„maischberger. die woche“. ARD, Mittwoch, 9.Dezember 2021,23.05 Uhr.
Genug gemerkelt, jetzt wird gescholzt! In Sandra Maischbergers „Woche“ treffen sich schon mal ein alter und ein neuer Olaf-Opponent: Früher nervte Juso-Chef Kevin Kühnert, jetzt will das Friedrich Merz als CDU-Chef übernehmen. Die Gäste:
Kevin Kühnert (32, SPD). Der Generalsekretär in spe feuert auf Twitter einen Raketen-Vergleich ab: „Started from the bottom, now we’re here!“
Friedrich Merz (66, CDU). Der Favorit der christdemokratischen Chef-Wahl will Power auf Dauer: „Ich bin kein Mann des Übergangs!“
Prof. Jonas Schmidt-Chanasit (42). Der Virologe kennt Corona von Alpha bis Omikron.
Oliver Kalkofe (56). Der „Kalkinator“ zieht in „Kalkofes Mattscheibe“ (Tele 5) alles und jeden durch den Kalkao.
Kristina Dunz (54). Die Journalistin (RND) schaltet in den Angriffs-Modus: „Scholz‘ Zeit des Nichts-Sagens und Eigenlobs muss enden!“
Stefan Aust (75). Der Journalist (WELT) kennt sich mit Printprodukten aus: „Was im Koalitionsvertrag steht, ist im Alltag eher das Kleingedruckte!“
Macher und Kenner im ersten Talk nach der Kanzlerwahl. Der Zoff-o-Meter weiß: Auch leichte Beben können Vorboten gewaltiger Eruptionen sein!
Skeptischster Take-off
„Im Moment kribbelt es bei mir noch nicht in den Gedärmen“, lästert der Satiriker über den rotgrüngelben Ampel-Start.
Die Journalistin ärgert sich immer noch darüber, dass „drei Männer“ den Koalitionsvertrag vorgestellt hätten. „Dafür, dass Herr Scholz Parität versprochen hat, ist er bei dieser Demonstration der Macht in rein männlicher Macht aufgetreten!“, ätzt sie.
Kritischste Bordmusik
„Herr Scholz ist ein Meister des Nicht-Antwortens!“ wirft Dunst danach dem Kanzler vor. Die Union wiederum habe „überhaupt nicht verstanden, wie sie das Erbe Angela Merkels hätte verwalten können.“
Ihr WELT-Kollege hebt den neuen Gesundheitsminister hervor: Das „Ein-Mann-Panikorchester“ Karl Lauterbach müsse „jetzt umschwenken und Dirigent eines großen Orchester werden“, fordert Aust. Scholz habe den Pateigenossen am Schlafittchen gepackt und gesagt: So, jetzt machst du den Job, und jetzt wollen wir mal sehen, ob du es wirklich kannst!
„Lauterbach ist der erste Minister, der quasi vom Volk gewählt worden ist!“, stellt die Talkmasterin punktgenau fest.
Kühnste Ironie
Über den neuen Landwirtschaftsminister sagt Aust:
„Ich finde es gut, dass er da reingekommen ist und nicht nur, weil er Migrationshintergrund hat.“ Aber: „Wahrscheinlich ist er nur deswegen reingekommen.“ Uff!
Über Szenen vom Pedalritt des Grünen zum Bundespräsidenten spottet der Journalist: „Ich finde es wirklich traurig, dass man Cem Özdemir kein Auto zur Verfügung stellt…“ Heiterkeit in der Runde! Früher hätte böse Zungen gelästert: Wieso, ist doch ganz normal, dass die Deutschen Mercedes fahren und Ali strampeln muss!
Lautester Unkenruf
Dann kommen die Politiker: Kühnert gegen Merz heißt Turnschuh gegen Businessschuh. Der SPD-Politiker hat Kreidekrümel an der Lippe: Er will in der Koalition ganz lieb die „unterschiedlichen Inhalte zwischen den Parteien zur Geltung kommen lassen, ohne dass daraus ein Spaltpilz wird.“ Viel Spaß!
Bei dem CDU-Politiker läuft es genau anders rum: Als Opposition setzt Merz sofort auf Attacke: „Die 49 Jusos in der SPD-Bundestagsfraktion werden bei jeder Abstimmung gebraucht“, stellt er fest, „und es sind bisher jetzt alle SPD-Kanzler nicht an der Opposition gescheitert, sondern an ihrer eigenen Partei!“
Peinlichste Erinnerung
Die Talkmasterin hat noch wieder den Schnipsel rauskramen lassen, auf dem ein TV-Team Kühnerts Reaktion auf die Scholz-Niederlage im Kampf um den SPD-Vorsitz dokumentierte: Jubelrufe („Wir sind durch“), Umarmungen, Lachen, pure Freude.
Doch der künftige Generalsekretär hat längst die passende Erklärung dafür gezimmert: Damals habe die Mehrheit der Mitglieder die klare Trennung von Regierung und Parteispitze gewollt, argumentiert Kühnert, aber jetzt habe er wie die anderen Jusos Scholz „gerne und mit Freude meine Stimme gegeben.“
Schmerzlichster Fingerzeig
Merz arbeitet schon am ersten Ampel-Ausfall: Dem Kanzler hätten bei seiner Wahl im Bundestag 24 Stimmen gefehlt, erinnert der CDU-Mann, „er hat also nicht die volle Zustimmung bekommen. Das hat Gründe!“
Kühnert stört sich eher am verpassten Mietenstopp im Koalitionsvertrag: Zwar würden „die Mieterhöhungsmöglichkeiten in angespannten Wohnlagen um etwa ein Drittel heruntergeschraubt, elf Prozent in drei Jahren“, aber „ich ärgere mich, dass es nicht noch ein Schnaps mehr geworden ist.“
Klarste Ansage
„In diesem Koalitionsvertrag fehlt es an Preisschildern“, kritisiert Merz. „Es ist ein großes Wunschkonzert, aber es fehlt überall an einem Finanztableau. Es muss irgendwo am Ende das Tages darstellbar und finanzierbar sein!“
„Interessant“ findet der CDU-Wirtschaftsminister auch, dass FDP-Finanzminister Christian Lindner gesagt habe: Wir müssen hier Prioritäten setzen. Merz: „Jetzt sind wir gespannt auf diese Prioritäten!“
Deutlichste Aufforderung
Zum russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine sagt Merz: „Diese Regierung muss eine klare Antwort geben an Russland!“
Die Entscheidung von 2008, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen, sei richtig gewesen, erklärt der CDU-Politiker dazu. Mit der Entscheidung jedoch, ihre Atomwaffen gegen russische Sicherheitsgarantien abzugeben, habe „die Ukraine schlechte Erfahrungen gemacht“ – milde ausgedrückt.
Aktuellste Positionsbestimmung
„Spannend wird sein, wie in dieser Koalition das Verhältnis zu Russland weiterentwickelt wird“, kündigt Merz an, und seine Hände wechseln von der Raute zu zwei mahnenden Zeigefingern: „Es gibt da erste kleine Haarrisse, auch im Hinblick auf China!“
Sein Kompass: „Da stehe ich hinsichtlich der Einschätzung der Lage China und auch in Russland den Grünen näher als großen Teilen der sozialdemokratischen Partei!“
Wichtigste Forderung
„Die Entscheidung, diplomatisch nicht an den Olympischen Spielen teilzunehmen, halte ich für richtig“, fügt Merz hinzu, „aber „das müsste eine gemeinsame europäische Entscheidung sein und nicht eine nationale deutsche.“ Auch dürften die Sportler nicht darunter leiden.
Kühnert wiederum weist zum Thema „Nordstream 2“ auf die klare Position seiner Partei hin, „dass wir anstreben, dass diese Gasversorgung stattfinden kann“.
Übereifrigstes Gefallstreben
Bei der Begründung gerät der Ex-Juso-Chef in ein groteskes Gendern: „Zunächst mal ist die Rolle Deutschlands im internationalen Konflikten, gerade auch dem, den wir in der Ukraine haben, an der Seite der internationalen Bündnispartnerinnen und Bündnispartner.“ Bündnispartnerinnen? Echt jetzt?
Ja, wirklich! Denn gleich danach fährt Kühnert fort: „Wir haben zu sein an der Seite der europäischen Partnerinnen und Partner, um dann natürlich auch mit den Amerikanern gemeinsam ein Vorgehen zu definieren.“ Nur mit den Amerikanern? Mit den Amerikanerinnen nicht? O weh…
Unangenehmste Zwischenfrage
„Die Amerikaner wollen nicht, dass ‚Nordstream 2‘ ans Netz geht, und die Europäer wollen das auch nicht!“ erinnert die Talkmasterin.
Kühnert will diese Tatsache wegschwurbeln: „Die einzige Frage, die sich eine reife, diplomatische Diplomatie stellen muss, ist, was dafür zu tun ist, um einen bewaffneten Konflikt zu verhindern. Mir gefällt nicht, uns gefällt als Partei nicht dieses latente Säbelrasseln!“ Willkommen in der Wirklichkeit…
Dann geht das Zoff-o-Meter los
Zur allgemeinen Impfpflicht sagt Merz: „Im Prinzip muss die Regierung entscheiden!“ Die Freigabe der Abstimmung im Parlament sei nicht der richtige Weg.
Kühnert gibt sich darüber „jetzt schon ein bisschen „erstaunt“, weil „die Öffnung des Verfahrens gerade auch ein Handausstrecken in Richtung der demokratischen Opposition“ sei. Hm – nicht eher eine politische Handfessel?
Politischstes Kompliment
Über die Ex-Kanzlerin sagt Merz: „Wir haben Angela Merkel in diesem Land viel zu verdanken. Ich habe meine Meinungsverschiedenheiten mit ihr gehabt, aber sie übergibt ein Land in einem im Großen und Ganzen guten Zustand.“
Er habe bei der Ovation im Bundestag mitgeklatscht, berichtet er. „Das sind Maßstäbe, die sie gesetzt hat, und die müssen jetzt erst mal erfüllt werden. Die muss der Nachfolger auch erfüllen, und das sind große Schuhe, die sie da hinterlassen hat!“
Klügste Analysen
„Es ist schon irre, was für wahnsinnige, naive Kreativität entsteht, im Netz, dadurch, dass jeder Mensch zu einem eigenen Sender werden kann“, staunt Kalkofe über die Impfgegner.
Aust ist gegen eine Impfpflicht: „Man muss aufpassen, dass eine Gesellschaft nicht zu sehr gespalten wird.“ Kollegin Dunz widerspricht: „Man darf davor nicht einknicken!“
Tröstlichste Botschaft
„Dass wir die Pandemie besiegen werden, das ist ganz klar“, verspricht Prof. Schmidt-Chanasit zum Schluss. „Die Impfung ist der entscheidende Faktor!“
Denn, so der Virologe: „Heute zeigen neue Daten, dass die Impfstoffe zwar nicht mehr so gut wirken, es aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Anstieg der großen, schweren Verläufe kommen wird.“ Impfen und Boostern seien „ganz wichtige Bausteine“.
Dringendster Appell
Die vor wenigen Stunden veröffentlichen Zahlen würden darauf hindeuten, dass die Infektionen in einigen Monaten wieder nach unten gehen würden, kündigt Schmidt-Chanasit an, „doch das Entscheidende ist Schutz vor schwerer Krankheit und Tod.“ Und: „Maske, Abstand, Lüften schützen natürlich auch vor Omikron“.
Seine Forderung: „Das ist eben die große Aufgabe für den neuen Gesundheitsminister, die Booster-Impfung in wenigen Wochen so zu organisieren, dass sie einem Großteil der Menschen, die das wollen, auch ermöglicht wird.“ Amen!
Fazit
Gesprächige Gäste, kurzweilige Kommentare, faktentreue Debatten und zivilisierter Zoff: Das war ein Talk der Kategorie „Vollwaschgang“.