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AfD-Zoff bei Maybrit Illner: Parteichef Tino Chrupalla vermeidet ein klares Bekenntnis zu Co-Chef Jörg Meuthen

„Maybrit Illner: Rechts, links, quer – wer profitiert von Angst und Spaltung?“ ZDF, Donnerstag, 22.15 Uhr.

Der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla hat in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag seinem Co-Chef Jörg Meuthen in dessen Kampf gegen die Rechtsradikalen um Björn Höcke einen ernsthaften Beistand verweigert.

Wörtlich sagte der Rechtsaußenpolitiker auf eine Frage der Talkmasterin eher lau: „Herr Meuthen ist bis nächstes Jahr als Bundesvorsitzender gewählt. Wir arbeiten zusammen. Wir werden uns gegenseitig unterstützen. Das werde ich auch in der jetzigen Zeit tun.“

Coronaleugner, Querdenker, Reichsbürger: In Deutschland wird es immer ungemütlicher. Maybrit Illners Gäste:

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) beobachtet: „Teile der AfD bewegen sich immer mehr in eine rechtsextreme Richtung.“ Er wurde aus Düsseldorf zugeschaltet.

Chrupalla positionierte sich mit dem Satz „Querdenker zählen für uns zum Bürgertum!“

Die Linke-Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht warnte: „Die Corona-Politik ist für viele desaströs!“

Der Wahlforscher Matthias Jung stellte fest: „Die AfD setzt auf die wirtschaftlichen Verlierer.“

Der Journalist Georg Mascolo (ARD, SZ) sagte: „Die AfD versucht, die Corona-Proteste für sich zu nutzen.“

Sorgenvolles aus Politik, Wissenschaft, Medien. Der erste Einspieler stammte vom AfD-Parteitag und zeigte, wie die Partei sich mal wieder zerlegt.

„Auf welcher Seite sind Sie jetzt?“ wollte die Talkmasterin von dem Bundessprecher wissen. „Sagen Sie wie Her Gauland, wir haben eine Corona-Diktatur, oder sind Sie auf der Seite von Jörg Meuthen, der das Gegenteil behauptet?“

Da musste Chrupalla nicht lange überlegen: „Ich bin Bundesvorsitzender der gesamten Partei“, sprudelte es aus ihm heraus. „Ich decke die gesamte Partei ab. Ich stelle mich vor meine Mitglieder. Wir haben einen Super-Parteitag abgehalten…“

„Bleiben wir noch mal bei der Frage“, stoppte Illner. „Auf welcher Seite stehen Sie?“

Doch diesen Pudding kriegte die Talkmasterin nicht an die Wand genagelt: „Es gibt keine Seite für mich“, behauptete Chrupalla ungerührt. „Ich bin Bundesvorsitzender für alle Seiten, für alle Strömungen, und werde mich auch integrativ mit allen Strömungen auseinandersetzen.

Interessanteste Begründung

Der nächste ZDF-Film zeigte, wie AfD-Parteitagsredner Meuthen niedermachten. Auch Chrupalla war dabei: „Dreckige Wäsche sollte man zu Hause waschen und nicht in der Öffentlichkeit!“ blaffte er am Rednerpult seinen Co-Chef an.

Und jetzt? Chrupalla wollte das Thema gern niedriger hängen: „Wir haben eine intensive Debatte gehabt“, erzählte er. „Herr Meuthen hat eine sehr polarisierende Rede gehalten. Deshalb diese Aussprache, und das halte ich in einer lebendigen Debatte für absolut notwendig!“

Wildeste Thesen

„Die AfD sucht, was ihr in der Vergangenheit Erfolge gebracht hat: den Anschluss an Wut“, analysierte Mascolo die Interessen der Rechtsaußenpartei an den Coronademos. „Sie ist dabei auch nicht sonderlich wählerisch.“

Sein Vorwurf: Die AfD füge den Verschwörungsmythen noch neue hinzu. Der Abgeordnete Hansjörg Müller etwa habe behauptet, Corona diene dem Zweck, den Zusammenbruch des Finanzsystems, des Papiergeldes zu vertuschen. Wahnsinn!

Deutlichstes Alarmsignal

Aus Düsseldorf wurde der NRW-Innenminister zugeschaltet. „Natürlich gibt es bei denen, die auf die Straße gehen, Menschen, die wirklich Sorge haben“, meinte er. Die große Mehrheit verhalte sich dabei aber ordentlich.

Doch: „Wir beobachten über die Monate, dass immer mehr rechtsextreme Kräfte die Demonstrationen nutzen und die Wut der Leute missbrauchen! Ich finde, die Politik muss warnen vor dem, was sich da an Problemen entwickeln kann.“

Parteilichster Kommentar

Wagenknecht folgte wie immer spurtreu ihrer Linke-Agenda: „Die Frage ist doch, wer ist verantwortlich dafür, dass so viele Leute wütend sind?“ meinte sie. „Und das ist nicht die AfD! Die regiert ja nicht!“

Ihr Vorwurf: „Warum bricht so vielen Menschen die Existenz weg? Natürlich ist es absurd, zu sagen, wir hätten jetzt wieder 1933 und ein Ermächtigungsgesetz. Aber man muss natürlich auch sagen: Wir haben keine funktionierende Demokratie!“

Sondern: „Wir haben eine Situation, wo starke wirtschaftliche Interessengruppen viel mehr Einfluss auf die Politik haben als die Mehrheit der normalen Bürger.“

Schärfste Vorwürfe

Chrupalla setzte auch da noch einen drauf: „Wir leben nicht in einer Diktatur“, gab er zu, „wir sehen aber Bezüge in diese Richtung, dass zum Beispiel bestimmte Berufsgruppen de facto ein Berufsverbot haben.“

Mehr noch: „Wir sehen, dass die Unverletzbarkeit der Wohnung infrage gestellt wird“, wetterte der AfD-Chef. „Dass die Polizei im Privatbereich überprüfen kann, wie viele Kinder dort spielen. Dass die Kanzlerin bestimmen möchte, mit wem und wie vielen ich Weihnachten zu feiern habe!“

Härtester Konter

„Ich finde, dass wir uns viel zu sehr mit diesen Absurditäten beschäftigen!“ murrte Wagenknecht. Sie wolle lieber eine „Debatte darüber, ob es angemessen ist, in dieser Form Grundrechte einzuschränken, noch dazu jenseits parlamentarischer Beratungen!“

Einmal in Rage, nahm Wagenknecht den CDU-Minister auf die Hörner: „Die Formulierung von Herrn Reul, die Mehrheit der Menschen verhält sich ordentlich, ist ein Zungenschlag, den wir leider immer mehr haben“, patzt sie ihn an.

Denn: „Da kommt schon so eine Diskussion auf, ist man denn eigentlich noch ein ordentlicher Staatsbürger, wenn man jetzt in dieser Situation auf die Straße geht?“

Interessantester Vergleich

„In Deutschland sterben jedes Jahr zwischen 20.000 und 30.000 Menschen an Krankenhauskeimen“, schob die Linke-Politikerin noch nach. „Das könnte man beheben, durch eine bessere Ausstattung der Krankenhäuser. Das sind mehr Menschen, als an Corona wahrscheinlich dieses Jahr sterben!“

Aber, so ihre Kritik: „Das ist eine Gefahr, die nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wird! Nicht wie Corona!“

Wütendste Attacke

Dann kam bei Wagenknecht wieder die Kommunistische Plattform durch: „Es ist doch frappierend, dass sogar Unternehmen, die Dividenden aufzahlen, Stützgelder bekommen haben!“ donnerte sie in die Runde.

„Jetzt erzählt sie schon wieder!“ knurrte Reul von seinem Monitor.

Doch die Linke-Politikerin war nicht zu bremsen: „Die Strukturierung dieser Rettungsgelder hängt davon ab: Wer hat die starken Lobbys!“ rief sie und schlug dazu mit beiden Händen den Takt.

„Wirklich absurd!“ konterte Reul. „Schauen Sie sich mal an, wie viele Arbeitsplätze an den großen Unternehmen hängen! Jetzt machen Sie da wieder so ’ne Kapitalismuskritik daraus. Das ist ja albern!“

Schönster Zungensalat

Der nächste Einspieler zeigte den Rausschmiss des AfD-Hardliners Andreas Kalbitz. „Wir sind Volkspartei“, erklärte Chrupalla, „und da gehören verschiedene Strömungen natürlich dazu!“

Die Talkmasterin kam darüber so ins Schleudern, dass sie die nächste Frage komplett versemmelte: „Björn Lucke – Entschuldigung, Björn Höcke, nicht Lucke! Björn Höcker bereitet eine große Rede in Höcke … äh, in Höxter vor…“ Es gehe um den „Hügel, äh, Flügel“. Uff!

„Extremisten haben in unserer Partei nichts zu suchen“, behauptete Chrupalla mit undurchdringlicher Miene. „Wer nicht auf dem Boden unserer Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung steht, hat in unserer Partei nichts zu suchen!“

Und noch mal Zoff

Zum aufgelösten „Flügel“ und zur Prüfung eines AfD-Verbots durch den Verfassungsschutz sagte Reul: „Der Flügel ist zu einer rechtextremistischen Organisation erklärt worden. Er hat sich aufgelöst, aber die Menschen sind immer noch in dieser Partei drin.“

Chrupalla ärgerte sich die Platze: „Herr Reul, dann nennen Sie uns doch die 7000 Mitglieder des Flügels!“ forderte er.

Doch der CDU-Mann blieb ganz cool: „Es ist doch nicht meine Aufgabe, Ihre Partei auf den richtigen Kurs zu bringen!“

Klarste Ansage

Die Alternativen für die Alternative für Deutschland seien, so Reul: „Entweder Sie schmeißen die raus, oder die bleiben drin, aber dann müssen Sie sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass Sie rechtsextremistisches Gedankengut zulassen.“ Rumms!

„Wenn SPD und CDU den Verfassungsschutz dazu missbrauchen, die größte Oppositionspartei in diesem Lande zu diskreditieren“, giftete der AfD-Chef, „werden wir bis zum Verfassungsgericht klagen!“

Gelungenste Vorlage

Die Talkmasterin spielte der Linken-Politikerin  den Ball in den Fuß: „Björn Höcke steht auf dem Boden der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung?“ fragte sie.

„Bisschen schwierig, wenn einer eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur fordert, oder immer wieder Bezüge zum NS-Regime herstellt“, antwortete Wagenknecht prompt.

„Umvolkung!“ assistierte Illner.

Wagenknecht wusste auch diese Vorlage zu nutzen: „Das haben Sie ja auch gesagt“, warf sie Chrupalla vor, „dass Sie finden, das ist kein besonders problematischer Begriff!“

Letztes Gefecht

„Die AfD hätte keinen Erfolg in diesem Land, wenn es nicht diese breite Unzufriedenheit gäbe“, fügte Wagenknecht hinzu, „wenn es nicht so viele Menschen gäbe, die jedes Vertrauen in die Politik verloren haben!“

Aber sie kehrte auch vor der eigenen Tür: „Das Problem ist, dass linke Politik nicht mehr für soziale Gleichheit steht, sondern dass man stattdessen grün-liberale Modethemen bedient. Dann steht man für eine merkwürdige Ausgestaltung der deutschen Sprache, für Gendersternchen, für Lifestylefragen.

Wichtigste Info

Wahlforscher Jung hatte Zahlen dazu: „Im aktuellen Politbarometer haben wir die AfD im Moment bei 9 Prozent“, berichtete er. „Sie hat schon, vor allem im Osten, Wahlergebnisse erzielt, die weit darüber lagen.“

Aber: „Trotzdem kann man nicht sagen, dass sie ihren Zenit schon überschritten hat. Es gab immer wieder massive Tiefs, besonders dann, wenn die Partei zerstritten war.“

Das Corona-Thema sei für die AfD „nicht ganz so geeignet“, resümierte der Wahlforscher zum Schluss, denn: „Es gibt viel mehr Leute, die schärfere Corona-Maßnahmen fordern, als solche, die sagen, es ist alles übertrieben.“

Fazit: Viel zähe Knatschköpfigkeit mit selbstentblößenden Zwischenrufen, dazu Einspieler mit gespenstischen Szenen und noch viel gruseligere Ansichten aus der intellektuellen Dunkelkammer: Das war ein Talk der Kategorie „Erhellend“.

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