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Alarm-Talk bei Maischberger: Röttgen sieht im Sturm auf das Kapitol eine „Überlebensfrage der amerikanischen Demokratie“

„maischberger.die woche. ARD, Donnerstag, 7.Januar 2021, 23 Uhr.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, hat nach dem Angriff teils gewalttätiger Demonstranten auf das Kapitol von einer ernsten Gefahr für die innere Verfassung der Vereinigten Staaten gesprochen.

Wörtlich sagte der Politiker, der am 1.Januar neuer Vorsitzender seiner Partei werden will: „Es ist die Überlebensfrage dieser Nation! Es ist eine Überlebensfrage der amerikanischen Demokratie!“

Ja sind die denn wahnsinnig geworden? Trump-Fanatiker stürmen das Kapitol, und das Parlament muss sich mit dem Schießeisen verteidigen! Sandra Maischberger brach den Urlaub ab und trommelte eine ARD-Eingreifreserve zusammen. Die Gäste:

Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, fürchtet: „Die Wunden von gestern Nacht werden bleiben!“

Tina Hassel, Chefin des ARD-Hauptstadtstudios, forderte auf Twitter: „Jeder Republikaner mit einem Rest an Verantwortung muss sofort anerkennen, dass diese Wahl nicht gestohlen und Biden der rechtmäßige nächste Präsident ist!“

Der Journalist Ansgar Graw („The European“) sähe Trump „gern auf der Anklagebank“, findet die Sperre für den Präsidenten auf den sozialen Medien aber „nicht Demokratie-kompatibel“.

Die US-Politologin Sudha David-Wilp hofft jetzt noch mehr auf Biden: „Er ist Onkel Joe für viele Amerikaner!“

Der Ex-ARD–Moderator Ron Williams („Spaß am Dienstag – mit Zini“) schimpfte zuletzt Ende September bei Maischberger auf Trump.

Schlimmste Befürchtung

Williams war sichtlich „schockiert und wütend“ über den Sturm auf das Kapitol, aber auch über die schlappe Abwehr. Sein Vorwurf: „Wenn da mehr braune und schwarze Menschen gewesen wären, wäre Blut geflossen!“

Nun hat der Amerikaner Angst vor Attentaten auf die Wahlsieger: „Ich fürchte für das Leben von Harris und Biden!

Mit der Einschätzung, Deutschland habe gegenüber den USA den „großen Vorteil“, Hitler erlebt zu haben, schoss Williams allerdings weit über das Ziel hinaus: Wer Trump mit Hitler vergleicht, relativiert den Holocaust. Ähnlich hatte sich der Amerikaner, der als  Kabarettist gern mit großen Kalibern ballert, einst über US-Präsident Ronald Reagan geäußert.

Sachlichste Analyse

„Das Kapitol ist fast wie ein Tempel, der jetzt besudelt wurde“, klagte ARD-Hassel. Dass die US-Fahne auf dem Gebäude niedergeholt und stattdessen eine Trumpfahne aufgezogen wurde, sei „sektenähnlich“.

Den Abwehrkampf der demokratischen Institutionen aber lobte die Journalistin: „Ich weiß nicht, ob alle europäischen Demokratien so widerstanden hätten!“

Interessanteste Bewertung

„European“-Graw wollte bei allem Zorn die Attacke doch etwas niedriger hängen: Der 7.Januar werde zwar lange im Gedächtnis bleiben, meinte er, aber doch nicht so lange wie die Terroranschläge auf das World Trade Center vom 11.September 2001.

Sein besonderer Ärger: „Ich habe mir vorgestellt, wie sich Putin und Jinping vor Vergnügen auf die Schenkel geklopft haben!

Authentischster Bericht

Aus Washington wurde der Journalist Majid Sattar („FAZ“) zugeschaltet. Er hatte auf der Pressetribüne verfolgt, wie zwei Sicherheitsbeamte den Plenarsaal betraten, um Vizepräsident Pence herauszuholen.

„Dann kamen bewaffnete Polizisten in Schutzkleidung“, schilderte er jetzt. Jemand habe gesagt: „Leute, das ist hier nicht lustig, da fallen Schüsse!“ Wir gingen in den Tunnel. Die Eingänge wurden schwer bewacht. Das waren Kriegsszenen!“

Dabei habe der Trump-kritische Senator Mitt Romney zu seinem Kollegen Ted Cruz gesagt: „Das hast du jetzt davon, von diesem ganzen Scheiß!

Deutlichste Ansage

Hassel formulierte kurz und knapp: „Die Präsidentschaft Trumps endet, wie sie begonnen hat – mit Verachtung für die Demokratie.

„Die Republikaner haben sich bei Trump in eine Geiselhaft begeben, nachdem er die Partei gekapert hat“, assistierte Graw. „Das macht sie mitschuldig!“

Klügste Einschätzung

Röttgen erinnerte an die Rede, in der Trump seine Anhänger zu einer Demo ans Kapitol schickte: „Das war der letzte Auslöser“, stellte der CDU-Politiker fest. „Der Boden war schon lange, lange vorbereitet. Vier Jahre lang. Das dauernde Leugnen, die Attacken, die Agitation, der Hass, das Aufstacheln. Das war der letzte Anstiftungsakt, der zur Brandstiftung geführt hat.“

Und warum? „Aus dem gleichen Grund, aus dem er alles gemacht hat: aus seinem grenzenlosen Narzissmus“, antwortete Röttgen, der am 16.Januar CDU-Chef werden möchte. „Für Trump gibt es überhaupt nur eins: sich selbst!“

Gnadenloseste Abrechnung

Röttgens Analyse: „Es gibt nicht Demokratie, es gibt nicht Regeln, es gibt nicht Gegner, es gibt nicht Alliierte, es gibt nur ihn. Und darum gibt es in dieser Biographie, in diesem Selbstverständnis auch keine Niederlage!“

Über Trumps Strategie sagte der Politiker: „Das Bestreiten des Sieges von Joe Biden gilt der Legende, von der Trump abhängig ist: Ich bin nicht geschlagen worden, ich bin betrogen worden!“

Klarsichtigste Beurteilung

„Seine Alliierte sind seine Anhänger, die sagen: Die Demokratie in Amerika ist betrogen werden“, erklärte Röttgen weiter. Äußerlich blieb der CDU-Mann gelassen, doch seine Finger trommelten immer wieder energisch aufs Knie: „Es geht ihm nur um sich und seine Legendenbildung vor der Geschichte!“

Emotionalstes Geständnis

Über seine Empfindungen sagte Röttgen deutlich erschüttert: „Entsetzen und Traurigkeit in einer Kombination, die ich in meinem Leben noch nie erlebt habe!

Staatsmännischstes Statement

Denn, so der Politiker: „Unter den Bedingungen von dauerndem Hass, von Feindschaft“ könne eine Demokratie nicht existieren. Und es spreche einiges dafür, dass man dafür die Versöhnung „länger braucht als eine Amtsperiode eines amerikanischen Präsidenten!“

Über die Senatorenwahl in Georgia sagte der CDU-Mann, dessen Partei oft Sympathien für die Politik der US-Konservativen erkennen ließ: „Ich bin froh, dass die Republikaner jetzt keine Mehrheit im Senat haben. Sie hätten Biden nur blockiert!“

Realistischste Warnung

„Es ist nicht nur ein Ansehensverlust“, fürchtete Röttgen nach den TV-Bildern vom Kapitol. „Es ist eine Schwäche. Die amerikanische Demokratie ist objektiv geschwächt!“

Und: „China setzt darauf, zu beweisen, dass sein System das überlegene ist. Es ist eine Verunsicherungskrise der westlichen Demokratie!“

Überzeugendste Expertise

„Die Republikaner sind an einem Wendepunkt gelandet“, meinte Politologin David-Wilp. „Die Ereignisse sind ein Weckruf. Die Partei muss sich überlegen, ob sie den Trumpismus beibehalten möchte oder ob sie nach vorne schauen will.“

Ihre treffende Situationsbeschreibung: „Viele Republikaner mögen Trump nicht, aber sie mögen seine Politik. Die nächsten zwei Wochen werden sehr lang sein, aber wir werden eine friedliche Amtsübergabe haben.“

Ungewöhnlichster Vergleich

„Trump wird eine Art Parallelpräsident sein, irgendetwas Dunkles, was da schwebt“, vermutete ARD-Hassel, „so eine Art Lord Voldemort, der da irgendwie ständig gegen an arbeitet und gegen kämpft.“

Und, so die Journalistin: „Trumpismus ist wie eine Hydra. Man kann den einen Kopf loswerden, und dann wachsen die nächsten nach.“

Ihre Sorge: „Präsident Biden hat letztlich zwei Jahre Zeit. In zwei Jahren sind die Midterm-Elections (Zwischenwahlen), da wissen wir überhaupt nicht, ob seine hauchdünne Mehrheit dann schon wieder weg ist.“

Deshalb, so Hassels Schlussappell, „müssen wir Europäer, und auch wir Deutschen, alles tun, um diese Präsidentschaft erfolgreich zu machen. Alles!“

Fazit: Die Talkbude brummt wieder, und zwar ohne geistige Durchblutungsstörungen, Flachsinnssprüche aus der elitären Echokammer und Schnellsteckantworten im Lego-Stil. Stattdessen knallharte Analysen, kluge Fragen und scharfkantige Kommentare. Das war ein Talk der Kategorie „Da hat‘s gescheppert!“

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