wurden die menschenverachtenden Sprüche endlich gelöscht.

„So wie es in diesem Land eine linke Partei geben kann, kann es eine rechte Partei geben, aber es kann keine rechtsextreme oder rechtsradikale Partei geben!“ erklärte Mascolo.

Die Linke-Vizechefin und hessische Landtagsabgeordnete Janine Wissler prügelt auf die bundesdeutsche Staatswacht ein: „Die Sicherheitsbehörden, die Verfassungsschutzämter, wussten eine ganze Menge, aber sie haben nicht gehandelt!“ schimpfte sie.

Talkmaster Plasberg witterte  eine gewissen Inkonsequenz: „Gibt es weiter Ihre Forderung, die Verfassungsschutzämter abzuschaffen?“ bohrte er nach.

Doch für die Linke ist das kein Widerspruch: „Wir sind der Meinung, dass Geheimdienste in einer Demokratie nicht zu kontrollieren sind und dass sie deshalb abgeschafft gehören!“ sagte sie energisch.

Pistorius schüttelte darafhin heftig den Kopf: „Das sehe ich komplett anders!“

Persönliches Schlusswort

„Ich wünsche mir, dass jetzt noch einmal ein neuer Schub der Menschlichkeit in die Demokratie kommt, nämlich aufeinander aufzupassen“, sagte Dziuballa am Ende der Sendung. Seine Hoffnung sei, „dass mein Restaurant, das morgen ausgebucht ist – dass alle auch kommen und nicht irgendwie aus irgendwelchen Gründen absagen, und wir weiter ein guter Farbtupfer jüdischen Lebens in diesem Land bleiben können.“

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