Teletäglich

Anne Will: Zoff um die Berliner Libyen-Konferenz

„Anne Will: Berliner Libyen-Konferenz – Hoffnung für ein Land im Chaos?“ ARD, Sonntag, 19.1.2020, 21.45 Uhr.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sontag die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz gegen teils harte Kritik verteidigt.

Wörtlich sagte der Minister: „Wir haben uns heute den Schlüssel besorgt, um dem Konflikt zu lösen. Jetzt müssen wir ihn ins Schloss stecken und umdrehen!“

Staatstragender Start

„Alle Beteiligte sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir einen politischen Prozess brauchen, um langfristig Frieden zu erreichen“, erklärte Maas im perfekten Diplomatensprech. Besonders wichtig seien dabei, so der Minister, die jetzt vereinbarten 5+5-Kommittees, mit denen die Konfliktparteien schon ab nächster Woche aus der Waffenruhe einen Waffenstillstand machen sollen.

Merkel und Maas bitten zu Tisch, und in dieser M&M’s-Packung geht‘s nicht um Schokolinsen. Der Bundesaußenminister hat Hochkonjunktur: Jede Woche eine andere Talkshow. Themen gibt‘s wahrlich genug!

Mit dabei: Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen (Linke),  die Menschenrechtlerin Hanan Salah, der Politologe Wolfram Lacher und der Journalist Christoph von Marschall(„Tagesspiegel“).

Von Marschall warnte gleich zu Beginn, das gute Verhandlungsergebnis sei „nur ein erster Schritt“. Doch das weiß Maas selber: „Da würde niemand wiedersprechen“, erwiderte er. „Es hängt jetzt an uns, aus dem Papier auch Realität zu machen!

Linke-Dağdelen war überhaupt nicht zufrieden: „Diese Konferenz hat Makel, Herr Maas! Eine Libyen-Konferenz ohne Libyer zu machen, ist ein Makel!“ sagte sie streng und beanstandete, dass man „die Realität in Libyen ausgeblendet hat“.

Härtester Vorwurf

Besonders störte Dağdelen die Anwesenheit des libyschen Feldmarschalls Chalifa Haftar, denn der sei US-Bürger und gegen den Diktator Muammar Gaddafi nach Libyen geschickt worden…

„Und den hätten Sie jetzt mit an den Tisch gesetzt?“ wunderte sich Will.

In der internationalen Politik können wir uns nicht aussuchen, wer da ist!“ dozierte die Linke-Politikerin. Außerdem missfiel ihr, dass „die islamistischen Terrorbanden, die Erdogan aus Syrien nach Libyen verfrachtet hat, jetzt dort bleiben können!“

Drastischste Ankündigung

Ihre Forderung: Die Waffenexporte in die Türkei, nach Katar, Ägypten und den Emiraten „einfach mal zu stoppen“. Dafür gab es prompt den ersten Applaus.

Es geht darum, dass die Milizen entwaffnet und demobilisiert werden“, sagte Maas dazu. „Und das ist der Unterschied: Bisher hat man immer mit den Milizen verhandelt. Ergebnis immer Null.“

„Jetzt“, so der Minister weiter, „haben wir gesagt: So funktioniert‘s halt nicht. Deshalb entziehen wir euch die Unterstützung und zwingen euch zu diesen Verhandlungen, denn ohne eure Unterstützer werdet ihr dieses Bürgerkrieg nicht führen können!“

Menschenrechtlerin Salah prangerte die schlimmen Zustände in Libyen an. „Ich habe heute viel stärkere und konkretere Maßnahmen erwartet“, beklagte sie sich.

Doch der Minister ließ sich das nicht ans Hemd kleben: „Libyen ist ein failed state“, stellte er fest. „Und in so einem gescheiterten Staat ist es schwierig, mit der Einrichtung der Justiz zu beginnen, wenn die Menschen sich dort gegenseitig umbringen. Wir haben dort keinen Ansprechpartner!“

Schwierigster Vorschlag

Salah heizte Maas trotzdem weiter ein: Für solche Leute wie die Warlords in Libyen gebe es doch den Internationalen Strafgerichtshof! Und überhaupt hätte das alles schon viel früher passieren müssen…

Man wird den Konflikt nicht lösen, indem man herumphilosophiert und immer nur sagt, es ist sowieso alles zu spät!“ sagte der Minister pikiert und bekam jetzt auch mal Applaus.

Wildeste Attacke

Dağdelen wollte das Thema gern parteipolitisch melken und nagelte Konzerne ans Kreuz: Für sie sind es Ölfirmen aus Frankreich, Italien und Deutschland, die in Libyen „Krieg führen“.

„Immer die bösen Konzerne!“ murrte von Marschall prompt. „Diese ideologischen Dinge bringen uns nicht weiter!

Dem Journalisten war etwas anderes nicht geheuer: „Keiner glaubt“, hoffte er, „dass sich die Bundesregierung an einer Aktion beteiligt, bei der man in die Verlegenheit kommt, sich mit russischen Söldnern beschießen zu müssen!“

Deutlichste Absage

Noch viel weniger war Maas von der Vorstellung eines bewaffneten Eingreifens angetan: „Wenn wir jetzt im einen Wettlauf gehen, wer derjenige ist, der deutsches Militär am weitesten in die Welt schicken soll“, warnte er, „hilft das in diesem Fall vielleicht gar nicht!“

Die Talkmasterin erinnerte an ein Statement der Verteidigungsministerin vom Vortag: Dass Deutschland sich nach einem Waffenstillstand damit auseinandersetzen müsse, was die Bundeswehr dazu einbringen könne, ist für Annegret Kramp-Karrenbauer „vollkommen normal“.

Schärfste Warnung

Natürlich können wir uns bei der Umsetzung dieses Prozesses nicht einfach aus der Verantwortung ziehen“, gab Maas zu. „Darüber wird zu reden sein.“

Aber, so der Minister klipp und klar: „Ich kann nur empfehlen, darüber auch mit den afrikanischen Staaten zu reden. Denn europäisches Militär nach Afrika zu schicken, ist bei vielem afrikanischen Staaten außerordentlich problematisch!“

Frage des Abends

Die Talkmasterin wollte gern wissen, wer die Berliner Vereinbarungen denn bitteschön durchsetzen solle? Der Minister war um die Antwort nicht verlegen: UN, EU, Afrikanische Union, Arabische Liga“, zählte er auf.

„Wer jetzt nach Militäreinsätzen schreit, gefährdet den Geist der Verhandlungen!“ rief die Linke-Politikerin und schimpfte auf die NATO, die einst Gaddafi weggebombt habe: „Man kann nicht gleichzeitig Brandstifter und Feuerwehr sein!“

Auch dann nicht, wenn man Putin heißt? Doch mit den Russen legte sich Dağdelen nicht an.

Emotionalstes Statement

Die Menschenrechtlerin beschriebt die Zustände in den Lagern, in denen libysche Milizen Migranten terrorisieren: „Unmenschlich!“ Die Opfer seien unterernährt, Misshandlungen ausgesetzt und ohne Perspektive.

Sie sei bei ihrem Besuch schwanger gewesen und habe andere schwangere Frauen oder Mütter mit kleinen Kindern in ihrem Elend gesehen. „Diese KZ müssen sofort geschlossen werden!“ forderte sie.

„Wer sowas zulässt, zerstört die europäische Idee!“ setzte Dağdelen noch einmal nach.

Die Menschenrechtlerin verlangte, Europa müsse sofort die Seenotrettung wieder aufnehmen. Auch für Maas ist das eine Frage, „bei der die EU jetzt in die Verantwortung kommen wird“.

Zitat des Abends

Viel Kritik, aberwitzige Vorstellungen und typische Ratschläge aus der Wohlfühloase. Das war ein Talk wie ein Wunschkonzert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert